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E-Book

Bernhard Dräger

Erfinder, Unternehmer, Bürger. 1870 bis 1928

AutorMichael Kamp
VerlagWachholtz Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl712 Seiten
ISBN9783529092503
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
1889: Mit gerade mal 19 Jahren entwickelt Bernhard Dräger zusammen mit seinem Vater Johann Heinrich Dräger das Lubeca-Ventil, mit dem die Erfolgsgeschichte des Drägerwerks in Lübeck beginnt. Es folgen weitere Erfindungen des jungen Drägers, wie Atemschutzgeräte für den Bergbau und Feuerwehren, Wiederbelebungsgeräte, Narkoseapparate für die Medizin und Tauchretter. Alles Meilensteine der Technikgeschichte. In dieser Biografie widmet sich der Historiker Michael Kamp dem Leben und Schaffen von Bernhard Dräger, dem Unternehmensleiter der zweiten Dräger-Generation. Das Buch erzählt von Ideen und Motivationen, von Erfolgen und Rückschlägen, von Familie und Beruf, von allem, was ein Leben ausmacht. Es beschreibt zugleich eine Phase der deutschen Geschichte, die von gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen geprägt ist. So entsteht ein Porträt eines beeindruckenden Menschen in seiner Zeit.

Michael Kamp, geboren 1966, ist Historiker und Autor von Biografien sowie Unternehmensgeschichten. Zu seinen Veröffentlichungen gehören die Geschichte von Pfanni und die der Bundesdruckerei, die Biografie des ehemaligen Thyssen-Chefs Dieter Spethmann und der Fresenius-Inhaberin Else Kröner sowie die Geschichte des Münchner Tierparks Hellabrunn. Er lebt in der Nähe von München.

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Leseprobe

Bernhard Dräger – Mensch, Beruf, Familie, Alltag


Bernhard Drägers Schaffensphase umspannt einen Zeitraum von etwa 40 Jahren, beginnend in den späten 1880er Jahren bis zu seinem Tod 1928. In Deutschland hatten zu jener Zeit Erfindergeist, Ingenieurskunst, Wissenschaft und Forschung einen Höhepunkt erreicht, untrennbar mit Namen wie Werner von Siemens, Robert Bosch, Gottlieb Daimler, Carl Benz, Rudolf Diesel, Ferdinand Graf von Zeppelin, Konrad Röntgen, Fritz Haber, Max Planck und Albert Einstein verbunden.1 Bekannt wie diese Persönlichkeiten war Bernhard Dräger freilich nicht, was ihm in seiner zurückhaltenden Art sicher auch sehr recht war, doch wie etwa Ferdinand Graf von Zeppelin auf dem Gebiet des Luftschiffbaus oder Rudolf Diesel im Motorenbau war Bernhard Dräger ohne Frage auf seinem Gebiet, dem Gasschutz und der Beatmung in der Medizin, ein Spezialist, ein Mann, der im Bereich des Rettungswesens mit bahnbrechenden Konstruktionen weltweit Rang und Namen erlangte.

Sein Wirken war entscheidend für die Entwicklung des noch heute international agierenden Drägerwerks. Er stellte die Weichen für die Zukunftsfähigkeit und den Erfolg des Unternehmens. Seine Erfindungen waren maßgeblich für den Fortschritt des Atemschutzes, der Anästhesie, der Schweißtechnik und auch der Tauchtechnik. Weite Bereiche der Industrie konnten mithilfe der von ihm erfundenen und zur Marktreife geformten Techniken vorangebracht werden und somit effektiver und sicherer arbeiten. Darüber hinaus waren er und sein Unternehmen von Bedeutung für die Stadt Lübeck, in der er als etablierter Bürger Akzente in der Politik und der Förderung des Gemeinwohls setzte. Nicht zuletzt war er über Jahrzehnte Mittelpunkt der Familie Dräger und prägte mit seiner Arbeit auch sein direktes persönliches Umfeld, zu dem neben engsten Familienmitgliedern auch Verwandte, Freunde und Bekannte gehörten.

