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Bad Blood

Die wahre Geschichte des größten Betrugs im Silicon Valley - Mit einem neuen Kapitel zum Prozess gegen Elizabeth Holmes - Ein SPIEGEL-Buch

AutorJohn Carreyrou
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl432 Seiten
ISBN9783641228361
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Spannend wie ein Thriller - der vielfach preisgekrönte New-York-Times-Bestseller jetzt als Taschenbuch
Elizabeth Holmes, die Gründerin von Theranos, galt lange als der weibliche Steve Jobs. Das 19-jährige Start-up-Wunderkind versprach, mit ihrer Firma die Medizinindustrie zu revolutionieren. Ein einziger Tropfen Blut sollte reichen, um Diagnosen zu erstellen und Therapien zu steuern - eine Riesenhoffnung für Millionen Menschen und ein extrem lukratives Geschäft. Namhafte Investoren steckten Milliarden in das junge Unternehmen. Es gab nur ein einziges Problem: Die Technologie hat nie funktioniert. Pulitzer-Preisträger John Carreyrou kam dem gigantischen Betrug auf die Spur und erzählt in seinem preisgekrönten Buch die packende Geschichte seiner Enthüllung.

Mit einem neuen Kapitel zum Prozess gegen Elizabeth Holmes.

John Carreyrou hat an der Duke University studiert und arbeitete von 1999 bis 2019 als investigativer Journalist beim Wall Street Journal mit Stationen in Brüssel, Paris und New York. 2013 und 2015 hat er den Pulitzer-Preis für seine Wirtschaftsreportagen gewonnen. Carreyrou hat den Theranos-Skandal im Wall Street Journal nach und nach enthüllt und dafür mehrere Journalistenpreise erhalten. Vom TIME Magazine wurde »Bad Blood« zu einem der 10 besten Sachbücher des Jahrzehnts gewählt. John Carreyrou lebt zusammen mit seiner Frau und drei Kindern in Brooklyn.

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Leseprobe

Prolog


17. November 2006

Tim Kemp hatte gute Nachrichten für sein Team.

Kemp, ein ehemaliger IBM-Manager, leitete den Bereich Bioinformatik bei Theranos, einem Start-up, das ein hochinnovatives Blutanalysesystem entwickelt hatte. Soeben hatte das Unternehmen sein System zum ersten Mal einem großen Pharmakonzern live präsentiert. Elizabeth Holmes, die 22-jährige Gründerin von Theranos, war in die Schweiz gereist, um führenden Managern von Novartis, einem der größten Pharmagiganten der Welt, die Leistungsfähigkeit des Systems vorzuführen.

»Elizabeth hat mich heute Morgen angerufen«, schrieb Kemp seinem 15-köpfigen Team in einer Rundmail. »Sie lässt Grüße ausrichten und sagt, ›Es ist perfekt gelaufen!‹. Und sie hat mich extra gebeten, euch allen zu danken und euch auszurichten, dass sie euren Einsatz zu schätzen weiß. Außerdem meinte sie, die Leute von Novartis seien sehr beeindruckt gewesen. Der Konzern wolle nun ein konkretes Angebot haben und habe Interesse an einem finanziellen Arrangement für ein Projekt bekundet. Damit haben wir erreicht, was wir wollten!«1

Für Theranos war das ein Wendepunkt. Die drei Jahre junge Start-up-Firma war damit nicht mehr nur eine ehrgeizige Vision, die sich Holmes in ihrer Studentenbude in Stanford erträumt hatte, sondern verfügte nun über ein reales Produkt, an dem ein großer multinationaler Konzern akutes Interesse zeigte.

Die Nachricht von der erfolgreichen Präsentation bei Novartis in der Schweiz verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Windeseile bis in den ersten Stock, wo sich die Büros des Boards der kleinen Firma befanden.

Eines der Mitglieder dieses Führungsgremiums war Henry Mosley, der Finanzchef von Theranos. Mosley, ein Veteran der Technologieszene des Silicon Valleys, war erst vor acht Monaten, im März 2006, zu Theranos gestoßen. Er hatte durchdringende grüne Augen, kleidete sich gern lässig und galt als lockerer, umgänglicher Mensch. Seine Kindheit hatte er in Washington, D.C., verbracht und seinen Master of Business Administration an der Universität von Utah erworben. Ende der 1970er Jahre war er nach Kalifornien gezogen und dort geblieben. Seinen ersten Job fand er beim Chiphersteller Intel, einer der Pionierfirmen im Valley. Später leitete er die Finanzabteilungen von vier verschiedenen Technologiefirmen und brachte sogar zwei von ihnen an die Börse. Vor Theranos hatte Mosley also schon ganz andere Dinger geschaukelt.

