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E-Book

Berggöttinnen der Alpen

Matriarchale Landschaftsmythologie in vier Alpenländern

AutorHeide Göttner-Abendroth
VerlagEdition Raetia
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9788872835784
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Europas bekannteste Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth zeigt eine unbekannte Seite der Alpen und fasst in diesem Buch ihre landschaftsmythologischen Forschungen in der Schweiz, in Deutschland, Südtirol und Österreich zusammen. Dabei betreibt sie Feldforschung und verknüpft das Wissen von Mythologie, Volkskunde, Sprachforschung und Geografie mit den archäologischen Funden aus den frühen Alpenkulturen. Mit ihrem geschulten Blick gelingt es ihr, die alten Geschichten und Sagen zu erkennen, die in die Landschaft eingeschrieben sind. Grundlage dafür ist die genaue Betrachtung verschiedener Bergformen und ihrer Umgebung, die sie der Symbolik und der Sichtweise früherer matriarchaler Kulturen zuordnet. Das ergibt völlig neue Einsichten in bekannte und weniger bekannte Alpen-Gegenden, die wegen ihrer Schönheit auch heute noch die Menschen anziehen. Das Buch macht es uns möglich, diese Gegenden mit einem neuen Blick zu erwandern. Es gibt uns einen verschütteten Teil unseres kulturellen Erbes zurück.

Dr. Heide Göttner-Abendroth, geb. 1941. Durch ihre lebenslange Forschungsarbeit und ihre in mehreren Bänden erscheinende Reihe¬'Das Matriarchat' (Kohlhammer-Verlag, Stuttgart) wurde sie die Begründerin der Modernen Matriarchatsforschung.

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Leseprobe

Auf den Spuren von „Ötzis“ Göttin


Zur Kulturepoche der Jungsteinzeit in den Ötztaler Alpen9

Mit dem sensationellen Fund des Mannes aus dem Eis, populär „Ötzi“ genannt, am Tisenjoch in 3210 m Höhe, direkt am Übergang vom Ötztal ins Schnalstal, kommen wir in eine enorme historische Tiefe zurück. Die Datierung hat ergeben, dass er um 3350 bis 3100 v. u. Z. gelebt hat, also in der späten Jungsteinzeit (Spätneolithikum).10 In dieser Epoche war die Verarbeitung von Kupfer schon bekannt, weshalb sie auch als „Kupferzeit“ bezeichnet wird. Mit großer archäologischer und naturwissenschaftlicher Genauigkeit ist dieser Fund untersucht und ausgewertet worden, doch bis heute fehlt weitgehend eine Darstellung des kulturellen Hintergrundes.

Dabei gibt es genügend Möglichkeiten, den jungsteinzeitlichen Kulturhorizont zu erforschen. Allerdings müssen dazu die Grenzen der archäologischen Fachdisziplin überschritten werden und Gebiete wie Religionswissenschaft, Sprachforschung, Mythologie und Symbolforschung, Volkskunde, Kultplatzforschung zum Vergleich herangezogen werden und gelegentlich auch die Ethnologie. Das darf jedoch nicht derart vereinzelt und zufällig geschehen wie bisher, sondern muss systematisch unternommen werden. Dafür stellt die moderne Matriarchatsforschung als eine innovative Wissenschaft das philosophische Fundament und den systematisch-methodologischen Rahmen bereit. Außerdem ist sie als kulturgeschichtliche Grundlagenforschung von nicht zu unterschätzender Reichweite.11

Die moderne Matriarchatsforschung stellt eine neue Interpretation der Kulturgeschichte der Menschheit bereit und ist geeignet, die bisherige patriarchale Interpretation abzulösen. Obwohl die patriarchale Geschichtsschreibung eine lange Tradition hat, bewegt sie sich keinesfalls im Feld unumstößlicher Wahrheiten. Viele Dinge werden als „Fakten“ ausgegeben, die bereits gedeutete Befunde sind, und Widersprüche im eigenen Denksystem werden tunlichst versteckt. Sie ist nicht mehr als eine Interpretation aus patriarchaler Perspektive, und eine bestimmte Interpretation kann durch eine andere aufgehoben werden.

