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E-Book

Begabtenförderung an Gymnasien

Entwicklungen, Befunde, Perspektiven

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl294 Seiten
ISBN9783531910024
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR
Wie kann man angesichts der ernüchternden Befunde der internationalen Vergleichsstudien nicht nur die benachteiligten, sondern gerade die besonders begabten und leistungsfähigen Schüler noch stärker fördern? Welche schulischen Wege der Förderung führen im deutschen Schulwesen zur Exzellenz und zur Herausbildung von Leistungseliten? Auf diese unter dem Gesichtspunkt der Bildungsgerechtigkeit kontrovers diskutierten Fragen geben erfahrene Schulpädagogen in einem Überblick über neue und bewährte Schulmodelle ebenso eine Antwort wie Pädagogische Psychologen, Schulforscher und Bildungssoziologen durch aktuelle Forschungsberichte und laufende empirische Studien.

Dr. Heiner Ullrich ist Professor am pädagogischen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Susanne Strunck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am pädagogischen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

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Leseprobe
„Exklusive" Gymnasien und ihre Schüler – Kulturen der Distinktion in der gymnasialen Schullandschaft (S. 215-216)

W. Helsper, S. Brademann, R-T. Kramer, C. Ziems, R. Klug

Das folgende Zitat aus Bernhard Buebs „Lob der Disziplin" wirft ein bezeichnendes Licht auf die Distinktion zwischen Schulen: „In den letzten Jahren hat sich ein Typus von Verwahrlosung verbreitet, der sich vor allem in einer schwer erträglichen, ich-zentrierten Anspruchshaltung äußert. Diese Kinder (...) erwarten ständig Zuwendung, emotionale und materielle, und sie haben nicht gelernt zu verzichten. Sie leben nach der Formel „Ich. Alles. Sofort" (...) sie kennen keine klaren Grenzen und keine Forderungen, sie erleben nicht die wohltuende Wirkung von Disziplin und klarer Führung. (...) viele Kinder und Jugendliche würden vergnügter und zukunftsfroher aufwachsen, wenn sie in einem Ambiente aktiver Erziehung, die die Mittel der Disziplin nicht scheut, lernen und arbeiten dürfen." (Bueb 2006, S. 64 ff.).

Das – so die Botschaft – bietet im Unterschied zur pädagogisch verwahrlosten Kultur vieler Schulen die Internatsschule Schloss Salem. In den vielfältigen Reaktionen auf Bueb – vom Schulterklopfen bis zum Verdacht antidemokratischer Umtriebe (vgl. Brumlik 2007) – gibt es eine Stimme, vielleicht nicht zufällig von einem ehemaligen Schulleiter der Ecole d’humanité, die Buebs Schrift in einer spezifischen Sichtweise interpretiert. Geäußert wird der Verdacht, dass man „Lob der Disziplin" Unrecht tue, wenn man es als einen substanziellen Beitrag zur pädagogischen Diskussion, als „Lehrbuch einer notwendigen Pädagogik" lese: „Es ist ein cleverer Werbetext für Salem, der (...) bei Kollegen und Fachleuten Kopfschütteln hervorruft, aber sehr viele Neuanmeldungen zur Folge haben wird." (Lüthi 2007, S. 56) Buebs Buch lebt von der distinktiven Absetzung vom konstruierten Kulturelend und -verfall, von all der konstruierten Inkonsequenz und Prinzipienlosigkeit anderer Schulen.

Es bewegt sich auf der „Achse des Guten", der richtigen Erziehung und Bildung, die von Salem über die besten englischen Internate zu den herausgehobenen Schulen der Neuengland-Staaten führt. Salem wird damit in die Riege der traditionsreichsten und prinzipientreuesten internationalen Privatschulen eingereiht, in der der Regierung zur Selbstregierung, die Führung und Führung anderer, der Disziplinierung im Dienst der Selbstdisziplin und der Vervollkommnung des Charakters das Wort geredet wird (vgl. auch Kalthoff 1997, 2006). So etwa in Buebs Erzählung zu einem Jungen, der von Salem verwiesen werden sollte und mit dem er dann den „Deal" abschloss, dass er nach einem Jahr nach Salem zurückkommen dürfe, wenn er sich in einer der härtesten, um Disziplin, Regeltreue und Strafe zentrierten englischen Privatschulen bewährt hätte.

