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E-Book

Bayern weg, alles weg

Warum die CSU zum Regieren verdammt ist

AutorUlrich Berls
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783426421284
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Die CSU steht vor einer großen Schicksalswende. Es geht um alles oder nichts - in München wie in Berlin. Die Opposition ist keine Option, will Seehofers Partei bun-despolitisch weiter eine Rolle spielen. Doch Siegesgewissheit sieht anders aus: Immer wieder stolpert die CSU über Pannen, Krisen und Affären.

Ulrich Berls, Jahrgang 1954 kennt das politische Bayern seit Jahrzehnten. Er hat an der Universität Münchenim Fach Politikwissenschaft promoviert. Nach Lehrjahren beim Zweiten Deutschen Fernsehen in Mainz ist erseit zwanzig Jahren in Bayern als Fernsehjournalist unterwegs. Seit 2005 leitet er das ZDF-Landestudio Bayern.

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Leseprobe

Einführung: Der wankende Riese


Die CSU ist das politische Unikum unseres Landes. Und sie ist ganz zweifelsfrei die erfolgreichste Partei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1957 regiert sie ununterbrochen den Freistaat Bayern, fast immer sogar mit absoluter Mehrheit. Auch bundespolitisch ist die CSU eine feste Größe: Errechnet man den Durchschnitt aller bisherigen siebzehn Bundestagswahlen, dann kommt die CSU auf überragende 52,2 Prozent. Keine andere Partei hat Ähnliches geschafft.

Wahlergebnisse von dauerhafter Opulenz. Ebenso üppig waren dann allerdings auch die Verluste bei der Landtagswahl 2008: Um sage und schreibe 17,3 Prozent rauschte die Partei gegenüber der vorherigen Landtagswahl des Jahres 2003 in den Keller. Aber was heißt hier schon »Keller«? Sie lag mit diesem Ergebnis ja immer noch bei 43,4 Prozent. Um den stabilen Restbestand eines solchen »Fiaskos« dürfte nahezu jede andere demokratische Partei in Europa die CSU beneiden. Ausnahmslos alle Direktmandate hatte die CSU gewonnen, kein einziger Wahlkreis ging bei diesem von allen Kommentatoren doch als »historisch« apostrophierten Absturz verloren. Eine Partei von offenbar unverwüstlicher Substanz.

Innerhalb von wenigen Tagen entmachtete die Partei die Wahlverlierer, die unglückliche Doppelspitze, die Ministerpräsident Beckstein und Parteivorsitzender Huber ein Jahr lang gebildet hatten. Mit Horst Seehofer stand sofort ein politisches Schwergewicht parat, das beide Funktionen übernehmen konnte. Langes Personalgezerre blieb der CSU letztlich erspart. Kurzum, die Partei schien in der Stunde der Bewährung doch ziemlich krisenfest. Mit der FDP wurde notgedrungen, aber gleichwohl rasch eine Koalition gebildet. Die Bayerische Staatskanzlei und nahezu alle Schlüsselressorts blieben fest in CSU-Hand, nur im Wirtschafts- und im Wissenschaftsministerium mussten CSU-Minister für FDP-Nachfolger ihre Schreibtische räumen. Jede andere Partei, die zweistellige Niederlagen bei Wahlen einstecken muss, verschwindet in der Opposition – nicht so die CSU.

Hinzu kommt: Die Strukturen der Partei wirken bis heute intakt. Wie alle Volksparteien beklagt zwar auch die CSU seit Jahren einen Mitgliederschwund. Doch bei diesem Rückgang verhält es sich ganz ähnlich wie bei den Wahlverlusten: Das Ausgangsniveau ist so hoch, das Polster so dick, dass von einer ernsthaften Mitgliederkrise partout nicht die Rede sein kann. Die CSU hat derzeit rund 150000 Mitglieder. Eine stolze Zahl, wenn man bedenkt, dass man CSU-Mitglied nur in Bayern werden kann und dass im Freistaat lediglich 12,5 der insgesamt 82 Millionen Einwohner Deutschlands leben. Die CDU, in die man in allen restlichen Bundesländern eintreten kann (die beiden Schwesterparteien haben sich auf das sogenannte Wohnortprinzip geeinigt), hat augenblicklich etwa 480000 Parteibücher vergeben. Genauso viele sind es bei der SPD, die in der ganzen Republik Mitglieder aufnimmt. Das heißt, in relativen Zahlen ist die CSU mit riesigem Abstand die mitgliederstärkste Partei Deutschlands. Obwohl sie nur regional antritt, hat sie sogar deutlich mehr Mitglieder als die beiden Bundesparteien FDP und Die Grünen zusammengenommen.

Die notorischen Nachwuchssorgen, über die viele politische Parteien klagen, sind bei der CSU eher unbekannt. Die »U 50« der CSU kann sich sehen lassen: Im Europaparlament und im Bundestag sitzen etliche jüngere Abgeordnete mit Profil und Potenzial. Als Horst Seehofer bei seinem Amtsantritt 2008 das bayerische Kabinett radikal verjüngte, hinterließ das zwar Narben bei verdienten Ministerinnen und Ministern, die keine Lust auf Vorruhestand hatten; aber große Mühe, die Posten mit geeigneten Nachwuchspolitikern aus dem Landtag zu besetzen, hatte Seehofer nicht.

Ein erster Blick auf die Christlich Soziale Union führt zu dem Befund: Solche Sorgen möchte man haben!

