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E-Book

Beratung von Eltern medienabhängiger Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I

AutorBahar Eker
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl71 Seiten
ISBN9783668385818
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Die Durchdringung des Alltags durch digitale Medien hat einen großen Einfluss auf die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Dank Internet, digitalen Kommunikationsmitteln, Computerspielen und Fernsehen haben sie jederzeit Zugang zu virtuellen Welten. Doch die exzessive Nutzung der neuen Medien kann zu einer Beeinträchtigung der körperlichen, sozialen und kognitiven Entwicklung führen. Die Chance auf ein erfülltes und gelingendes Leben wird dadurch erheblich geschmälert. Deshalb ist es wichtig, dass ihnen die Kompetenzen vermittelt werden, die ihnen einen dosierten, aktiven und technisch versierten Umgang mit Bildschirmmedien ermöglichen. In diesem Buch werden innovative Präventionsmaßnahmen zur Beratung von Eltern medienabhängiger Schüler und Schülerinnen in der Sekundarstufe I dargestellt. Einen Schwerpunkt des ersten Teiles bildet die Beschreibung der JIM-Studie, in der die Medienausstattung und der Medienkonsum von Schüler/innen in ihrer Freizeit untersucht wird. Anschließend wird der Einfluss exzessiver Mediennutzung auf die Schulleistungen herausgearbeitet. Im zweiten Teil des Buches wird auf die Medienerziehung in der Familie eingegangen. Hier wird deutlich, dass der übermäßige Mediengebrauch der Schüler/innen auch ihre Eltern vor große Herausforderungen stellt. Aus dem Inhalt: - Mediensucht; - Medienabhängigkeit; - Präventionsmaßnahmen; - Elternberatung; - Medienerziehung

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Leseprobe

4 Mediensucht


 

Bildschirmmedien wie Fernsehen, Computer, Spielkonsolen (Videospiele) und zunehmend auch Mobiltelefone (Smartphones) spielen eine wesentliche Rolle im Leben von Schüler(n)/innen (vgl. Spitzer 2012, S. 79). Daher steht der Medienkonsum von Schüler(n)/innen seit langer Zeit im Fokus des öffentlichen wie wissenschaftlichen Interesses. „Galt die Aufmerksamkeit zunächst dem Fernsehkonsum, Neil Postmans Diagnose vom 'Verschwinden der Kindheit' (1984) ist ein prominentes Beispiel hierfür, sind aktuell vor allem interaktive Medienbeschäftigungen wie das Computerspielen und bestimmte Internetnutzungsweisen von Interesse“ (Baier; Rehbein 2010, S. 243). Hierbei gilt das Interesse einerseits der Dauer der Beschäftigung und andererseits der Verfügbarkeit gewalthaltiger oder pornographischer Inhalte, die mögliche Entwicklungsschäden hervorrufen können. Diese Aspekte geraten auch deshalb verstärkt in den Blick, da mittlerweile nahezu jeder Schüler und jede Schülerin Zugang zu den entsprechenden technischen Voraussetzungen hat (vgl. ebd.). In diesem Zusammenhang stellt insbesondere die Dauer und Intensität der Computer- und Internetnutzung von Schüler(n)/innen ein großes Problem dar. Allerdings ist das Wissen über die exzessive Computer-und Internetnutzung der Schüler/innen noch sehr begrenzt und bezieht sich im Wesentlichen auf Computerspiele. „Auf der Basis einer repräsentativen Studie an Schülerinnen und Schülern der 9. Klassen schätzen Rehbein et al. (2010) drei Prozent der männlichen und 0,3 % der weiblichen Jugendlichen in Deutschland als abhängig vom Computerspielen ein“ (Thomasius; Aden; Petersen 2012, S. 91).

