1Das Abstandsflächenrecht ist mit eines der wichtigsten Bereiche sämtlicher Bauordnungen. Denn die Abstandsflächen wirken sich nicht nur für den Bauherrn und sein Baugrundstück aus, sondern auch für die Nachbargrundstücke und deren Nutzung. In der HBauO ist das Abstandsflächenrecht und deren Anwendung deutlich vereinfacht, da die erforderliche Abstandsfläche einheitlich auf 0,4 H festgesetzt wurde, worauf an späterer Stelle noch detaillierter eingegangen wird.
2Eine Abstandsfläche ist die Fläche auf Grundstücken, die sich vor Außenwänden von Gebäuden befindet. Abstandsflächen sind grundsätzlich von oberirdischen Gebäuden oder auch baulichen Anlagen, die ebenfalls geeignet sind, die Belichtungs-, Belüftungs- oder Besonnungsverhältnisse auf Nachbargrundstücken zu beeinträchtigen, freizuhalten. Dieses verdeutlicht bereits, dass das Abstandsflächenrecht nicht nur städtebauliche Ziele verfolgt, wie etwa das Freihalten von Flächen zur Begrünung oder auch um einen Durchblick zwischen Gebäuden in hintere Bereiche von Grundstücken zu gewährleisten.
3Abstandsflächen dienen vielmehr auch dazu, ein sozial verträgliches Wohnen der Nachbarn untereinander zu sichern, die Privatsphäre gegen unzumutbare Einsichtnahme, Lärm und Geruchsimmissionen zu schützen und optisch einengende oder sogar erdrückende Auswirkungen von Gebäuden oder baulichen Anlagen für die Nachbarn zu verhindern.
4Bei einer Nutzungsänderung ist stets zu prüfen, ob die Nutzungsänderung sich im Rahmen des Bestandsschutzes hält. Trifft dieses zu, ändert sich abstandsflächenmäßig nichts. Etwas anderes gilt, sofern sich aufgrund der Nutzungsänderung die Abstandsfläche neu berechnet und städtebauliche oder nachbarliche Belange (wie zuvor aufgezeigt) nachteilig berührt werden. Dann stellt sich die Abstandsflächenfrage gänzlich neu. Hält die Nutzungsänderung dann den Anforderungen an Abstandsflächen nicht stand, so ist die Nutzungsänderung gleichwohl eine Abweichungsentscheidung gemäß § 69 zugänglich oder einer Befreiung nach § 31 BauGB. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist von der Bauaufsichtsbehörde insbesondere auch die Tatsache miteinzubeziehen, dass es sich um ein vorhandenes Bestandsgebäude handelt, dessen Kubatur in der Regel im Wesentlichen unverändert bleibt, so dass sich die abstandsflächenrelevante Nutzungsänderung allein „im Inneren des Gebäudes“ vollzieht. Die Umnutzung eines gewerblichen Gebäudes in Wohnungen kann abstandsflächenneutral sein oder auch die Abstandsflächenfrage neu aufwerfen. Abzustellen ist dabei auf den „Wohnfrieden“. Werden die Nachbarn durch die Wohnnutzung stärker „gestört“ als durch die vorherige gewerbliche Nutzung, so wird die Abstandsflächenfrage neu aufgeworfen.
5Der Eigentümer eines Grundstücks kann von seinem Nachbarn nicht die Einhaltung der Abstandsvorschriften fordern, wenn er selbst die gesetzlich vorgegebenen Abstandsflächen nicht einhält.
6Stimmt ein Nachbar der Abweichungsentscheidung einer Bauaufsichtsbehörde zu, wonach auf dem angrenzenden Grundstück die Abstandsflächen nicht eingehalten werden, so hat diese Nachbarzustimmung auch dann Gültigkeit, wenn die Bauausführung nur unwesentlich von der Ursprungs-Baugenehmigung abweicht. Wenn der Nachbar nicht stärker durch die Änderung der Ausführung beeinträchtigt wird, verhält sich der Nachbar treuwidrig, wenn er gegen die unwesentliche Änderung vorgeht. Insoweit hat der Nachbar sein Abwehrrecht...