Was Mosley zu Theranos zog, war das Ausmaß an Talent und Erfahrung, das Elizabeth Holmes um sich sammelte. So jung sie auch war, hatte sie es doch geschafft, sich mit einer richtigen Starbesetzung zu umgeben. Als Vorsitzenden ihres Vorstands hatte sie Donald L. Lucas gewinnen können, einen Risikokapitalinvestor, der auch den Start des heute milliardenschweren Software-Unternehmers Larry Ellisons begleitet und ihm Mitte der 1980er Jahre beim Börsengang seiner Oracle Corporation geholfen hatte. Lucas und Ellison hatten auch eigenes Kapital in Theranos investiert.

Ein weiteres Vorstandsmitglied von exzellentem Ruf war Channing Robertson, Chemieprofessor und stellvertretender Dekan der School of Engineering, einer renommierten Fakultät der nicht weniger renommierten Stanford University. Robertson galt als einer der Stars der Fakultät. Sein Expertengutachten zu den suchtmachenden Wirkungen des Zigarettenkonsums hatte dazu beigetragen, die Tabakindustrie in den späten 1990er Jahren zu einem epochalen 6,5-Milliarden-Dollar-Vergleich mit dem Staat Minnesota zu zwingen.2 Schon bei den wenigen direkten Kontakten, die Mosley mit Robertson hatte, war unverkennbar, dass Robertson sehr große Stücke auf Elizabeth hielt.

Theranos hatte auch ein starkes Managementteam. Kemp hatte 30 Jahre lang bei IBM gearbeitet. Diane Parks, Theranos’ Vertriebsdirektorin, blickte auf 20 Jahre Erfahrung in verschiedenen Pharma- und Biotechnologieunternehmen zurück. John Howard, Vizepräsident für Produkte, war früher Leiter der Chipproduktion bei Panasonic gewesen. Es kam nicht oft vor, dass man in einem kleinen Start-up-Unternehmen Topmanager von diesem Kaliber vorfand.

Aber es war nicht nur die Vorstandsebene und das Managementteam, das Mosley für Theranos begeisterte. Auch der Markt, auf den sich die Firma spezialisierte, war riesig. Pharmakonzerne gaben zig Milliarden Dollar für klinische Versuche aus, um neue Medikamente zu erproben. Wenn es Theranos gelang, sich für solche Unternehmen unverzichtbar zu machen und auch nur einen Bruchteil dieser Ausgaben an sich zu ziehen, konnte das kleine Start-up tatsächlich den großen Reibach machen.

Elizabeth hatte Mosley gebeten, ein paar Finanzprojektionen zusammenzustellen, die sie potentiellen Investoren präsentieren konnte. Mosleys erste Berechnungen hatten Elizabeth nicht befriedigt, weshalb er sie im positiven Sinne revidiert hatte. Die revidierten Zahlen lösten zwar bei ihm leichtes Unbehagen aus, aber er dachte, dass sie noch immer im plausiblen Bereich lagen, sofern die Firma perfekt und effizient arbeitete. Außerdem war den Venture-Kapitalisten, die normalerweise von Start-ups umworben wurden, durchaus bewusst, dass ihnen die Firmengründer in der Regel übertriebene Erfolgserwartungen präsentierten. Das gehörte gewissermaßen zu den Spielregeln. Dafür hatten die Risikokapitalgeber sogar einen eigenen Begriff geprägt: »Hockey Stick Forecast«. Derartig geschönte Projektionen zeigten für die ersten paar Jahre gewöhnlich stabile oder stagnierende Umsätze und danach einen geradezu magisch steilen Anstieg der Umsatzkurve.

Es gab jedoch eine Sache, die Mosley noch nicht ganz verstanden hatte, nämlich wie die Theranos-Technologie funktionierte. Wenn potentielle Investoren in der Firma vorbeischauten, führte er sie deshalb zu Shaunak Roy, dem Mitbegründer von Theranos. Shaunak besaß einen Doktortitel in Chemieingenieurwesen. Er und Elizabeth hatten in Robertsons Forschungslabor in Standford zusammengearbeitet.

