Auf die Plätze … fertig … abschalten
So gut wie alles funktioniert wieder, wenn du es nur mal kurz abschaltest. Und für uns Menschen gilt das auch.
ANNE LAMOTT
Der Moment, in dem ich das Abschalten lernte, hat mein ganzes Leben verändert.
Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich fast fünf Jahre später versuchen würde, auch andere davon zu überzeugen. Doch wenn man einen dermaßen guten Trick entdeckt, möchte man ihn einfach mit möglichst vielen teilen. Durch das Abschalten ist es mir gelungen, aus der verrückten Achterbahn von Stress und Getriebensein auszusteigen und ein neues Leben zu beginnen, in dem ich – wenigstens meistens – ruhig bin und die Zügel in der Hand halte. Ich schaffe jetzt mehr und das viel besser als früher, denn ich bin fokussiert, klar im Kopf und genieße es tausendmal so sehr, weil ich präsent bin. Dieses Buch habe ich geschrieben, um Ihnen das Abschalten und Meditieren beizubringen, damit auch Sie sich Ihres Lebens erfreuen können, während es sich abspielt, und nicht mehr vor lauter Sorgen, Angst und Geschäftigkeit auf das Beste verzichten müssen.
Es besteht überhaupt kein Grund, sich mit Stress herumzuschlagen, wenn es doch so leicht ist, ihn loszuwerden.
Tagtäglich bitten mich Leute, ihnen das Meditieren beizubringen. Denn es schwirren ja so viele verwirrende Informationen umher. Deshalb habe ich genau den geradlinigen Leitfaden verfasst, den ich mir in meinen Anfängen gewünscht hätte. Klartext und direkt auf den Punkt. Nach Hunderten von Unterrichtsstunden in allen möglichen Arten der Meditation und nach der Gründung meines Studios kann ich heute wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich die Kunst des Meditierens begriffen habe. Und für Sie lautet die gute Nachricht: So viel zu begreifen gibt es da gar nicht – weil es nämlich überhaupt nicht kompliziert ist! Ich habe dieses Buch für alle geschrieben, die eigentlich gern meditieren würden, es aber für zu kompliziert, zu versponnen halten, die meinen, nicht genügend Zeit dafür zu haben oder keine fünf Minuten täglich still sitzen zu können. Das verstehe ich. Und wie ich das verstehe! Denn es gibt wohl kaum eine Person, bei der es so unwahrscheinlich war wie bei mir, dass sie je mit dem Meditieren anfangen würde. Aber wie sagte doch eine ehemalige Mitschülerin auf unserem dreißigjährigen Klassentreffen so schön: »Wenn Yalof meditieren kann, dann können alle anderen das auch.« Sollten Sie es im Moment also noch für ausgeschlossen halten, dass ich Sie dazu kriege: Ich schaffe das. Ich bin bereit, die Herausforderung anzunehmen und Ihnen zu zeigen, dass es eigentlich gar keine ist.
Ich wäre in lautes Lachen ausgebrochen, hätten Sie mir früher gesagt, der Schlüssel zu Effektivität, Produktivität, Zufriedenheit und größerem Erfolg läge nicht etwa in höherem Tempo und noch größerer Anstrengung, sondern in Entschleunigung und Präsenz. Ich war der klassische Fall einer überehrgeizigen Typ-A-Persönlichkeit: Ständig dabei, zu machen und zu tun, ewig ungeduldig raste ich mit hundertachtzig durch mein Leben. Dieses irrsinnige Tempo und all die Anforderungen, die an mich gestellt wurden, ließen mich aufblühen, und jede Chance, die sich mir bot, packte ich voller Begeisterung bei den Hörnern. Zwischendurch einmal eine Pause einzulegen, um mich zu fragen, was ich eigentlich tun wollte und was nicht, wäre mir nie in den Sinn gekommen, und Nein kam in meinem Wortschatz nicht vor. Was nicht passte, habe ich passend gemacht. Oder genauer gesagt: Ich habe meine Assistentinnen einen Weg suchen lassen, es passend zu machen. Das stresste sie und brachte sie oft zum Weinen. Kein Wunder also, dass eine frühere Mitarbeiterin auf Facebook postete, als die New York Post über die Eröffnung meines Meditationsstudios Unplug berichtet hatte: »Ich wünschte nur, sie hätte auch schon meditiert, als ich noch für sie tätig war.« (Tut mir so leid, Lexa, wirklich!)
Allein die Vorstellung, ein paar Minuten lang still sitzen zu müssen, um abzuschalten, kam mir seinerzeit ebenso irrwitzig wie qualvoll vor. Meditieren? Reine Zeitverschwendung. Ich hatte doch so viel zu tun und zu erreichen.
Heute weiß ich natürlich, dass ich es viel schneller an die Spitze geschafft und den Weg dorthin auch bedeutend mehr genossen hätte, wenn ich damals schon gelernt hätte, das Tempo zu drosseln und abzuschalten. Hört sich ganz schön verrückt an, oder? Weniger tun – mehr erreichen. In aller Ruhe durchstarten. Das Einzige, was wir tun müssen, um den Heiligen Gral zu finden, dem wir doch alle nachjagen – innerer Frieden, Glücksgefühle und größtmöglicher Erfolg –, ist, ein paar Minuten täglich still dazusitzen.