 

Empirische Studien haben gezeigt, dass Computerspielsucht oder pathologischer Internetgebrauch in schwerer Ausprägung häufig mit komorbiden psychischen Störungen ( z.B. Depressionen, Angststörungen, Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom) assoziiert sind. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass Computerspielsucht bei Schüler(n)/innen über Jahre fortdauern kann, nicht generell aus dem Bestehen anderer psychiatrischer Störungen erklärt werden kann und auch Depressionen, Ängste und reduzierte Schulleistungen zur Folge haben kann (vgl. ebd.). Es besteht bisher keine Einigung darüber, ob es sich bei diesem Phänomen um eine eigenständige

 

Krankheit oder das Symptom einer bereits bekannten psychischen Erkrankung und eine Abhängigkeitserkrankung im engeren Sinne oder um pathologischen Computer- bzw. Internetgebrauch im Sinne einer Impulskontrollstörung handelt (vgl. Vukicevic; Wildt 2012, S. 99).

 

„Entgegen der Erwartungen wurde die Internetabhängigkeit auch im Jahr 2013 nicht in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) der American Psychiatric Association (APA) aufgenommen, in dem seit 1952 psychische Erkrankungen kategorisiert werden“ (Rommeley 2014, S. 6). So wird es weiterhin diskutiert, ob es sich bei der Internetabhängigkeit um eine stoffungebundene Sucht als eigenständige und nach einheitlichen Kriterien diagnostizierbare Erkrankung handelt und als solche aufgenommen werden kann. Hier ist eine weiterführende Forschung notwendig, um festzustellen, ob im Zusammenhang mit dem exzessiven und pathologischen Computerspielbzw. Internetgebrauch tatsächlich von einer Sucht im Sinne eines klinischen Krankheitsbildes gesprochen werden kann (vgl. ebd.).

 

4.1 Definition von Sucht


 

In den Medien tauchen oft Begriffe wie „Internetsucht“, „Onlinesucht“, „pathologischer Internetgebrauch“, „Computerspiel-Sucht“ oder allgemein auch „Mediensucht“ auf (vgl. Broschüre der Computersuchthilfe für Jugendliche, S. 7). Um die Bedeutsamkeit und die Wirkung einer Sucht für betroffene Schüler/innen aufzuzeigen, soll der Begriff „Sucht“ zunächst näher erläutert werden.

 

Der Begriff „Sucht“ stammt vom althochdeutschen Wort „siech“ ab und ist eine Bezeichnung für Krankheit (vgl. Klein 2008, S. 2). Heutzutage werden zahlreiche Substanzen und Stoffe mit dem Begriff Sucht in einen Kontext gebracht. Demnach definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1957 „Sucht“ als einen Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge, was durch folgende vier Kriterien gekennzeichnet ist:

 

1. Ein unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels,

2. eine Tendenz zur Dosissteigerung (Toleranzerhöhung),

3. die physische und meist auch psychische Abhängigkeit von der Wirkung der Droge,

4. die Schädlichkeit für den Einzelnen und/ oder die Gesellschaft
(Quelle: DrogenGenussKultur).

 

Im Jahre 1964 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Begriff „Sucht“ durch den Begriff der „Abhängigkeit“ ersetzt. Dennoch werden in Deutschland heute beide Begriffe gleichbedeutend verwendet, so auch in dieser Arbeit. Allerdings wird hier zwischen „stoffgebundenen Süchten“ und „stoffungebundenen Süchten“ unterschieden.

 

4.2 Stoffgebundene und Stoffungebundene Sucht


 

Die „stoffgebundene Sucht“ bezieht sich gewöhnlich auf eine Droge, d.h. eine bestimmte Substanz, wobei die Aufnahme der Droge Priorität gegenüber anderen Verhaltensweisen erlangt, die früher einen höheren Stellenwert hatten. Demnach tritt das zwanghafte Bedürfnis und die zwanghafte Suche nach der Droge in den Vordergrund. „Eine solchermaßen definierte Abhängigkeit setzt ein Verlangen voraus, dem sich Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen unterordnen“ (Baier; Rehbein 2010, S. 245). Die Sucht ruft negative Auswirkungen in verschiedenen Lebensbereichen hervor wie z.B. der Berufsausübung oder den sozialen Kontakten. Im Rahmen dieser Definition lassen sich z.B. Alkoholsucht, Heroinsucht usw. als Abhängigkeit ohne weiteres klassifizieren. Es gibt jedoch auch Hinweise, dass nicht allein eine Sucht von bestimmten Substanzen, sondern auch von bestimmten Verhaltensweisen bestehen kann. Dieses wird als „stoffungebundene Sucht“ bezeichnet (vgl. ebd.). Dabei stellt sich der gewünschte, als Belohnung empfundene psychotrope Effekt (Kick-Erleben, Entspannung, Ablenkung) durch körpereigene, biochemische Veränderungen ein, die durch bestimmte exzessiv durchgeführte Verhaltensweisen ausgelöst werden (vgl. Mücken, S. 10). „Gemeinsames Merkmal der verschiedenen Formen der Verhaltenssucht ist somit die exzessive Ausführung des Verhaltens, also eine Ausführung über das normale Maß hinaus“ (ebd.).

