In diesem Kapitel wird erläutert, welche strukturellen Voraussetzungen in der Praxis für das Case Management gegeben sein müssen, damit eine erfolgreiche Implementierung gewährleistet werden kann, um für Verantwortliche von Non-Profit-Organisationen die Entscheidung zu erleichtern, ob Case Management in ihrem Sozialen Feld realisierbar ist. Denn eine Effizienzsteigerung ist nur möglich, wenn ein Umfeld im Non-Profit-Unternehmen vorhanden ist, welches eine erfolgreiche Implementierung gewährleistet.
Es ist zunächst hilfreich, den Markt der Sozialen Dienstleistungen richtig einordnen zu können. Ausgehend von der Paradigmen der klassischen Wirtschaftswissenschaften, ist dieser in der Regel als nicht marktfähig einzustufen. Marktfähigkeit setzt nämlich eine Wachstumskomponente im Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen voraus mit den Zielen der Generierung, langfristiger Kundenbindungen und der Gewinnmaximierung. Dagegen ist das Hauptziel von Non-Profit-Organisationen die Minimierung sozialer Problemlagen oder das Angebot von Lösungen und damit die Reduzierung der Klientenzahlen (vgl. Brinkmann 2010a, S. 115).
Die Strukturen der Akteure, die als Non-Profit-Organisationen auf dem
(Quasi-)Markt der Sozialen Dienste auftreten, lassen sich in die Wohlfahrtsverbände einteilen, die durch die Geschichte unseres Wohlfahrtsstaates eine zentrale Rolle in der Bereitstellung Sozialer Dienste einnehmen. Sie lassen sich zu anderen Organisationsformen in der Sozialen Arbeit wie folgt abgrenzen. Sie differieren von örtlichen karitativen Vereinen, reinen Soziallobbys, Selbsthilfegruppen, staatlichen Sozial- und Fürsorgeeinrichtungen oder am Gewinn orientierten Sozialunternehmen dadurch,
dass sie national und regional als politische Interessengruppe auftreten
in großem Maß Soziale Dienstleistungen anbieten
zwar formal privater Natur sind, aber ihnen eine hohe staatliche Anerkennung und Finanzierung zuteil wird und sie stark
an Weltanschauungen und Werte gebunden sind (vgl. Merchel 2008, S. 70).
Die Anteils- und Kräfteverteilung zwischen den öffentlichen, frei gemeinnützigen und privaten Trägern sieht dabei so aus, dass für die Leistungserbringung die frei gemeinnützigen und privaten Träger zu bevorzugen sind. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist auch im Sozialgesetzbuch (SGB) verankert. Allerdings trägt grundsätzlich der Staat als öffentlicher Träger z.B. in der Jugendhilfe, Sozialhilfe gegenüber den Klienten die Gesamtverantwortung (vgl. Bossong 2010, S. 44).
Vier Elemente sind dabei kennzeichnend für die Produkte der Sozialen Arbeit. Es handelt sich immer um Dienstleistungen, die interaktiv-personenbezogen verrichtet werden. Ihrer Funktion nach lässt sich differenzieren nach form-beschützenden, formschützend-überwachenden und innovativ-effektivitätssteigernden Angeboten. Die Dienstleistungen werden organisiert, es gibt Fachpersonal und die Arbeit wird entlohnt. Sie werden eingerahmt durch die Sozialpolitik und zentral angeboten (vgl. Bauer 2001, S. 70).
Um den Gedanken der Effizienzsteigerung in Non-Profit-Organisationen um ein weiteres Argument zu erweitern, rückt hier die Verantwortung gegenüber der zukünftigen Generation in den Blickpunkt. So werden im Kontext der sozialen Verantwortung Stimmen laut, die fordern, dass jede Generation nur in dem Maße Ressourcen verbrauchen darf, wie sie Erträge innerhalb des gleichen Zeitfensters generiert (vgl. Kohlhoff 2011, S. 79).
Um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, bedarf der Einsatz des Case Managements als Grundvoraussetzung Fallkonstellationen, in denen sich der Einzelfall des Klienten aus mehrfach belastenden Problemlagen zusammensetzt und ein längeres Zeitfenster für die Hilfsangebote nötig erscheint (vgl. Neuffer 2005, S. 47).
Diese mehrfach belastenden Lebenssituationen führen zu gesteigerten Bedarfen in der Hilfe. Damit einhergehend wird die Fallbearbeitung vielfältiger und stellt erhöhte
Anforderungen an die Steuerung der Hilfeprozesse (vgl. Gissel-Palkovich 2010,
S. 124).
Dass diese vielfältigen Leistungen bedarfsgerecht auf den Klienten zugeschnitten werden, darüber herrscht ein Minimalkonsens zwischen Gesetzgebung, Trägern und Sozialarbeitern (vgl. Bartelheimer 2002, S. 152).
