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E-Book

Autopsie und Rechtspflege

Medizinrechtliche Aspekte der klinischen und sanitätspolizeilichen Obduktion

AutorRoland Sedivy
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl107 Seiten
ISBN9783656318071
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Medizin - Pathologie, Note: Sehr Gut, Donau-Universität Krems - Universität für Weiterbildung, Veranstaltung: Medizinrecht, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Klinische Pathologie ist ein ärztlich-diagnostisches Fach, das für alle kurativ-medizinische Fächer von Bedeutung ist. Plakativ ausgedrückt, hat die Pathologie von A-Z, also von Augenheilkunde bis Zahnmedizin, ein breites Aufgabenspektrum. Dabei umfasst das Tätigkeitsprofil alle geweblichen Ebenen des Menschen, sodass die Pathologie im molekularen, im ultrastrukturellen, im histologisch-zytologischen und im makroskopischen Kompartment des menschlichen Körpers diagnostische Leistungen vollbringt. Dieses Arbeitsspektrum betrifft im überwiegenden Ausmaß lebende Patienten, auch wenn die Obduktionstätigkeit weitaus bekannter ist. Dennoch können alle vorher angesprochene Techniken auch an der Leiche Anwendung finden. Gerade unter den vielfältigen Aufgaben der Pathologie gehört die Obduktionstätigkeit zu den sehr sensiblen Arbeitsfeldern, die einerseits der Qualitätssicherung im Krankenhaus und andererseits dem Rechts- bzw. Gesundheitswesen dienlich ist. So wird einleitend eine Übersicht der Arbeitsbereiche der Klinischen Pathologie gegeben, um einen fachlichen Einblick in allgemein verständlicher Sprache zu ermöglichen. Danach werden relevante Rechtsfragen der täglichen Praxis hinsichtlich der Obduktion erörtert und anhand der derzeitig gültigen Rechtsmaterien diskutiert. Insbesondere wird auf dem Umstand der immer geringeren Anzahl an Obduktionen mit deren Folgen eingegangen werden. Letztlich sollen rechtskonforme Antworten und darauf aufbauend Handlungsstrategien für den Alltag dargestellt werden, soweit dies pro futuro möglich ist. In kurzen Exkursen wird ebenso auf angrenzende Thematiken eingegangen.

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Leseprobe

11. Spitalsobduktion


 

Die Spitalsobduktion ist in Österreich bundesweit im §25 des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) statuiert.[28]

 

§25 (1): Die Leichen der in öffentlichen Krankenanstalten verstorbenen Pfleglinge sind zu obduzieren, wenn die Obduktion sanitätspolizeilich oder gerichtlich angeordnet worden oder zur Wahrung anderer öffentlicher oder wissenschaftlicher Interessen, inbessondere wegen diagnostischer Unklarheiten des Falles oder wegen eines vorgenommenen operativen Eingriffes, erforderlich ist.

 

Abs (2) und (3) besagen, wenn keiner der erwähnten Fälle vorliegt, und der Verstorbene nicht schon zu Lebzeiten einer Obduktion zugestimmt hat, dann darf eine solche nur mit Zustimmung der nächsten Angehörigen[29] vorgenommen werden (Ausnahme: Entnahme von Leichenorganen für Transplantationszwecke). Über jede Obduktion ist eine Niederschrift aufzunehmen und entsprechend zu verwahren.

 

Von jeder Obduktion muss gemäß §25 KAKuG ein entsprechender Obduktionsbericht verfasst werden, dessen Kenntnis, sowie alle Wahrnehmungen, die bei Obduktionen getroffen werden, unterliegen dem ärztlichen Berufsgeheimnis nach §54 des ÄrzteG, das den Arzt zur Wahrung der ihm in seiner Berufseigenschaft anvertrauten oder bekanntgewordenen Geheimnisse verpflichtet. Diese Schweigepflicht gilt insbes auch für seine Gehilfen (Pflegepersonal, medizinisch technischer Dienst, Prosekturgehilfen und auch für Studenten der Medizin). Es ist somit untersagt, Wahrnehmungen oder Diagnosen mit einer Person identifizierbar zu machen. Die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung des Berufsgeheimnisses ist strafbar!