Nach philosophischen Grundsätzen ist diejenige Interpretation oder Theorie die bessere, die mehr wissenschaftliche Rätsel, Ungereimtheiten und Widersprüche auflösen kann als die vorige. In diesem Sinne hat die matriarchale Interpretation der Kulturgeschichte einige Vorzüge. Insbesondere kann sie uns für das Verständnis der frühen Geschichte der Menschheit, zu der die hier in Betracht kommende Epoche gehört, den Schlüssel liefern. Das gilt auch für den „Fall Ötzi“, zu dessen Tod es verschiedene Deutungen gibt, die jedoch unseres Erachtens den patriarchalen Denkrahmen nicht überschreiten.

„Ötzis“ Ökonomie und Sozialordnung: Jungsteinzeitliche Hirtenkultur

Hier taucht als erste Frage auf, was „jungsteinzeitliche Hirtenkultur“ eigentlich ist. Es ist erwiesen, dass es bereits zu „Ötzis“ Zeiten die Transhumanz der Almauftriebe mit Schafherden gab. Der Begriff „Transhumanz“ leitet sich von „transhumare“ ab, das „Hin- und Herwandern“ bedeutet und ein lokales, geregeltes Nomadentum meint. Diese Wanderungen der Hirten führten bereits in der Jungsteinzeit vom südlichen Vinschgau (Val Venosta) über vorgelagerte Pässe wie das Tascheljöchl ins obere Schnalstal (Val Senales) und von dort über die hohen Pässe Hochjoch, Niederjoch und Gurgler Eisjoch über den Alpenhauptkamm hinweg in das hintere Ötztal. Im Juni wurden die Schafherden über die Pässe und Gletscher auf die hoch gelegenen Sommerweiden bei Vent und Gurgl im hinteren Ötztal hinaufgeführt, und im September kamen sie wieder herunter. Diese Wanderungen blicken auf eine extrem lange Geschichte zurück, denn sie wurden vor mehr als 5000 Jahren genauso wie heute unternommen. Dabei gab es um 4000 – 3000 v. u. Z. eine warme Epoche mit weit zurückgezogenen Gletschern, eine geografische Situation, der wir uns heute mit dem sich rapide erwärmenden Klima wieder annähern. Aus diesem Grund taute „Ötzi“ aus seinem Eissarg wieder heraus, in dem er in den dazwischen liegenden 5000 Jahren unverweslich eingefroren war.12 Damals waren die genannten Pässe eisfrei und die Übergänge leichter als heute, was das hintere Ötztal mit der südlicher gelegenen Kultur verband. Von Süden her wurde es kultiviert und nicht von Norden her, denn von Norden ist der Zugang durch endlos lange Wege und schluchtartige Täler sehr schwierig. Außerdem zogen die Menschen in der Jungsteinzeit nicht durch von reißenden Gewässern und Steinschlag gefährdete Täler, sondern bewegten sich auf trockenen Höhenrücken und über lichte Pässe. Damit gehören kulturgeschichtlich das hintere Ötztal und Südtirol zusammen, ebenso ist das gesamte Dolomiten-Gebiet damit verbunden. Es ist das alte Gebiet der Räter und Ladiner und jener Völker, die noch vor ihnen da waren. Die früheste, sesshafte Bauernkultur, die in den breiten, sonnigen Gebirgstälern der Dolomiten und des Vinschgaus die ersten Dörfer und Städte schuf, kam aus der großen Ebene Norditaliens, das heißt aus dem Mittelmeerraum mit seinen hochentwickelten, matriarchalen Kulturen der Jungsteinzeit. Die Hirtenkultur in der oberen Zone der Alpen ist ein Ableger davon und überall mit diesen Bauernsiedlungen verbunden – genau so, wie es heute noch ist.