Shaunak piekte sich dann in den Finger und presste ein paar Blutstropfen heraus. Die Tropfen transferierte er auf einen Objekt- beziehungsweise Probenträger aus weißem Kunststoff, der »Cartridge« genannt wurde und etwa die Größe einer Kreditkarte hatte. Die Cartridge wurde in ein kastenförmiges Analysegerät geschoben, ungefähr so groß wie ein haushaltsüblicher Toaster, den sogenannten »Reader«. Er analysierte die Daten der Blutprobe in der Cartridge und sandte sie drahtlos an einen Server, der die Daten weiterverarbeitete und ein Resultat zurückschickte. Das war im Wesentlichen alles.

Shaunak führte den Investoren das System auf einem Computermonitor vor. Man sah, wie das Blut im Analysegerät durch die Cartridge floss. Mosley begriff eigentlich nicht so recht, welche physikalischen oder chemischen Prozesse dabei abliefen. Aber das war auch gar nicht seine Aufgabe. Er war der Finanzmanager. Solange das System Ergebnisse lieferte, war er zufrieden. Und das war immer der Fall.

Elizabeth kehrte ein paar Tage später aus der Schweiz zurück. Mit strahlendem Lächeln schlenderte sie durch die Büroräume, für Mosley ein klares Zeichen, dass der Trip erfolgreich gewesen war. Das war nichts Ungewöhnliches. Elizabeth war oft aufgekratzt – sie hatte den typischen grenzenlosen Optimismus einer jungen Unternehmerin. Besonders gern benutzte sie Wörter wie »außer-gewöhnlich«, wobei sie zur Betonung das »außer« kursiv schrieb und den Trennstich einfügte. Damit beschrieb sie die Theranos-Mission in den E-Mails an ihre Mitarbeiter. Das wirkte ein bisschen übertrieben, aber sie schien aufrichtig daran zu glauben. Mosley war sich auch im Klaren darüber, dass Start-up-Gründer im Silicon Valley häufig ein wenig wie fromme Prediger klangen. Mit Zynismus ließ sich die Welt nun mal nicht verändern.

Was ihm jedoch seltsam vorkam, war, dass die paar Kollegen, die Elizabeth auf ihrem Trip begleitet hatten, ihren Enthusiasmus nicht zu teilen schienen. Manche wirkten sogar ausgesprochen bedrückt.

War das vielleicht nur der Jetlag?, fragte sich Mosley leicht belustigt. Oder steckte doch mehr dahinter?

Er ging nach unten ins Großraumbüro, wo die meisten der rund 60 Mitarbeiter in kleinen, durch Stellwände voneinander getrennten Nischen arbeiteten. Mosley suchte Shaunak – der würde bestimmt wissen, ob es irgendein Problem gab, von dem Mosley noch nichts erfahren hatte.

Shaunak behauptete zuerst, nichts zu wissen. Aber Mosley spürte, dass er etwas zurückhielt, und ließ nicht locker. Allmählich gab Shaunak seine Zurückhaltung auf und vertraute ihm an, dass Theranos 1.0, wie Elizabeth das Blutanalysesystem getauft hatte, nicht immer funktionierte. Tatsächlich sei es reine Glückssache, sagte er. Manchmal konnte man dem System ein Ergebnis entlocken – und manchmal eben nicht.

Das war Mosley völlig neu. Er hatte das System immer für zuverlässig gehalten. Hatte es denn nicht immer einwandfrei funktioniert, wenn Shaunak es potentiellen Investoren vorführte?

Na ja … es gebe einen Grund, warum es immer einwandfrei zu funktionieren scheine, erklärte Shaunak. Die Bilder auf dem Computermonitor, die zeigten, wie das Blut durch die Cartridge floss und sich in den kleinen muldenförmigen Vertiefungen sammelte, seien echt. Aber man könne eben nie wissen, ob man ein Ergebnis bekam oder nicht. Deshalb habe man eines der realen Ergebnisse aufgezeichnet und gespeichert, welches das Gerät bei einem früheren erfolgreichen Durchlauf hervorgebracht hatte. Und diese Aufzeichnung führe man den Besuchern am Ende jeder Präsentation vor.

Mosley war geschockt. Er hatte immer geglaubt, die Ergebnisse seien in Echtzeit aus Shaunaks Blut auf der Platine...

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