Und das ist keineswegs nur meine Meinung, es gibt zahlreiche wissenschaftliche Belege dafür. Studien zeigen, dass Meditieren tatsächlich gesünder, glücklicher und leistungsfähiger macht. Weil es das Gehirn neu verdrahtet, und zwar genau so, dass Sie dadurch cleverer und konzentrierter werden, dass sich Ihre Produktivität steigert und Sie eine positivere Lebenseinstellung gewinnen. Meditieren reduziert Ängste, Stress, Panikattacken, Aggressionen, Depressionen, Fressanfälle und Schmerzempfindlichkeit. Es verbessert das Gedächtnis, hilft, schneller bessere Entscheidungen zu treffen, erhöht das Mitgefühl und verschafft Ihnen einen echten Vorteil, was den Umgang mit den Herausforderungen angeht, vor die das Leben Sie stellt. Es hilft, Ordnung ins Gehirn zu bringen, und trägt zur Beseitigung des Chaos in Ihrem Leben bei. Mit dem Ergebnis, dass einfach alles besser in Fluss kommt.
Das hört sich nach einer Menge Versprechen an, ich weiß. Aber schon an Tausenden von – anfangs durchaus oft skeptischen – Menschen habe ich miterleben können, dass sie sich tatsächlich erfüllen. Dass heute dreißig Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner täglich meditieren, hat schon seinen Grund. Schließen Sie sich ihnen doch an – dafür müssen Sie ja nicht in den USA leben. Denn das Meditieren funktioniert bei jeder und jedem, die es damit ernst meinen. Und ich kann selbst nach fünf Jahren noch kaum glauben, dass Innehalten und Nichtstun so eine Riesensache ist.
Deshalb möchte ich auch Sie in dieses Geheimnis einweihen, das Ihr Leben verändern – und alles zum Besseren wenden – wird. Es wird Sie nicht nur ruhiger, gesünder und produktiver machen, sondern Ihnen auch bei der Beantwortung der größeren, tiefer gehenden Fragen helfen, wie etwa Was macht mich glücklich? oder Was will ich eigentlich wirklich?. Und womöglich bringt das Abschalten und Präsentwerden auch Sie dazu, das Leben zu führen, für das Sie bestimmt sind, wie es bei mir der Fall war.
Zwei Jahrzehnte habe ich darauf verwendet, es in der Modewelt bis nach oben zu schaffen. Ich war bei der Vogue, bei Elle, bei Marie Claire und bin schließlich bei der Glamour gelandet, wo ich Models vor Fotoshootings zurechtmachte, für die Rubrik »Do’s and Don’ts« zuständig war und als »gute Fee des Umstylings« bekannt wurde – so jedenfalls stand es in der New York Times. Ich war ständig unterwegs, machte Makeovers für die Oprah Winfrey Show, die Today Show, Good Morning America und viele andere Fernsehsendungen. Außerdem berichtete ich über Modenschauen in New York, Paris, Mailand und London. Mein Leben war totale Hektik, und ich liebte es!
Obwohl es wiederholt zu echt wahnsinnigen Situationen kam, verschwendete ich keinen Gedanken an so etwas wie »Stressmanagement«. Weil mich mein Beruf offen gestanden dermaßen mit Begeisterung erfüllte, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre, mich zu fragen, ob ich gestresst war oder nicht. Ich liebte mein Leben. Und der Druck, unter dem ich stand, gehörte einfach dazu. Entspannung fand ich darin, dass ich unter dem Vorwand, ein Schwätzchen mit den Kolleginnen halten zu wollen, durchs Büro tigerte, um ganz nebenbei etwas Süßes abzustauben.
Zerstreut und völlig durchgeknallt zog ich die Punkte auf meiner To-do-Liste durch. Und obwohl ich mich immer rühmte, eine positive, glückliche Person zu sein, trieb ich die Leute um mich herum an, geriet schnell außer Kontrolle, machte aus Mücken eine Elefantenherde, ging mitunter einfach so auf meine Kinder oder meinen Mann los, und jede Deadline ließ mich völlig durchdrehen. Alles andere als attraktiv, sage ich Ihnen! Das Ganze machte ich dadurch wett, dass ich noch mehr auf die Tube drückte und hinterher kleinlaut um Verzeihung bat.
Ich hatte einen glamourösen Job, einen wunderbaren Ehemann und drei fantastische Kinder. Was mir aber fehlte, war die Fähigkeit, im Augenblick zu leben und ihn zu genießen. In meiner Hast, mich schon wieder dem nächsten zuzuwenden, raste ich von Moment zu Moment, ohne den gegenwärtigen auch nur zu registrieren. Da waren all diese Wahnsinnsaugenblicke im Job und in der Familie, aber die meisten sind mir gar nicht recht bewusst geworden, weil ich mich gedanklich schon wieder beim nächsten Highlight aufhielt. Ich zischte in einem solchen irrsinnigen Tempo durch mein Leben, dass ich gar nicht mitbekam, wie viel mir eigentlich entging, all die Fülle. Aber so ist es nun einmal: Wenn man praktisch nur noch aus Checklisten besteht, merkt man gar nicht, dass man immer an der Oberfläche bleibt.
2010 bekam mein Mann Marc den Job seines Lebens angeboten. Und zwar in Los Angeles. Also machten wir uns auf ins nächste Abenteuer.
Den Kulturschock, den ich erlebte, als ich von Manhattan nach Kalifornien zog, habe ich so,...
