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Beratung für Menschen mit geistiger Behinderung

AutorMarkus Steinhauer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2002
Seitenanzahl90 Seiten
ISBN9783638111553
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,0, Universität zu Köln (Heilpädagogische Fakultät - Seminar für Gesitigbehindertenpädagogik), 100 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Ausgehend von der Erarbeitung allgemeiner Grundlagen der Beratung beschäftigt sich die Arbeit mit der Frage, ob und in welcher Form es Beratungsangebote für Menschen mit geistiger Behinderung gibt. Es wird aufgezeigt, dass sie sowohl in der Fachliteratur als auch in der Praxis weitgehend nicht als Zielgruppe für Beratung angesehen werden. Diese Tatsache kritisierend wird eine Zielformulierung vorgenommen, die Beratung als durchaus geeignete Methode zur psychohygienischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung versteht. In Anlehnung an ein humanistisches Menschenbild und die konstruktivistische Erkenntnistheorie werden wesentliche Bedingungen für erfolgreiche Beratungsprozesse benannt und einige Überlegungen zu Schwierigkeiten und Methodenmodifikation für Beratungsgespräche mit geistig behinderten Menschen aufgezeigt.

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Leseprobe

3. Beratung für Menschen mit geistiger Behinderung – kein Thema?


 

Auch innerhalb der (Sonder-)Pädagogik zeigt sich ein zunehmender Bedarf an Beratungsangeboten (Engel u.a. 1997, 54; Speck 1989, 361), und Beratungsaufgaben gehören immer mehr zum Aufgabenfeld von Mitarbeitern in den verschiedenen sonderpädagogischen Arbeitsfeldern (Hansen 1997, 34). Dies führt dazu, daß neben der didaktisch-unterrichtlichen Kompetenz eine Beratungskompetenz für Sonderpädagogen als wesentliche Voraussetzung eingefordert wird (vgl. Klauß 1998; Kleber 1980, 300; Mutzeck 1997, 9; Speck 1990, 298). Dabei zeigen sich entsprechend dem allgemein sehr breiten Verständnis von Beratung (vgl. Kap. 2) auch hier viele verschiedene Formen und Einsatzbereiche, die im folgenden näher dargestellt werden sollen. Dem schließt sich die Frage an, inwiefern Menschen mit geistiger Behinderung hier eingebunden werden.

 

3.1 Beratung in sonderpädagogischen Arbeitsfeldern – ein Überblick


 

Obwohl diese Arbeit den geistig behinderten Menschen selbst als Ratsuchenden thematisiert, reicht es nicht aus, nur danach zu fragen, wo Beratungsangebote direkt an ihn gerichtet sind. Vielmehr müssen aus einer systemorientierten Sichtweise heraus auch Beratungsangebote angesprochen werden, die sich an sein Umfeld richten und somit indirekt auch für Menschen mit geistiger Behinderung sein können.

 

3.1.1 Beratung im fachlichen Austausch


 

Der zunehmende Stellenwert, welcher der Beratung in diesem Bereich zukommt, wird auch durch die vielen Veröffentlichungen innerhalb der letzten Jahre deutlich (vgl. Bönsch 1985; Gemert/ Wielink/ Vriesema 1996; Reuß 1990; Speck 1989; Tiepmar 1993). Dies wird damit erklärt, „...daß sich mit der Veränderung der Inhalte und Organisationsformen der sonderpädagogischen Förderung in allgemeinbildenden Schulen und Sondereinrichtungen sich nicht nur die Kooperations- wie Integrationsformen verändern müssen, sondern sich auch das Anforderungsprofil im Bereich Beratung verändert und erweitert“ (Engel u.a. 1997, 55).

