2.3 Sieben-S-Modell
Das erste öffentlich publizierte Modell war das Sieben-S-Modell der Erfolgsfaktoren. Es wurde Ende der 70er Jahre von Tom Peters und Robert Waterman, zu jener Zeit Berater bei McKinsey & Co., entwickelt und in dem Artikel „Structure Is Not Organization“ 42 1980 veröffentlicht. Es beruht auf ihren Erfahrungen in der McKinsey-Unternehmensberatung. 43 Das Ziel des Modells war die Schaffung eines Hilfsmittels, um Organisationsprobleme durchdenken und beheben zu können. Es haben sich dabei 22 Merkmale herauskristallisiert, die dann zu sieben Variablen verdichtet wurden. Hierbei wird zwischen harten (Structure, Strategy und Systems) und weichen Variablen (Skills, Staff, Style und Superordinate Goals) unterschieden. Die harten Variablen sind rational, analytisch leichter fassbar und messbarer Art und im Unternehmen konkret festgelegt. Sie sind bspw. anhand von Strategiepapieren, Unternehmensplänen, Unternehmensdarstellungen oder Organigrammen nachvollziehbar. Die weichen Variablen sind dagegen kaum materiell greif- oder messbar. Sie sind vielmehr intuitiver, emotionaler Natur. Dazu gehören bspw. Fähigkeiten, gemeinsame Werte und kulturelle Elemente, die sich in einem Unternehmen ständig fortentwickeln. 44 Die sieben Variablen von Waterman, Peter und Phillips werden im Folgenden nach, Graf 45 aufgeführt und zusammengefasst. Die typische Anordnung der Variablen wird in der Abbildung dargestellt. 1. Struktur (Structure) Waterman, Peter und Phillips stellten fest, dass die Interaktionen innerhalb einer Organisation, ab einem bestimmten Grad an Größe und Komplexität darunter leiden oder gar zusammenbrechen können. Daraus schlussfolgerten sie, dass die Mitarbeiterorganisation dezentralisiert werden muss. Das heißt, es müssen kleine, kollegial-strukturierte Teams, flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege anstatt steiler, anonymer Hierarchien eingeführt werden. 46
2. Strategie (Strategy) Unter Strategie werden die Handlungen analysiert, die ein Unternehmen gegenüber seinen Konkurrenten und Kunden vornimmt, mit dem Ziel, einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, bspw. durch das Verbessern der Produktqualität oder den Kundendienst. 47
3. Systeme (Systems) Unter „Systems“ verstehen Waterman, Peter und Phillips all die Prozesse, die im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr/Tagesgeschäft ablaufen. Als Beispiele werden Informationssysteme, Budgetierung, Fabrikationsprozesse, Qualitätskontrolle und Messung der Leistungserfüllung genannt.
4. Unternehmenskultur (Style) Als erste weiche Variable wird Style, also die Unternehmenskultur an sich, aufgelistet. Darunter sind Elemente zu verstehen, die durch das Management vorgegeben bzw. vorgelebt werden, andererseits aber auch solche, die sich im Unternehmen historisch entwickelt haben. Das kann sich auf den Führungsstil oder die Umgangsform der Mitarbeiter untereinander beziehen.
5. Menschen/Mitarbeiter (Staff) Als weiterer Punkt wird das Personal als Erfolgsfaktor hervorgehoben. Hierbei kommt es auf das Zusammenspiel der Fähigkeiten der Menschen/Mitarbeiter im Unternehmen an.
6. Fähigkeiten (Skills) Im Sinne des Modells werden unter Fähigkeiten die charakteristischen Kompetenzen verstanden, die das Unternehmen als Ganzes am besten beherrscht (Corporate Skills). Waterman, Peter und Phillips nennen in dem Zusammenhang beispielhaft das Produktmanagement von Procter & Gamble oder die Innovationsfähigkeit von Hewlett-Packard.
7. Übergeordnete Unternehmensziele (Superordinate Goals) Als letzter Punkt wird die grundlegende Ausrichtung, die Vision des Unternehmens, genannt. Darunter sind gemeinsame Werte zu verstehen, die die Mitarbeiter gemeinsam teilen. Sie sind nach Waterman, Peter und Phillips von richtungsweisender Bedeutung für die Stabilität der anderen sechs Faktoren und können nur sehr langfristig beeinflusst werden.
