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E-Book

Bekämpfung der Umweltkriminalität

Rechtsethnologische Perspektiven

AutorPeter H. Kemp
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl280 Seiten
ISBN9783739267777
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Der Autor berichtet aus der Ermittlungsarbeit der Berliner Polizeibehörde. Er baute Brücken von der Kriminalität zur Rechtsethnologie. Er verfolgte Aspekte zu aktuellen Themen Verbrechen, Recht, Schuld, Strafe, Ursachen. Zusammen mit Kollegen baute er den Wissenschaftlich-Technischen Dienst im Landeskriminalamt auf und leitete ihn, war Dozent an der Freien Universität und Technischen Universität Berlin - Forensic Science, lebte von der interdisziplinären Zusammenarbeit: Techniker, Ingenieure, Chemiker & Juristen. Am Kriminalgericht in Berlin-Moabit waren Autor und Kollegen Behördengutachter, die Juristen Staatsanwälte. In der Zeitgeschichtsforschung spiegelt vorliegendes Genre eine Renaissance aufgeschriebener "transformative justice", eine Antizipation, eine Vorwegnahme des zukünftigen Geschehens-Zeitsprungs in die Zukunft, die so eine Art kriminalistisch-literarischen Kannibalismus spiegelt.

Die in den TV-Serien gezeigten Forensiker sind Fiktion, so wird der Werdegang des Autors aufgezeigt. Nach Berufsjahren in einer Boulevardzeitung wechselte er in die Chemische Industrie, FH-Studium - Chemische Verfahrenstechnik, Reise durch die Sahara bis Ghana und Senegal, Ing.-Job in der Bundesanstalt für Materialprüfung und Forschung Berlin, Hochschulstudium Chemie & Geo-Ethnologie, Projektleitung in Nord-Ost-Afrika, in Asien, Nepal/Tibet. Leiter im WTD des LKA Berlin, LV an der FU-Berlin in "Umweltrecht" und "Katastrophenschutz"/Deutsche Hochschule der Polizei Münster in "Nuklearer Nachsorge".

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Leseprobe

Forensic Science


Einstellungsgespräch im LKA


Das Einstellungsgespräch für die Arbeit in dem neu zu schaffenden Dezernat verdient besondere Erwähnung. Das Gespräch führte der Professor/Leiter – Entschärfer und Chemiker der Polizeilich-Technischen Untersuchung (PTU), ein Jurist und Inspektionsleiter sowie ehemaliger Staatsanwalt und Polizeidirektor nebst einem Personaler.

Im Verlauf unseres Einstellungsgesprächs wurde mir deutlich, wie wenig vorbereitet dieser neue Aufgabenbereich war, für die einstellenden Beamten der Pol.-Behörde ebenso ein Ritt in neue Gefilde wie auch für mich: Woher z.B. sollte ich wissen, welche rechtliche Fragen vor einer Probenahme bei einer angenommenen Grundwasser-Verunreinigung zu klären sind?

Immerhin: Die Gerätschaften – bisher gab es solche noch nicht– könnte ich besorgen!

Weiterhin: Welche Pflichten, Rechte, Möglichkeiten habe ich als Behördengutachter?

Bei der Tätigkeit am Umwelt-Tatort handelte es sich um Forensic Science – Kriminaltechnik da wird noch einmal in Kriminalistik und Kriminologie unterteilt.

Die naturwissenschaftlich ausgerichtete Forensik der Systeme beschäftigt sich mit einzelnen Verbrechen, die Kriminologie befasst sich sowohl mit dem Verbrechen – wie auch mit den Verbrechern und den Opfern aus psychologischer, soziologischer und rechtlicher Sicht. Die Systeme stellen den Ist-Zustand dar, erheben aber keinen Anspruch auf Wertung, Beeinflussung oder Veränderung des Ist-Zustandes oder auf Anwendbarkeit ihrer Ergebnisse. Sie ist eine Metatheorie, die konkrete Zusammenhänge umfasst.

Die forensische Kriminaltechnik gibt es in Berlin als eigenes Institut – die PTU, „Polizeilich Technische Untersuchungsanstalt“ und seit 1985 den WTD, „Wissenschaftlich-Technischer Dienst“, eingegliedert in die Strukturen des Landeskriminalamtes.