 

4.3 Diagnosekriterien und Erhebungsinstrumente


 

In den gängigen Klassifikationssystemen (ICD-10 oder DSM-IV) zählen zu den Abhängigkeitserkrankungen bisher ausschließlich stoffgebundene Süchte wie Alkohol und illegale Drogen. Stoffungebundene Verhaltenssüchte wie Computerspielsucht werden bislang unter „Störungen der Impulskontrolle“ eingeordnet. „Die Merkmale einer Medienabhängigkeit weisen in ihrer Phänomenologie aber auch eine sehr große Ähnlichkeit mit den Merkmalen einer stoffgebundenen Abhängigkeit auf“ (Teske 2009, S. 333). Demzufolge ergab eine Untersuchung, dass bei Computerspielsüchtigen dieselben Hirnareale emotional angesprochen werden wie bei einem Alkoholabhängigen (vgl. ebd.).

 

Von der „stoffungebundenen Sucht“ wird dann gesprochen, wenn ein Verhalten in der Intensität so stark ausgeprägt ist und in seiner Funktionalität so eingesetzt wird, dass die Kriterien der Abhängigkeit erfüllt sind. So entwickelte der Fachverband für Medienabhängigkeit auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes und der Erfahrungswerte Kriterien zur Diagnosestellung einer Medienabhängigkeit. Als erstes Kriterium wird die „Einengung des Denkens und Verhaltens“ genannt. So wird die Mediennutzung zur wichtigsten Aktivität der Betroffenen und dominiert das Denken (andauernde gedankliche Beschäftigung, auch verzerrte Wahrnehmung und Gedanken in Bezug auf die Mediennutzung), die Gefühle (unstillbares und unwiderstehliches Verlangen) und das Verhalten (Vernachlässigung sozial erwünschter Verhaltensweisen). Zudem kann das zeitliche Ausmaß der Mediennutzung nicht mehr kontrolliert werden, was als „Kontrollverlust“ bezeichnet wird. Als ein weiteres Kriterium wird die „Toleranzentwicklung“ aufgeführt. Demnach kann die gewünschte Wirkung nur durch zunehmend häufigere oder längere Nutzungszeiten (möglicherweise auch durch immer extremere Inhalte) erzielt werden, bei gleich bleibenden Nutzungszeiten bleibt die gewünschte affektregulierende Wirkung aus. Des Weiteren sind auch Entzugserscheinungen“ zu erkennen. So treten bei Verhinderung oder Reduzierung der Mediennutzung diese in Form von Nervosität, Unruhe und/oder vegetativer Symptomatik (Zittern, Schwitzen etc.) auf. Hinzu kommt das Kriterium „Dysfunktionale Regulation von Affekt oder Antrieb“. Hierbei werden durch die bei der Mediennutzung verspürte Erregung (Kick- und Flow- Erlebnisse) oder Entspannung (Abtauchen) negative affektive Zustände im Sinne einer vermeidenden Stressbewältigung verdrängt. Darüber hinaus werden reale Verabredungen mit Freunden zugunsten der Kontakte im Internet vernachlässigt, was durch das Kriterium „Vermeidung realer Kontakte zugunsten virtueller Beziehungen“ zum Ausdruck gebracht wird. Letztlich wird das Kriterium „Fortsetzung des Spielens trotz bestehender oder drohender negativer Konsequenzen“ aufgeführt. Dieses verdeutlicht, dass...

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