Abbildung 2 - Das Sieben-S-Modell; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Waterman/Peter/Phillips 1980, S. 18
Als Untersuchungsobjekte wurden exzellente 48 amerikanische Unternehmen (z.B.: IBM, Kodak, Hewlett-Packard oder GM) herangezogen, die den Ansatz des Sieben-S-Modells in der Realität umsetzten. Als weiteres Kriterium wurde die Innovationsleistung bewertet. Auf Grundlage von Interviews mit dem Top-Management der untersuchten Unternehmen, kamen Peters und Waterman dann zu acht Merkmalen die erfolgreichen Unternehmensführungen miteinander teilen. Diese Merkmale erfolgreicher Unternehmensführung (=Erfolgsfaktoren) werden im Folgenden aufgeführt: 49 1. Primat des Handelns Bspw. durch das Vereinfachen von Strukturen im Unternehmen kann schnelleres Handeln zugelassen werden.
2. Nähe zum Kunden Kundenorientiertes Handeln sollte gefördert werden. Bspw. in Bezug auf Qualität und Service des Produkts.
3. Freiraum für Unternehmertum Innovationen sollten gefördert werden, bspw. durch Portionierung (=kleine, unabhängige Projektteams).
4. Produktivität durch den Menschen Die Grundlage hierfür stellt ein mitarbeiterorientiertes Führen dar.
5. sichtbar gelebtes Wertesystem Leitwerte sollen vorgegeben und von den Führungskräften vorgelebt werden.
6. Bindung an das angestammte Geschäft Bezeichnet die Ausweitung des Geschäftsfeldes in verwandten Branchen.
7. einfacher, flexibler Aufbau Z.B. Eindämmen von komplexen Organisationsstrukturen durch das Schaffen von eigenständigen Unternehmensbereichen.
8. straff - lockere Führung D.h. eine straffe zentrale Führung mit einer möglichst großen Selbständigkeit des einzelnen schafft Unternehmensbewusstsein bei den Mitarbeitern. In dem Werk „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ 50 51 von 1982 werden die acht Faktoren ausführlich beschrieben. Dabei wird verdeutlicht, dass langfristiger Unternehmenserfolg ausgewogene Maßnahmen in Bezug auf die oben genannten verschiedenen Faktoren voraussetzt, 52 da die Unternehmen nur dann erfolgreich bleiben, wenn sie alle Faktoren in angemessener Weise der sich wandelnden Umwelt des Unternehmens (Gesetzeslage, Vorschriften, Markterfordernisse) immer wieder neu anpassen. 53 Die Arbeit hat das Denken
von Managern und wahrscheinlich auch Wirtschaftswissenschaftlern beeinflusst. Dennoch gilt sie in wesentlichen Teilen als überholt.
So kritisiert Rudolph an dem Bestseller, es sei keine methodisch fundierte empirische Arbeit, sondern nur moderne Managementliteratur. 54
Steinle sowie Jasmin und Volker Kirschbaum, ebenfalls Initiatoren eines Erfolgsfaktorenforschungsprojekts, bemängeln die Globalität der acht Erfolgsfaktoren und jeweils deren isolierte Betrachtung. Sie sehen darin die Gefahr einer „plakativen Übervereinfachung“ 55 und damit eine „ungenügende Problembewältigung“ 56 . Schlussendlich sind sie der Meinung, die acht Erfolgsfaktoren des Modells wären eher als „Faktoren einer erfolgreichen Beratungserfahrung“ 57 zu bezeichnen. 58
Preis bemängelt hauptsächlich die dem Modell fehlende dynamische Komponente 59 und selbst Peters und Waterman haben unabhängig voneinander ihre anfänglichen Auffassungen z. T. beträchtlich modifiziert. 60
Die umfangreichste und wohl auch schärfste Kritik an dem Modell wurde von Krüger in seinem Aufsatz „Hier irrten Peters und Waterman - Ein Bestseller wird entzaubert“ 61 veröffentlicht. Er kritisiert insb. die „Eindimensionalität, Undifferenziertheit, Unschärfe und Einseitigkeit“ 62 des Sieben-S-Modells. Er kommt zu dem Schluss, dass die Arbeit von „[…] zwei vorwiegend quantitativ ausgebildeten Unternehmensberatern, fasziniert von qualitativen Eindrücken ihrer Beratungspraxis, ein am Ende einseitiges, von weichen Faktoren geprägtes Bild der Realität […]“ zeigen würde. 63 In einer eigenen Untersuchung kam Krüger zu dem Ergebnis, dass in erfolglosen Unternehmen mehrere Faktoren (Strategie, Träger, Struktur) schwergewichtig wirken, während in erfolgreichen Unternehmen vor allem der Faktor „Strategie“ von Bedeutung ist. 64
Ungeachtet aller Kritik darf jedoch nicht vergessen werden, dass das Modell von Peters & Waterman weltweit Beachtung gefunden hat und Basis für zahlreiche darauf aufbauende Untersuchungen geworden ist. ...