Dies ist von zentraler Bedeutung, da sich Case Management oft in unserem deutschen Wohlfahrtsstaat in Gefahr begibt, relativ undifferenziert als systemneutrale Handlungsoption verwendet zu werden. Ein Irrtum ist es, anzunehmen, dass Case Management als Selbstläufer qualitätssteigernde Wirkung erzielt, wenn dies dem einzelnen Mitarbeiter als Handlungsoption wie ein Allheilmittel verordnet wird (vgl. Hansen 2009, S. 508, 513).
Deswegen muss eine angemessene Beschäftigung mit der generellen Theorie des Case Managements stattfinden, damit ein professionelles Verständnis von Case Management entwickelt werden kann. Denn in der Praxis zeigt sich, dass eine Implementierung, die betriebswirtschaftliche Gründe in den Focus stellt, mitunter einem fachlichen Case Management widerspricht und intendierte Nebenwirkungen auftreten können (vgl. Löcherbach 2008, S. 35).
Implementierungen von Konzepten in einer Organisation wie z.B. das Case Management sind immer als ein Prozess zu verstehen. Der Begriff Prozess wird dort verwendet, wo Vorgänge getätigt werden, die sich nicht mit einer einmaligen Umsetzung erledigen, sondern vielfache Entscheidungs- und Umsetzungsschritte notwendig sind, bis das gewünschte Ergebnis oder Ziel erreicht ist. Bei einem Prozess in einer Organisation kann davon ausgegangen werden, dass Mitarbeiter involviert sind und Klienten mit ihren Anforderungen an die Organisation einen wesentlich Bestandteil bilden (vgl. von Fürstenberg 2005, S. 92).
Zurzeit verläuft die Implementierung des Case Managements in der Praxis als „doppelter Durchdringungsprozess“ von der Mikro- zur Makroebene und umgekehrt. Die Implementierung wird einerseits von Fachkräften empfohlen, die sich effektivere Handlungsvollzüge versprechen und bestrebt sind, auf der organisatorischen sowie auf regionaler Ebene die Implementierung voranzutreiben
(Bottom-up-Implementierungsstrategie). Im Feld des Gesundheitswesens ist ein reziproker Implementierungsweg festzustellen. (top down). Aufgrund von geänderten Rahmenbedingungen versprechen sich die Akteure wie z.B. Krankenhausträger und Krankenkassen, durch die Einführung von Case Management positive Effekte in der Steuerung von aufwendigen und kostenintensiven Fällen oder eine effektivere Verknüpfung der involvierten Abteilungen (vgl. Löcherbach 2008, S. 32, 33).
Unstrittig ist jedoch, dass der wesentliche Anteil bei der Implementierung und die Einbettung in die Organisation Aufgabe der Führungskräfte ist. Die Führungskräfte müssen dabei die zentrale Verantwortung übernehmen, um eine gelungene Implementierung zu gewährleisten (vgl. Gissel-Palkovich 2010, S. 140).
Führungskräfte müssen hierbei verstärkt ihre Verantwortung in ihrer Funktion als Berater und Unterstützer von Mitarbeitern wahrnehmen. Aber auch an fachlicher Kontrolle sollte es nicht mangeln, um gewisse fachliche Standards innerhalb der Organisation zu gewährleisten (vgl. Merchel 2004, S. 41).
Bevor man aber überhaupt mit dem Gedanken spielt, in seiner Organisation Case Management zu implementieren, sollten sich die Entscheider folgende Fragen stellen: „Welchen Standpunkt vertreten die unterschiedlichen Ebenen in der Organisation in Bezug auf das Case Management? (...) Welche Kräfte und Überzeugungen sind im Spiel? (...) Was für Hindernisse gibt es oder werden aufgebaut?“(van Riet 2002, S. 253).
Wenn ein Implementierungsprozess in Gang gesetzt wird, kommt es durch das Case Management als Handlungskonzept zu Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens. Dies sorgt dabei für eine umfassende Transparenz und Standardisierung der Handlungsvollzüge. Es gilt festzuhalten, dass nicht die Beratung bzw. der menschliche Umgang mit dem Klienten standardisiert werden soll, sondern die spezifischen Beratungsinhalte und die Dokumentation. Mit Dokumentation ist die schriftliche Erfassung der Handlungsabläufe gemeint. Die Dokumentation sollte in allen Handlungsfeldern zumindest folgende Basisinformationen enthalten: Stammdaten, den Hilfebedarf des Einzelfalles, die Ziele und Maßnahmenplanung, die Überprüfung und Steuerung des Hilfeprozesses sowie eine abschließende Evaluierung und die daraus zu ziehende Konsequenz (vgl. Mennemann 2009, S. 6, 8).
Die Nachfrage der Klienten steht dabei immer wieder im Mittelpunkt, so dass es im Kern bei der Implementierung um Aspekte der maßgeschneiderten Hilfe, der integralen Hilfeleistung, die Vernetzung von Dienstleistungen und Kundenorientierung geht (vgl. van Riet 2002, S. 34).
Als Anforderung gilt für Non-Profit-Unternehmen die Prämisse, dass ein Bewusstsein für das Case...