Kraftstrotzende Symbolik findet sich schließlich in einem weiteren vielsagenden Detail: Auch das Emblem der CSU ist anders als das aller anderen deutschen Parlaments-Parteien. Die Partei-Logos von SPD, CDU und FDP reduzieren sich auf eine graphische Gestaltung der schieren Buchstaben. Die Grünen haben eine Sonnenblume, das traditionelle Signet der Kernkraftgegner, hinter dem Parteinamen abgebildet. Die Piratenpartei deutet ein Segelschiff an, was an die Schrecken der Meere erinnern und den Anspruch der Piratenpartei als Schrecken der Parlamente evozieren soll. Kein deutsches Parteilogo ist freilich so unverfroren wie das der CSU – sie kopiert ganz einfach Teile des bayerischen Staatswappens und setzt Raute und Löwe neben die Initialen ihres Namens. Die Botschaft ist ganz unzweideutig: CSU und Bayern, das ist eins.

Man kann diese Gleichsetzung von Partei und Staat als anmaßend, ja undemokratisch deuten. In der Symbolik des Parteiwappens steckt jedoch auch eine letztlich bittere Wahrheit: Das Logo zeigt nämlich zugleich, ohne Bayern kann die CSU nicht existieren. Der Freistaat ist ihre Basis, wohlgemerkt: ihre einzige Basis. Edmund Stoiber hat oft an die alte CSU-Weisheit erinnert: »Bundestagswahlen sind die Kür, Landtagswahlen die Pflicht.« Dieser Satz gilt im Doppelwahljahr 2013 für die CSU mehr denn je.

Die Wahlen zum Deutschen Bundestag sind der CSU selbstverständlich nicht unwichtig, sie legt ja immer größten Wert darauf, mehr als eine Regionalpartei zu sein, und natürlich will man in Berlin mitregieren. Aber wie die CSU im Bund abschneidet, entscheidet nicht über ihr Schicksal. Immerhin schon zwanzig Jahre in der bundespolitischen Opposition (1969 bis 1982 und 1998 bis 2005) hat sie völlig unbeschadet überstanden. Bei einer Bundestagswahl geht es, auch wenn das im Wahlkampfgebrüll vergangener Jahrzehnte oft anders klang, für die CSU niemals um alles oder nichts. Selbst die Fünf-Prozent-Hürde, die sie bisher immer locker übersprang, müsste sie in einem besonders schlechten Wahljahr nicht fürchten, denn aufgrund ihrer vielen Direktmandate würde es auch dann reichen, um in Berlin mit dabei zu sein.

»Opposition ist Mist«, heißt die zu einiger Berühmtheit gelangte Sentenz von Franz Müntefering über die Rolle der Bundes-SPD. »Opposition ist Mord« kann das nur für die CSU heißen. Wenn es zum Wesen einer Volkspartei gehört, dass sie strukturell regierungsfähig sein muss, dann gilt in einer parlamentarischen Demokratie der logische Umkehrschluss: Sie muss prinzipiell auch oppositionsfähig sein. Doch das ist die CSU in Bayern nicht. Auch in dieser Hinsicht ist sie ein Unikum des deutschen Parteiensystems.

Wenn die CSU die Regierungsmacht in München verlöre, wäre das wohl der Anfang von ihrem Ende. Ohne die Machtbasis im großen und starken Bayern ist diese so übermächtig scheinende Partei nämlich ein Nichts. Stellen wir uns einen Moment lang folgendes Szenario vor: Die CSU rutscht bei der kommenden Landtagswahl nochmals um ein, zwei Prozent ab (mehr müssten es arithmetisch gar nicht sein) und von den anderen Parteien geht niemand mit ihr zusammen, sondern diese verständigen sich auf eine wie auch immer geartete »Servus-CSU-Koalition«, dann stünde die ehemalige Staatspartei splitternackt da. Die jahrzehntealte Verflechtung mit Verbänden und Interessengruppen, ihre enge Vernetzung nicht nur mit staatlichen Institutionen, sondern auch im vorpolitischen Raum würden zwangsläufig brüchig, wenn die CSU keine landespolitischen Entscheidungen mehr durchsetzen könnte und bei der Vergabe von Posten jedweden Einfluss verlöre.

Doch – ist das nicht bei jeder Wahl so, wo liegt denn der Unterschied zu CDU oder SPD? Wenn die beiden anderen Volksparteien eine Bastion verlieren, gehen nicht automatisch alle Lichter aus. Als die SPD zum Beispiel nach vier Jahrzehnten Dauerregierung 2005 Nordrhein-Westfalen verlor oder die CDU nach einem halben Jahrhundert 2011 sogar ihre Festung Baden-Württemberg, waren das katastrophale Zäsuren für die Landesverbände, aber keine Existenzkrisen für die nationalen Gesamtparteien. SPD und CDU sind nun mal keine Regionalorganisationen, diese Parteien ruhen auf vielen Fundamenten, eine Regeneration nach Niederlagen ist aus diversen Richtungen möglich. Die Ein-Land-Partei CSU hat hingegen nur ein einziges Fundament, das aus ihrer Sicht unter gar keinen Umständen wegbrechen darf: Bayern.

Auch die Berliner Situation wäre in unserem Szenario mehr als schwierig: Völlig stimmenlos im Bundesrat wäre die CSU auf ihre drei bis vier Dutzend Bundestagsabgeordneten reduziert, die in ständigem Clinch mit einer Staatsregierung im dann wahrlich fernen München lägen. Die Medien würden sich um den ehemaligen Kraftprotz aus Bayern nicht mehr viel scheren. Die Stimme des CSU-Vorsitzenden: ein Votum des südostdeutschen Wählervereins. Diese Art von Rest-CSU geriete im Nu zu einem traurigen Veteranen der Politik, auf den niemand mehr...

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