 

Somit besteht in Österreich die prinzipielle Möglichkeit jeden Verstorbenen in öffentlichen Krankenanstalten auch allein aus wissenschaftlichen Gründen zu obduzieren – und dies unabhängig religiöser Vorstellungen und individueller Wünsche der Hinterbliebenen. Diese dominante Gewichtung der wissenschaftlichen Interessen des §25 KAKuG gegenüber jenen der Hinterbliebenen und des Patienten zu Lebzeiten, wird teilweise in Hinblick auf die Biomedizinkonvention des Europarates als problematisch angesehen.[30] Der Leichnam ist daher in öffentlichen Krankenanstalten Österreichs grundsätzlich in Verfügungsgewalt des Staates und unterliegt damit nur eingeschränkt der Privatautonomie. Dieses Spannungsverhältnis schlägt sich ebenso in der täglichen Routine nieder und soll später diskutiert werden. In privaten Krankenanstalten ist hingegen gem §40 Abs 1 lit b KAKuG[31] die Zustimmung der nächsten Angehörigen ex lege erforderlich. Ebenso muss eine geeignete Räumlichkeit vorliegen.

 

Gemäß dem bundesstaatlichen Prinzips der österreichischen Verfassung ist das Gesundheitswesen entsprechend der Kompetenzverteilung nach Art 10 Abs 1 Z 12 BV-G mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens die Gesetzgebung Bundessache. In Art 118 Abs 3 Z 7 BV-G ist der Wirkungsbereich der Gemeinde ein vom Bund bzw. Land übertragener in Angelegenheiten des Leichen- und Bestattungswesens.[32]Gem Art 15 BV-G (1) gilt, „Soweit eine Angelegenheit nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, verbleibt sie im selbständigen Wirkungsbereich der Länder.“ – was im Bereich der Obduktionen sowie dem Leichen- und Bestattungswesen auf die neun Bundesländer Österreichs zutrifft. Damitnormieren alle Bundesländer ihreeigenen Krankenanstaltengesetze (KAG) aufbauend auf dem KAKuG des Bundes. Hinsichtlich des Obduktionswesens finden sich in den KAG weitgehend wortgleiche Normen mit dem Bundesgesetz:

 

a) Burgenland


 

Für das Burgenland gilt §53 Bgld KAG[33], wobei die Niederschrift gem §53(3) in die Krankengeschichte aufzunehmen ist und gem Verweis auf §16 (10) Bgld KAG[34] eine Verwahrungspflicht für mindestens 30 Jahre hervorgeht. Für jene Bestandteile der Krankengeschichte, deren Beweiskraft nicht 30 Jahre hindurch hält, gilt eine Verwahrungszeit von mindestens 10 Jahren.

 

Die Norm geht hier in concreto nur auf die Niederschrift per se ein; offen bleibt inwieweit Gewebematerialien, die im Rahmen der Obduktion entnommen wurden, auch dieser Aufbewahrungspflicht unterliegen. Hierzu gilt es anzumerken, dass haftungsrechtlich im Fall des Vorwurfs einer fehlerhaften Befundung, die Beweislast beim beschuldigten Pathologen liegt. Somit muss sich dieser gegenüber den Anschuldigungen freibeweisen. Ohne archivierte Gewebeschnitte oder entsprechenden Gewebeblöcken, die von einem Gutachter untersucht werden können, wird dies schwierig sein. Das Gewebe ist als solches ein objektives Beweismittel, das von einem Sachverständigen zur Prüfung herangezogen werden kann, ob der erhobene Befund korrekt und die Diagnose richtig abgeleitet wurden. Daher obliegt es mE der Krankenanstalt auch in ihrer Fürsorgeverpflichtung gegenüber den angestellten bzw. bediensteten Pathologen für die Verwahrung der Schnitte und Blöcke zu sorgen. Ebenso verhält es sich aber mit der Verwendung solcher Gewebeblöcke für andere Zwecke, wie zB der wissenschaftlichen Untersuchung von potenziellen prospektiven oder prognostischen Markern. In dieser Situation muss immer gewährleistet sein, dass die diagnostischen Gewebe archiviert bleiben, und ausreichend Material zur Nachbefundung zur Verfügung steht. Es gilt der hierarchische Grundsatz: Beweissicherung vor wissenschaftlichem Interesse.