Nun scheint in der heutigen Sichtweise die jungsteinzeitliche Hirtenkultur, die mit gelegentlicher Jägerei verknüpft war, eine reine Männerangelegenheit gewesen zu sein. Nicht nur ist unser „Ötzi“, der mit Jagdgerät ausgestattet war, ein Mann, auch sonst ist nur von „Jägern und Hirten“ die Rede. Die Hirtenwirtschaft stellt man bedenkenlos genau so dar, wie sie heute ist, nämlich fest in Männerhand. Hier beginnen die ideologischen Probleme.

Im Widerspruch dazu stehen Sagenmotive, die etwas anderes zeigen: Hier ist zuerst das aus der Schweiz bekannte rätoromanische Margarethenlied bedeutsam, in dem es eine Hirtin ist, nämlich Margaretha, welche die Almwirtschaft ganz allein versieht. Sie hütet Schafe und Kühe, sie mäht die Wiesen, sie schneidet und mahlt den Roggen und Weizen, sie melkt und buttert, sie macht sich Kleidung aus feiner Schafwolle.13 Es ist von keinem einzigen Mann die Rede, der ihr dabei geholfen hätte. Ganz im Gegenteil: Als die Männer auf die Alm kommen, ereignet sich ein Kulturbruch, denn Margaretha wird vertrieben und nimmt ihre praktischen Künste, mitsamt ihrem Kräuter- und Heilwissen, mit sich fort. Ihr Name „Marga-Retha“ enthält außerdem den Namen „Reitia/Rätia/Rita“. Reitia war die Göttin der Räter, wobei „Räter“ ein Sammelbegriff für verschiedene Volksgruppen ist, die ursprünglich eine vor-indoeuropäische Sprache gesprochen haben.14 Zu ihnen gehören zum Beispiel Ligurer und Etrusker, die einst auch die Po-Ebene Norditaliens bewohnten und um 400 v. u. Z. durch frühpatriarchale, kriegerische Keltenstämme daraus vertrieben wurden. Viele von ihnen wichen nach Mittelitalien aus, andere zogen sich vor diesen Eroberern in die südlichen Alpentäler zurück. Von diesen „Rätern“ ist dokumentiert, dass sie in noch späterer Zeit aus ihren Alpentälern herabstiegen, um ihre Göttin Reitia in deren Heiligtum von Este, in der Nähe von Padua, zu verehren.15 Damit erfassen wir die mediterrane Herkunft dieser verschiedenen Volksgruppen, die von den Römern später, gemäß dem Namen ihrer Göttin, „Räter“ genannt wurden. Nach den Sprachforschern Brunner und Toth enthält die rätoromanische Sprache – eine Variante des Lateinischen – noch einzelne Wörter aus einer altorientalisch-mediterranen Sprache. So bedeutet der Name der Göttin Reitia „meine Hirtin“.16 Ist es nicht merkwürdig, dass eine angeblich reine Männer-Hirtenkultur ausgerechnet eine Göttin anbeten sollte? Dabei lebten die Räter noch erheblich später als die jungsteinzeitliche Kultur unseres „Ötzi“.

Auch andere Sagen weisen auf die Frau als früheste Hirtin hin, so eine Sage aus Südtirol, in der eine Hirtin allein auf der Alm wohnt und alle Arbeit verrichtet, obwohl die Alm angeblich einem Bauern gehört, der aber nie auftritt. Diese Hirtin ruht am Abend „auf dem steinernen Stuhl aus, der neben der Hütte im Unkraut steht“, worin wir unschwer einen Kultstein erkennen können.17 Ebenso verhält es sich mit der „steinernen Platte“, auf der Margaretha angeblich nur ausrutscht, jedoch eher ein altes Fruchtbarkeitsritual vollzieht, wie sie auf den Rutschsteinen, auch...

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