Buebs Buch ist so als Versuch zu lesen, Schloss Salem in die internationale Riege einzurücken und mit diesem Frontalangriff zumindest im nationalen Ranking die Spitzengruppenzugehörigkeit zu sichern. Es lässt sich damit auch als Echo der immer deutlicheren Installierung von Quasi-Märkten und freien Märkten im schulischen, insbesondere auch im gymnasialen Bildungsbereich lesen. Die Konkurrenz wächst, ebenso der Druck zur distinktiven Absetzung.

In diesem Beitrag wird es nicht darum gehen, wie schulisch exzellente Welten pädagogisch optimal zu gestalten wären, wie die Möglichkeiten, „Hochbegabte" zu fördern, aussehen müssten oder was angemessene pädagogische Internatskonzepte sein könnten. Die hier eingenommene Perspektive ist eine grundsätzlich andere: Es wird mit einem durch Bourdieus bildungssoziologische Theorie geschärften Blick (vgl. Bourdieu 1980, 2004, Bourdieu/Passeron 1973, Bourdieu u.a. 1997) gefragt, wie mit besten pädagogischen Absichten Unterscheidungen gemacht werden, wie Unterscheidungen zu hierarchischen Formen der Distinktion werden und wie die so Unterschiedenen ihrerseits zum Unterscheiden angeleitet werden. Die Argumentation wird in folgenden Schritten entwickelt.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
Begabtenförderung und Elitenbildung an Gymnasien:10
Einführung in den Themenbereich10
2 Die Identifikation hoch begabter Schülerinnen und Schüler11
3 Die Wege der Förderung hoch begabter Schülerinnen und Schüler14
4 Das Spektrum der Begabtenförderung an Gymnasien heute18
5 Gymnasiale Wege zur Exzellenz und zur Elitenbildung25
6 Die Förderung der Begabten und die Frage der Bildungsgerechtigkeit29
7 Fazit und Ausblick33
Literatur33
Begabtenförderung im Kontext aktueller Forschungsdiskurse37
Nationale Spitzenleistungen – internationale Leistungsspitze? Eine Sichtung von Lernerträgen besonders leistungsstarker Jugendlicher38
1 Eine Bestandsaufnahme des oberen Kompetenzbereichs39
2 Ansatzpunkte für Zusammenhangsanalysen47
3 Strategien der Förderung von Spitzenleistungen55
4 Fazit57
Literatur58
Hochbegabung: Fiktionen und Fakten61
1 Konzepte61
2 Identifikation69
3 Eigenschaften73
4 Förderung75
Literatur75
Effekte schulischer Fördermaßnahmen für besonders begabte und leistungsstarke Schüler und Schülerinnen79
1 Einleitung79
2 Verschiedene Fördermodelle in der schulischen Begabtenförderung79
3 Evaluations- und Wirksamkeitsstudien81
4 Empirische Befunde zur Wirksamkeit von Fördermaßnahmen84
5 Fazit und Ausblick95
Literatur96
Wege der Begabtenförderung: Erfahrungen und Perspektiven der Praxis101
Kontinuitäten im Wandel: Spezialschulen und Spezialklassen in den neuen Bundesländern102
1 „Spezialschulen“: Ursprung und Geschichte102
2 Schulprogramme und Schulstrukturen106
3 Spezialschulen mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Profil112
4 Spezialschulen für Sprachen115
5 Perspektiven der Schulentwicklung und Schulforschung117
Literatur120
SECUNDUM – die Hochbegabtenförderung ist in der Zukunft der Schulentwicklung angekommen122
1 CJD Braunschweig – wir stellen die Schule vom Kopf auf die Füße.122
2 Hochbegabtenförderung in Deutschland - Geschichte und Gegenwartsbedingungen123