Für außerhalb des LKA-Stehende müssen wir uns die gutachterliche Beurteilung so vorstellen, dass sie als Thinktank der Umweltdelikte im LKA – auch wie Mediziner – die Schuldfähigkeit der Verursacher festzustellen hatten. Fehlt den Richtern die entsprechende Sachkenntnis in einem Fachgebiet, so beauftragten sie Gutachter zur Feststellung eines Sachverhalts, z.B. ob ein mutmaßlicher Täter zum Tatzeitpunkt in der Lage war, das „Verwerfliche an seinem Handeln zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln“. Sofern diese Fragen von dem Gutachter verneint oder bejaht wurden, entschied sich der Richter – Letztentscheidungsbefugnis – nach einer Prüfung des Gutachtens auf Plausibilität und abhängig von der Schwere der Schuld und der Wiederholungsgefahr für eine Verurteilung. Diese Maßnahme löste dann gar den seltenen Maßregelvollzug aus, in Abgrenzung zum Strafvollzug im Umweltbereich.

Im Maßregelvollzug werden nach §63 und §64 des deutschen Strafgesetzbuches unter bestimmten Umständen Straftäter entsprechend den Maßregeln der Besserung und Sicherung untergebracht. Vom Maßregelvollzug zu unterscheiden ist die Sicherungsverwahrung nach §66 StGB für gefährliche Straftäter, die ausschließlich dem Schutz der Öffentlichkeit dient. Es ist gleichsam wie ein logosyllabisches System, das als geistige Zusammenfassung aufgefasst werden kann, sich alles strafprozessmäßig einzuprägen und zu interpretieren.

Im normalen Strafvollzug ist der stationäre Vollzug gerichtlicher Sanktionen zu verstehen, die dem Verurteilten die Freiheit entziehen. Neben dem Vollzug einer Freiheitsstrafe (§§38 f. StGB) fällt darunter auch der Vollzug der Jugendstrafe (§§17 f., JGG), in einer Sicherungsverwahrung (§§66 ff. StGB) oder einem militärischen Strafarrest (§9 WStG).

Mehrmals hatte ich Vorfälle, so dass ich als Behördengutachter eine Erklärung geben musste, ein abgelaufenes Ereignis zu begutachten: Aus Spuren, die von einem Ereignis herstammten, dessen Tatort ich nicht kennenlernte.

Die Tatortarbeit hatte eine gewisse Ähnlichkeit zur Tätigkeit eines Archäologen.

Aufgaben bei der Umweltpolizei


Vollständigkeitshalber erwähne ich, dass ich seinerzeit zeitgleich auch von verschieden Umweltämtern in Berlin und vor allem dem Umweltbundesamt die Option hatte, bei ihnen anfangen zu können. Eine grüne Stadträtin riet mir ab: Da hätte ich kaum Entfaltungsmöglichkeit – und sie hatte recht, wie mir Mitarbeiter bzw. Umweltingenieure bestätigten, die Mitarbeiter im LKA wurden.

Auch geohydrologische Consultings, die Geohydrologen und Chemiker einstellten, waren nichts für mich, da entschied ich mich auch dagegen, obwohl die Aufgaben interessant waren, aber die Finanzierung schien mir in den Consultants nicht stabil genug zu sein, was sich so auch später herausstellte.

Ich wurde immer wieder gefragt: Umweltpolizei – wie das? Was macht ihr da? Und ich muss zugeben, manchmal standen wir da – wie Ölgötzen am Tatort – schauten und wussten nicht, was wir tun sollten, wenn uns unsichtbare radioaktive, chemische oder biologische Gefahren erwarteten? Gegebenheiten, die es uns unmöglich machten, den Einsatzort gefahrlos zu betreten und zeitnah unveränderte Spuren sichern zu können.

Und machen wir uns nichts vor: Nachhaltigkeitsziele in der Umwelt sollen die Jahrtausendziele, die Millennium - Entwicklungsziele ablösen, die eigentlich hätten schon erreicht sein sollen. Doch im Gegensatz zu diesen sollen die Nachhaltigkeitsziele die Industriestaaten nicht nur zur Finanzierung von Entwicklungsfortschritten verpflichten. Deutschland schneidet mit Platz sechs in der Liste der Bertelsmann-Stiftung nicht schlecht ab. Vor sich hat Deutschland nur Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und die Schweiz. Aber kein Land, kritisieren die Autoren der Stiftung, ist bei allen 17 Zielen wirklich gut.