 

Daraus ergibt sich die Forderung, daß alle in diesem Arbeitsfeld Beteiligten, insbesondere aber die Sonderpädagogen, neben ihrer fachlichen Kompetenz auch in der Lage sein sollten, Beratungsprozesse konstruktiv zu gestalten (ebd., 56), damit Kooperation zwischen den Institutionen und verschiedenen Aufgabenträgern und letztlich auch der Wandel der Sonderpädagogik hinsichtlich des handlungsleitenden Ziels „Integration“ in der Praxis gelingen kann. Damit sind alle Formen der Beratung angesprochen, in denen Mitarbeiter in sonderpädagogischen Arbeitsfeldern unter Einbringung ihrer jeweiligen fachlichen Kompetenz gemeinsam an der Lösung und Bewältigung der verschiedenen Aufgaben und Probleme arbeiten. Eine ausführliche Übersicht dieser Aufgaben legt Bach (1999, 103f.) vor. Sie reichen von allgemeinen Fragen hinsichtlich der Erarbeitung und Ausführung pädagogischer Handlungs- und Förderkonzepte bis zu konkreten (problematischen) Situationen, in denen erhöhter Handlungs- bzw. Interventionsbedarf besteht. Die an der Beratung beteiligten Partner sind dabei überwiegend (vgl. Bach 1999, 104; Hansen 1997, 34):

 

 Mitarbeiter der verschiedenen Einrichtungen (Wohneinrichtungen, Schulen, Werkstätten usw.),

 

 „Experten von außen“ (z.B. Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter),

 

 Behörden, Verwaltungsfachleute, Richter, Träger von Einrichtungen, Verbände und

 

 Eltern, Angehörige und Partner behinderter Menschen, z.B. bei Informationsbedarf nach besonderen Hilfsmitteln oder –diensten oder in rechtlichen Fragen sowie bei der gemeinsamen Planung und Durchführung pädagogischer Maßnahmen.

 

Dabei werden zunehmend Beratungsformen favorisiert, die nicht expertenorientiert verfahren und methodisch direktiv und „rat-gebend“ vorgehen (vgl. Kap. 2.2.1 & 2.2.3), sondern die die Kompetenzen der beteiligten Personen als gleichwertig und sich ergänzend ansehen (Engel u.a. 1997, 55f.; vgl. Reuß 1990; Zielke 1994, 281f.). Somit kommt auch in einer solchen „Fachberatung“ dem nicht-direktiven Verfahren eine hohe Bedeutung zu (Kap. 2.2.3). Diese Orientierung setzt sich zunehmend auch in Bezug auf Eltern- bzw. Erziehungsberatung durch (vgl. Speck 1989; 1990; Theunissen 1995; Thome 1993; Warnke 1990).

 

3.1.2 Beratung als Unterstützung bei persönlichen Schwierigkeiten


 

Von der vorgenannten Beratung im Sinne der Bewältigung „fachlicher“ Aufgaben ist diejenige Form der Beratung zu unterscheiden, welche die Beteiligten bei der Lösung bzw. Verarbeitung von persönlichen Schwierigkeiten unterstützen soll. Hierbei geht es um Probleme, die einem höheren emotionalen Beteiligungsgrad der Betroffenen unterliegen (vgl. Kap. 2.6.2). Auch diese Form der Beratung nimmt zunehmend mehr Raum innerhalb der sonderpädagogischen Handlungsfelder ein, obgleich sie nicht immer klar vom fachlichen Austausch getrennt verläuft.

 

Dies betrifft professionelle Mitarbeiter, z.B. wenn Probleme im zwischenmenschlichen Bereich mit Kollegen in Streitgesprächen ausgetragen und als „fachliche Meinungsverschiedenheit“ deklariert werden, insbesondere aber auch beteiligte Eltern und Angehörige, denen es aufgrund ihrer emotionalen Bezüge nicht möglich ist, eine „distanziert-professionelle“ Haltung hinsichtlich der anstehenden Aufgaben, Fragen und Probleme einzunehmen, da diese für sie zumeist „person-nähere“ Themen sind (vgl. Kap. 2.6.2)[17]. So vermischen sich in der Elternberatung oft reine Informationsfragen mit sehr persönlichen Themen, was eine Problemdiagnose oft schwierig macht und zur Folge haben kann, daß das Gespräch wenig effektiv verläuft und zur Unzufriedenheit auf beiden Seiten führt, wenn der beteiligte Berater nicht über eine entsprechende Beraterkompetenz verfügt (Klauß 1998, 267f.; vgl. auch Görres 1972; Speck 1990, 290ff.).