 

b) Kärnten, NÖ, OÖ


 

Kärnten regelt ebenso in § 55 der Kärntner Krankenanstaltenordnung (K-KAO)[35] die Leichenöffnung (Obduktion) und die Verwahrungspflicht in §34 Abs 4 und 5[36], die inhaltlich ident mit dem KAKuG sind.

 

Gleiches gilt für Niederösterreich: §42 des NÖ KAG (Leichenöffnung) und 21 Abs 2[37] (Aufbewahrungspflicht),

 

Oberösterreich regelt mit §49 OÖ KAG[38], wobei in Abs 3 eine Erweiterung hinsichtlich der Niederschrift besteht: Die Obduktionsniederschrift hat die Identität des Obduzierten, die pathologischen Befunde, die Todesursache zu enthalten. Überdies ist die Niederschrift von allen bei der Leichenöffnung anwesenden Ärzten zu unterschreiben. Eine Abschrift ist gem §21 Abs2 lit c OÖ KAG[39] der Krankengeschichte beizulegen, die Verwahrung derselben ist unter Abs 5 ident zu obigen Zeiten geregelt.

 

c) Salzburg


 

Salzburg statuiert im §57 S-KAG[40] ganz analog zu den anderen Ländern, wobei ähnlich zu Oberösterreich der Inhalt der Niederschrift präzisiert wird. Zusätzlich zu Oberösterreich verlangt Abs 3 des S-KAG Angaben zur Person des Obduzierten, Angaben über den Umfang der Leichenöffnung, sowie über entnommene Organe oder Organteile. Auch ist diese entweder vom Leiter der Pathologie oder – wenn kein eigenes Institut der Krankenanstalt besteht – vom ärztlichen Leiter zu unterschreiben. Bezüglich Verwahrungspflicht wird auf §35 (8) verwiesen, der inhaltlich bekanntes enthält.

 

d) Steiermark und Tirol


 

Das Krankenanstaltengesetz (KALG) der Steiermark regelt ganz analog zu OÖ und Salzburg per §32 Abs 1-4 KALG[41] mit Verweis bezüglich Verwahrung auf § 13 Abs 1 Z2 KALG,[42] wobei sich allerdings die genauen – bekannten – Zeitangaben sich unter Abs. 2 finden.

 

Die Tiroler Norm (§37 Tir KAG[43]) ist mit jenen der Länder Burgenland und NÖ ähnlich und damit weitgehend mit dem Text des KAKuG ident, d.h. es bestehen keine nähere Ausführungen, wie die Niederschrift zu erfolgen hat. Zur Verwahrung wird auf §15 Abs 1 lit d Tir KAG verwiesen,[44] dessen Inhalt wieder die übliche 30/10 Jahresfrist enthält.

 

e) Vorarlberg


 

Das Land Vorarlberg behandelt die Leichenöffnung mit §50 des Gesetzes über Heil- und Pflegeanstalten (Spitalsgesetz – SpG)[45] in der Form eines Verweises auf die Bestimmungen des Bestattungsgesetzes. Die Aufbewahrungsregelung mit bekannten Fristen findet sich im §48 Vlbg SpG ohne Hinweis allerdings auf die Obduktionsniederschrift. Das Vorarlberger Gesetz über das Leichen- und Bestattungswesen (BestattungsG)[46] normiert allgemein mit §12 BestattungsG die Leichenöffnung und erfasst unter Abs 3 auch die Spitalsobduktion, die sinngemäß dem KAKuG entspricht.

 

f) Wien


 

Im Wiener Krankenanstaltengesetz findet sich unter §40 Wr KAG die einschlägige Bestimmung, die weitgehend dem KAKuG nachempfunden ist und im Abs 3 bezüglich Verwahrungspflicht auf §17(2) verweist. Im §40 Abs 4 wird überdies ähnlich zu OÖ und Salzburg ein...

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