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Bedrohungskommunikation

Eine gesellschaftstheoretische Studie zu Sicherheit und Unsicherheit

AutorWerner Schirmer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl226 Seiten
ISBN9783531909509
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR
Realismus und Konstruktivismus streiten sich um die Vorherrschaft über das Thema 'Sicherheit' in den Internationalen Beziehungen, aber beide blenden den Beobachter aus. Werner Schirmer zeigt, dass jede Art von Sicherheitsproblem einen Beobachter voraussetzt und entwickelt basierend auf der Luhmannschen Systemtheorie ein kommunikationstheoretisches Konzept von Sicherheit und Unsicherheit, das den Namen 'Bedrohungskommunikation' trägt.

Dr. Werner Schirmer promovierte bei Prof. Dr. Armin Nassehi an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er arbeitet als Lehrbeauftragter und Forscher am Institut für Soziologie der Universität Uppsala in Schweden.

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Leseprobe
5 Bedrohungskommunikation und funktionale Differenzierung (S. 120-121)

Das Ziel dieses Kapitels ist es, die Beobachtungstheorie (Kapitel 3) und die Kommunikationstheorie (Kapitel 4) mit der luhmannschen Gesellschaftstheorie zusammenzuführen. Nachdem Bedrohungskommunikation als die Kommunikation von Bedrohungen, die sowohl Sender als auch Adressaten betreffen, definiert wurde, kann nun der Frage genauer nachgegangen werden, inwiefern diese Art von Kommunikation sich von anderer Kommunikation unterscheidet, und grundsätzlicher, welche Art von Kommunikation in der Gesellschaft sonst vorkommt.

Das primäre Charaktermerkmal der modernen Gesellschaft ist eine funktionale Differenzierung, d.h. die Differenzierung in autonome und selbstreferenziell geschlossen operierende Teilsysteme wie Politik, Recht, Wissenschaft, Wirtschaft, Religion, Kunst oder Medizin.

Neben dem Prinzip funktionaler Differenzierung wird in diesem Kapitel vor allem der Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien eine tragende Bedeutung zukommen. Denn die Hauptargumentationslinie dieses Kapitels verfolgt die Absicht, Sicherheit als ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium - neben Macht, Geld, Recht, Wahrheit, Liebe oder Kunst - einzuführen.

Die Funktion solcher Medien ist es, die Anschlusswahrscheinlichkeit von Kommunikation zu erhöhen. Sicherheit wird dabei als gesellschaftlicher ‚Wert’ rekonstruiert. Sowohl in den Gesellschaftstheorien von Parsons als auch von Luhmann werden Werte ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium behandelt, so dass man Sicherheit mit einigem Recht als ein solches Kommunikationsmedium nennen kann. Vorteil dieses Verständnisses von Sicherheit ist die hohe Vergleichbarkeit mit Medien aus allerlei Arten von gesellschaftlichen Teilbereichen, die mit ‚Sicherheit’ auf den ersten Blick nicht viel zu tun haben.

Am Beginn des Kapitels werden zwei Säulen der Gesellschaftstheorie dargestellt: der Gesellschaftsbegriff und das Prinzip der funktionalen Differenzierung. Ein Augenmerk wird dabei auf der binären Codierung der Funktionssysteme liegen. Funktionssysteme beobachten nach einer zweiwertigen Leitdifferenz, etwa das Rechtssystem mit recht/unrecht oder Wissenschaft mit wahr/unwahr (5.1). Im anschließenden Abschnitt wird gezeigt, inwiefern Bedrohungskommunikation auch nach einer binären Leitunterscheidung beobachtet, nämlich dem Code bedroht/sicher. Auffällig an diesem Code ist dabei die Nichtidentität von Präferenzwert und Anschlusswert, eine Besonderheit, die sonst nur im Medizinsystem auftaucht (5.2).

Der darauf folgende Hauptabschnitt wird zunächst allgemein in die Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien einführen, um im Anschluss ‚Sicherheit’ als Medium zu identifizieren. Anhand von drei empirischen Beispielen wird die These erläutert und auf zwei Sondereigenschaften symbolisch generalisierter Medien eingegangen: Anfälligkeit für Inflation/Deflation und Körperbezug (symbiotische Symbole). Im Fall von Sicherheit wird der Körperbezug durch Angst hergestellt (5.3).

5.1 Gesellschaftstheorie

5.1.1 Gesellschaft und Gesellschaftstheorie


In der soziologischen Systemtheorie wird Gesellschaft definiert als das umfassende soziale System, das alle anderen sozialen Systeme in sich vereint. Es gibt keine Kommunikation außerhalb der Gesellschaft (Luhmann 1984: 60f). Mit jeder Form von Kommunikation wird Gesellschaft mit vollzogen. Andererseits kann die Gesellschaft daher nichts anderes als kommunizieren: „Das Verhältnis ist zirkulär zu denken: Gesellschaft ist nicht ohne Kommunikation zu denken, aber auch Kommunikation nicht ohne Gesellschaft" (Luhmann 1997: 13). Eine Beschreibung der Gesellschaft - auch eine Gesellschaftstheorie - findet somit innerhalb der Gesellschaft statt. Gesellschaft als kommunikative Einheit kann durch Kommunikation damit letztlich nie erreicht werden. Man kann sie zwar bezeichnen und beschreiben, aber diese Beschreibung trägt zur Gesellschaft - zum Beschriebenen - selbst bei.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhalt8
1 Einleitung12
1.1 Hintergrund12
1.2 Problemformulierung16
1.3 Argumentation und Aufbau des Buches22
2 Sicherheit in den Internationalen Beziehungen25
2.1 Hintergrund: Sicherheit und Internationale Beziehungen25
2.2 Theorien und Tendenzen in den Internationalen Beziehungen28
2.3 Probleme mit dem Sicherheitsbegriff39
2.4 Der blinde Fleck51
3 Beobachtung von Bedrohung und Sicherheit60
3.1 Beobachtung und Form61
3.2 Beobachtung von Bedrohungen68
3.3 Zum Unterschied von Drohung und Bedrohung79
4 Zum Konzept von Bedrohungskommunikation81
4.1 Sicherheit als Kommunikation81
4.2 Systeme und Kommunikation87
4.3 Sicherheit und Kommunikationstheorie95
5 Bedrohungskommunikation und funktionale Differenzierung121
5.1 Gesellschaftstheorie122
5.2 Bedrohung als Beobachtungsperspektive131
5.3 Kommunikationsmedien137
6 Bedrohungskommunikation und politische Kommunikation163
6.1 Politisches System und politische Kommunikation165
6.2 Politik und Bedrohung173
7 Bedrohungskommunikation im Kontext anderer Systeme182
7.1 Bedrohungskommunikation und andere Systeme183
7.2 Bedrohungskommunikation als Parasit193
8 Konklusion206
8.1 Eine nichtnormative Theorie der Sicherheit206
8.2 Möglichkeiten für die Forschung214
Literatur219

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