 

Auch den professionellen Beteiligten des Arbeitsfeldes wird eine Unterstützung bei persönlichen Problemen inzwischen weitestgehend angeboten. Diese erfolgt meist unter dem Begriff der „Supervision“, die sich an Personen richtet, „...bei denen das professionelle Handeln auf die zwischenmenschlichen Beziehungen bei beratenden, helfenden, pflegenden, lehrenden, menschenführenden Tätigkeiten gerichtet ist.“ (Mutzeck 1997, 22). Ausgangspunkt und Inhalte sind hierbei (persönliche) Probleme, die sich aus der beruflichen Situation der Ratsuchenden (Supervisanden) ergeben. Das Ziel der Supervision ist „...eine befriedigendere Bewältigung beruflicher Belastungssituationen.“ (Spiess 1997, 206). Somit versteht sie sich auch als „Mittel zur Psychohygiene im Beruf“ (ebd.) und hat zunehmend an Bedeutung sowohl hinsichtlich der Prävention eines „Ausbrennens“ der körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte bei Mitarbeitern in sonderpädagogischen Berufen (Burnout-Syndrom), wie auch eines reflektierteren und somit besseren und effizienteren pädagogischen Handelns.

 

3.2 Ratsuchende mit geistiger Behinderung in Theorie und Praxis


 

3.2.1 Zum aktuellen Forschungsstand


 

Bei den Vorbereitungen zu dieser Arbeit fiel sehr schnell auf, daß die entsprechende Fachliteratur zum Thema nur selten den Menschen mit geistiger Behinderung als Ratsuchenden versteht. So beziehen sich die Veröffentlichungen in erster Linie auf alle Teilhabenden des Umfelds „(geistige) Behinderung“ und thematisieren damit die oben vorgestellten Formen der Beratung (vgl. auch Andriessens 1979; Frantz/ Schirmer 1998; Henriksen 1995). Einige Autoren benennen auch von Behinderung direkt Betroffene als Zielgruppe von Beratung. Dabei benennen sie allerdings nicht explizit Menschen mit geistiger Behinderung (vgl. Bönsch 1985; Stoeckmann 1986), oder sie schließen diese scheinbar bewußt aus. So stellt Bach fest, daß „bei einer Reihe von Behinderungsformen ... der Behinderte selbst als Ratsuchender [auftritt; M.St.]“ (1972, 32) und erwähnt später eine „...Beratungsstelle für „Seh- oder Hörbeeinträchtigte usw. ...“ (1999, 135). Selbst dort, wo Menschen mit Behinderungen als Zielgruppe erwähnt werden, geschieht dies oft eher halbherzig, nämlich „...ansatzweise im pädagogischen Alltag in der Arbeit mit den Schülern...“ (Reuß 1990; vgl. auch Tiepmar 1993). Auch bei einer Befragung von Beratungslehrern im Rahmen einer Untersuchung zum Beratungsangebot als Unterstützung von integrativ beschulten, sehbehinderten Schülern im Raum Unterfranken wurde die reduzierte Einbindung der behinderten Menschen selbst ins Beratungsgeschehen deutlich:

 

„Zu fast 50% bezogen sich die Aussagen der interviewten Beratungslehrer auf Gespräche mit den Eltern sehbehinderter Schüler, zu 39% auf Gespräche mit den Regelschullehrern und zu 13% auf Gespräche mit den Schülern selbst.“ (Drave 1992, 166)

 

Auch in der bereits vor knapp dreißig Jahren von der Bundesvereinigung „Lebenshilfe für geistig Behinderte“ (1972) herausgegebenen Zusammenstellung verschiedener Beiträge lassen sich keine anderen Tendenzen feststellen. Lediglich Füchsle (1972) erwähnt...

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