Damit sind auch schon die Ebenen benannt, die in der vorliegenden Biografie behandelt werden. Es geht um Bernhard Dräger, den Unternehmer, den Erfinder und Techniker, aber auch um den Bürger und schließlich um den Sohn, Bruder, Ehemann, Vater, also um den Familienmenschen. Und er ist Zeuge seiner Zeit: Geboren kurz vor der Gründung des Deutschen Kaiserreichs erlebte er den Ersten Weltkrieg, die Revolution 1918/19, die Gründung der Weimarer Republik und die Zwischenkriegsjahre.

Eine Besonderheit, die diese Biografie auszeichnet, ist das ungeheuer dichte Archivmaterial, das verwendet werden konnte. Die umfangreichen Quellen ermöglichen vielfältige, detaillierte Einblicke, so etwa in Betriebsabläufe des Unternehmens, in das Verhältnis von Firmenleitung zur Arbeiterschaft, in Arbeitsbedingungen, Fabrikarchitektur, Arbeitsorganisation und Arbeitsalltag. Auch die Forschungsarbeit, technische Entwick-lungs- und Versuchsarbeiten sowie die wissenschaftliche Kommunikation über die Themen, die Bernhard Dräger bearbeitete, sind umfassend und detailreich dokumentiert. Rechtliche Zusammenhänge wie Patentangelegenheiten, Fragen der Markterschließung, der Werbung, der Kundenkommunikation und die Schwierigkeiten, die mit all dem verbunden waren, können mithilfe der Quellen betrachtet werden. Das Material belegt zudem die Auswirkungen politischer Veränderungen, wie die des Ersten Weltkriegs, der Revolution von 1918/19 oder etwa die der Hyperinflation, auf Bernhard Dräger, seine Familie und das Unternehmen. Die Quellen ermöglichen zudem, politische und religiöse Anschauungen der Protagonisten darzustellen und deren Ideen von Bildung, Kunst und Architektur zu beschreiben.

Das Material ist so ergiebig, dass in allen Bereichen eine Alltagsgeschichte geschrieben werden kann: Der Alltag im Unternehmen wird genauso rekonstruiert wie der Alltag in der Familie. Durch das Archivmaterial gelingt es, den Privatmenschen, den Familienmenschen Bernhard Dräger darzustellen. Das beginnt mit Schule und Schulproblemen, reicht über Reisen, Studentenleben in Berlin, Freundschaften, Freizeitgestaltung wie Sport, Fotografieren und Filmen, über Liebe und Ehe, Sohn-Vater-Konflikte und Sohn-Vater-Innigkeit bis hin zu Kindererziehung, Ausbildung der Kinder, Familienvorstellungen, Essen, Trinken und Geschlechterrollen in der bürgerlichen Familie.2

Von bedeutenden Persönlichkeiten gibt es gemeinhin in erster Linie Berufsbiografien. Auch die Biografie von Bernhard Dräger ist eine solche, aber sie möchte mehr sein, sie ist der Versuch einer umfassenden Darstellung eines Lebens. Sie hat den Anspruch, eine Beschreibung der Zeit zu sein, in der Bernhard Dräger lebte, sie hat den Anspruch, einen Menschen und eine Familie in ihren Lebensumständen und in ihren Alltagssorgen und -freuden darzustellen.

Mag sein, dass einige Passagen episodenhaft erscheinen, aber die lebensnahe Beschreibung hat eine klare Funktion: Sie soll dazu führen, dass die Leserinnen und Leser den Protagonisten begleiten können. Sie sollen das Gefühl bekommen, sie würden in seine Welt eintauchen. Hierfür wird auch in vielen Fällen der O-Ton der handelnden Personen der Paraphrase vorgezogen. Die Personen sollen sprechen und sie sollen gehört werden. Diese Vorgehensweise steht der Analyse, der Beschreibung auf theoretischen Ebenen und der Einbettung in übergeordnete Zusammenhänge nicht entgegen, im Gegenteil: Sich den Menschen geradezu bildlich und lebendig vorzustellen, ihm nahezukommen und dann für Momente der Betrachtung aus der Vergangenheit herauszutreten, um in Zusammenhängen zu denken, erscheint als besondere Form des Verstehens.