3 Der kategoriale Unterschied zwischen 1981 und 2006 (oder 2008).126
4 Früher: Kinder und Jugendliche bringen Struktur mit und die Schule gibt Bildung hinein. Und heute?130
5 Das Programm im CJD Braunschweig heißt SECUNDUM: die Schule am Beginn der Zukunft muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Bildungssicher – begabungsgerecht – wertebezogen.131
Literatur und Links135
Die Schule für Hochbegabtenförderung / Internationale Schule am Heinrich-Heine-Gymnasium Kaiserslautern: aktuelle Herausforderungen und Perspektiven136
1 Rahmenbedingungen136
2 Konzeption und Stand der Umsetzung139
3 Perspektiven148
Literatur und Links152
Traditionen und Konzepte der Begabtenförderung an der Landesschule Pforta154
1 Kleine historischer Orientierung155
2 Gründungsgedanke und Schulstruktur156
3 „Evaluations“- Versuch158
4 Die Jahre von 1945 bis 1990159
5 Inhaltliche und strukturelle Merkmale 1992 - 2005160
6 Ein Wunsch zum Schluss164
Experimentierfeld für Begabungen – Rückblicke von Absolventen der Landesschule Pforta165
1 Die Suche: Bildungshunger und Freiheitsdrang165
2 Eine Schule im Umbruch167
3 Die Ambivalenz der Freiheit168
4 Refugium des Lernens169
5 Erinnerungsort Pforta169
6 Bildungswege der ersten Nach-Wende-Generation170
Drei Jahre Hochbegabtenförderung am Landesgymnasium für Hochbegabte ( LGH) in Schwäbisch- Gmünd – erste Erfahrungen173
1 Rechtliche und organisatorische Grundlagen173
2 Schüler und Schülerinnen am LGH – Versuch einer Charakterisierung175
3 Förderkonzept178
4 Lehrer und Lehrerinnen am LGH184
5 Unser Kompetenzzentrum für Hochbegabtenförderung185
6 Vorläufiges Fazit – Ausblick186
Formen des Lernens an der Internatsschule Schloss Hansenberg: Zur Unterrichtsgestaltung an einem Begabteninternat188
1 Der Studientag189
2 Ein Unterrichtsprojekt zu selbstbestimmtem Lernen im Leistungskurs Mathematik191
3 Das Forschungstrimester 13.3193
4 Fazit und Perspektiven195
Internationale Abschlüsse als zusätzliches Lernangebot und internationale Qualifikation für besonders begabte und leistungsbereite Jugendliche199
Literatur und Links214
Elitenbildung im deutschen Schulwesen215
„Exklusive“ Gymnasien und ihre Schüler – Kulturen der Distinktion in der gymnasialen SchullandschaftE216
1 Transformationslinien im deutschen Bildungswesen und ihre Bedeutung für „ exklusive Gymnasien“218
2 Vom gymnasialer Distinktion zur Distinktion im Gymnasialen221
3 Gymnasien und ihre Schüler – die „Auserwählten“ an einem exklusiven städtischen Gymnasium223
4 Der Habitus der Schüler-Exzellenz und der Strebenden – Gemeinsamkeiten und Differenzen242
Literatur247
Choice Policies – Selektion, Segregation und Distinktion im Rahmen von Bildungsmärkten1250
5 Mehr Wettbewerb durch mehr Privatschulen252
6 Intendierte Effekte254
7 Nicht-intendierte Nebenwirkungen255
8 Der Teufel steckt im Detail259
9 Der Teufel steckt im System261
10 Das Monopol des Marktes als Steuerungsmodell264
Literatur269
Begabtenförderung und Bildungsgerechtigkeit272
1 Die Rechtfertigung der Förderung besonders Begabter272
2 Gleichheit und Gerechtigkeit276
Literatur289
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren293

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