Die Bilanz ist gemischt. Während Deutschland bei der wirtschaftlichen Entwicklung, der Arbeitslosigkeit und sogar bei der Zahl der Armen nach Einschätzung einer Stiftung gut dasteht, erfüllt das Land überraschend viele Umweltziele nicht. Wobei die Bewertung der Bertelsmann-Stiftung durchaus Diskussionsstoff liefert. Denn einerseits beklagen Umwelt-Autoren, dass der Abstand zwischen Arm und Reich in allen Industriestaaten steige, und Deutschland macht da keine Ausnahme.

Zur Veranschaulichung der Aufgabenvielfalt bringe ich die Explosion in China – denn da lässt sich viel erklären: Mit dem schrecklichen Ereignis in Tianjin (Bericht, Tagesspiegel, Aug. 2015). Der Krater, aus dem fünf Tage nach der Explosion noch Rauch aufstieg, erinnert an New York, 9/11. Die rußgeschwärzten Trümmerflächen, auf denen Tage zuvor noch Lagerhallen standen und nun keine Wand mehr zu sehen ist, beschwören Bilder aus Hiroshima/Nagasaki herauf, die einige Medien zum Jahrestag des ersten Atombombenabwurfs zeigten.

Abgebildete Bilder lassen ahnen: Die Zahl der Opfer wird weit über den Toten und Verletzten liegen, die bis jetzt angegeben werden.

Das Ausmaß der Zerstörung ist das eine. Sie lässt manche zweifeln, ob das wirklich „nur“ ein Industrieunfall war. Der andere Grund für Fragen ist die Intransparenz. Warum weiß die Öffentlichkeit selbst fünf Tage nach dem Unglück so wenig über Hergang und Ursachen? Was für chemische Stoffe lagerten da und in welchen Mengen? Warum wurden die ersten Nothelfer ohne Atemschutz und luftunabhängige Schutzanzüge in diese Zone gelassen? Und dürfen die Menschen in der Umgebung nach all der Geheimniskrämerei darauf vertrauen, dass sie sicher sind vor Gift in der Luft?

Soldaten einer chinesischen ABC-Notfall-Truppe bewegten sich durch das verwüstete Gelände. Information und Sicherheit bedingen einander. Nur wer Gefahren kennt, kann sich – und die seinem Schutz Anvertrauten – davor schützen. Ob Hafenverwaltung oder Betriebsfeuerwehr, sie müssen im Unglücksfall auf verlässliche Daten über gelagerte Gefahrengüter zugreifen können, müssen wissen, ob mit Wasser gelöscht werden darf oder nicht, um Opferzahl und Zerstörung zu minimieren. Intransparenz kostet Sicherheit und im Extremfall Menschenleben.

Die Katastrophe im Hafen der 7,5-Millionen-Stadt Tianjin zeichnet ein Bild davon, wo China steht in seiner Aufholjagd mit westlichen Industrieländern. Es zeigt die Fratze eines ungezügelten Kapitalismus.

Das Unglück ist kein Einzelfall in diesem Riesenreich, ja nicht einmal ein Extremfall. In welche Branche und welchen Lebensbereich wir hineinschauen – Bergbau, Autoindustrie, Öl-Pipelines, Schifffahrt, Freizeitvergnügen, Luftqualität: Die Häufigkeit der Unfälle und der Preis an Menschenleben erschrecken – geben aber einen Eindruck möglicher Einsätze in diesem Bereich.

Die Sicherheitsstandards sind nach unseren Maßstäben in der EU ein schlimmer Witz. In China wurden vermutlich keine Sicherheitsstandards eingehalten. 70-mal so viel Natriumcyanid wie erlaubt soll am Unglücksort gelagert haben. Und der Abstand zu Wohnhäusern nur halb so groß gewesen sein, wie vorgeschrieben gewesen ist.

Nach meiner Einschätzung war Calciumcarbid für die Explosion verantwortlich. Das farblose Pulver dient der Herstellung von Schweißgas (veraltetes Verfahren) und Dünger und ist für sich genommen harmlos. Bei Berührung mit Wasser reagiert Calciumcarbid zu Acetylen (Äthin) – und dieses Gas explodiert mit heißer Flamme (in der Arbeitszone haben wir dann 3200oC, in der Streuflamme 2500oC durch Hinzutritt von Sauerstoff aus der Luft. Für Calciumcarbid spricht weiter, dass sich die Situation durch den Löscheinsatz verschlimmert hat. Ich vermute, dass die Feuerwehr in Tianjin zunächst mit Wasser zu löschen begann und dadurch die Explosionen zusätzlich hervorgerufen...

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