Das Quellenmaterial erlaubt es, Bernhard Dräger in fast allen Facetten seines Lebens darzustellen. Ein ganzheitlicher Blick wird versucht, der auch weit in das Private und Persönliche hineinreicht. So sind etwa Liebe, Gefühlswelten, persönliche Konflikte, Körper, Gesundheit, Krankheit und Tod durchaus Themen, die angesprochen werden. Dabei gilt, dass eine Grenze gewahrt bleiben muss. Es wird mit Taktgefühl erzählt; zu intim darf die private Seite nicht beleuchtet werden. Krankheit etwa ist zwar Gegenstand der Darstellung, soll aber nicht zu detailliert ausgeführt werden.

Die Verarbeitung der Quellen und die Darstellungen der Personen geschahen durchaus wohlwollend, verständnisvoll, weil sich aus der intensiven Arbeit Sympathien für die Protagonisten entwickelt haben. Das bedeutet aber keineswegs, dass die Personen unkritisch gesehen werden. Es gilt, auch Probleme und Schwierigkeiten zu erkennen und bestimmte Handlungsweisen zu hinterfragen. Auf Nähe folgt in Wechselwirkung immer wieder betrachtende Distanz.

Die Biografie über Bernhard Dräger versteht sich als Beitrag zur Unternehmer-Geschichtsschreibung, in der wirtschaftliche Prozesse sowie sozial- und allgemeinhistorische Zusammenhänge in Beziehung zueinander gesetzt werden. Unternehmergeschichte ist zugleich auch immer Unternehmensgeschichte, wobei hier stets darauf geachtet wird, dass die Hauptperson Bernhard Dräger im Zentrum der Betrachtung bleibt. Die Biografie soll auch ein Beitrag zur Technikgeschichte auf den Gebieten Atemschutztechnik, Schweißtechnik, Projektionstechnik, Narkosetechnik und Tauchtechnik sein. Werke zur Geschichte dieser Fachbereiche kommen am Drägerwerk nicht vorbei, also auch nicht an dem Erfinder Bernhard Dräger. Bisherige historische Darstellungen dieser Technikgebiete konnten, sofern es die Beiträge des Drägerwerks betrifft, nicht so in die Detailtiefe gehen, wie es hier geschieht.3

In dem Buch findet sich ebenso Material, das für Überlegungen zu Globalisierungstendenzen herangezogen werden kann, etwa auf technisch-wirtschaftlichem Gebiet in einem bestimmten Bereich. Die Organisation des Exports, der Aufbau von Vertretungen im Ausland und die frühe Etablierung eines Unternehmens in den USA sind Themen. Für die Erlangung des Wissens über die speziellen Techniken, für den Aufbau geschäftlicher Kontakte sowie für die Verbreitung von Produkten und wissenschaftlich-technischer Erkenntnisse nutzte Bernhard Dräger Netzwerke, und er etablierte solche auch für sich. Dies ist ebenfalls Thema der Biografie. Insofern kann die Darstellung etwas zur Netzwerkforschung – auf empirischer Ebene zumindest – beisteuern.

Die vorliegende Biografie versteht sich zugleich als Beitrag zur Sozialgeschichte. Eine Person und eine gesamte Familie werden über fast 60 Jahre in ihrer Entwicklung, in ihrem Wirtschaften, Wohnen und Haushalten beschrieben. Für die weitere Forschung ergeben sich vielfältige Anknüpfungspunkte, um die dargestellte Lebenswelt der Familie Dräger für vergleichende und systematischere Studien heranzuziehen. Bezüge werden in der Biografie punktuell zwar hergestellt und sozialhistorische Dimensionen eröffnet, allerdings kann in einer Biografie diesbezüglich nicht alles systematisch ausgelotet werden. Das soll auch nicht geschehen, denn Bernhard Dräger wird nicht eingeordnet, sein Leben ist nicht Objekt der Geschichtswissenschaft, er bleibt Individuum.

Auch wenn es von Interesse ist, Zeitgeschehen und Zeitströmungen zu benennen, um Bernhard Dräger besser zu verstehen, und dabei Begriffe wie Kleinbürger oder Wirtschaftsbürger,...

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