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Berufung. Selbstverwirklichung oder Gottesbegegnung?

AutorReimar Lüngen
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2002
Seitenanzahl262 Seiten
ISBN9783638158503
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Psychologie - Religionspsychologie, Note: Sehr gut, IGNIS-Akademie für Christliche Psychologie, Sprache: Deutsch, Abstract: Seine Berufung zu kennen und in ihr zu leben gehört zum Erfüllendsten, was ein Mensch erleben kann. Umgekehrt ist es eines der frustrierendsten Erlebnisse, seine Berufung dauerhaft zu verfehlen. Doch was ist eigentlich Berufung? Diese Arbeit stellt in drei Teilen die Themen Selbstverwirklichung und Berufung einander gegenüber, wobei jeweils das eine im Licht des anderen deutlicher sichtbar wird. Die Gegenüberstellung zeigt harte Gegensätze, aber auch erstaunliche Parallelen auf. Im ersten Teil 'Selbstverwirklichung' wird das faszinierende und in dieser Form wenig bekannte Konzept von Selbstverwirklichung aufgrund der Werke von Abraham Maslow (Grenzerfahrungen), Martin Buber (Ich-Du-Begegnung) und Viktor Frankl (Sinnsuche) ausführlich beschrieben und auch kritisiert. Es entsteht ein Bild von Selbstverwirklichung, das nicht nur eine Sache des Selbst ist, sondern über das Selbst hinausreicht. Das führt nahtlos zum eigentlichen Thema 'Berufung' im zweiten Teil. Ausgehend von der Hypothese, dass Christen auf ihrer Suche nach Berufung allzu leicht unbewusst danach streben, sich selbst zu verwirklichen (indem sie z. B. ihre eigenen Gaben zum Gegenstand ihrer Berufung machen), wird schließlich ein umfassendes Bild von Berufung entworfen, das auf einen Beziehungsprozess hinausläuft. Ein dritter Teil 'Berufensein' macht das theoretische Konzept von Berufung praktisch zugänglich und ermutigt die Leser, sich so, wie sie sind, auf den spannenden und lebensverändernden Ruf Gottes einzulassen. Damit vollbringt diese Arbeit das Kunststück, nicht nur wissenschaftliche Zusammenhänge auf philosophischem, psychologischem und theologischem Gebiet verständlich zu machen, sondern zugleich auch ganz persönlich die Herzen der Leser anzurühren. Der Form nach ist es eine wissenschaftliche Arbeit, dem Inhalt nach ist es praktische Ermutigung für Menschen, die vielleicht schon lange vergeblich auf der Suche nach ihrer Berufung sind - und für Menschen, die vom Blick auf sich selbst entmutigt sind.

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Leseprobe

2. Was wir suchen


 

Als Christen beschäftigen wir uns vielleicht mehr als andere Menschen mit dem Thema Berufung. Gewöhnlich stellen wir die Frage nach der Berufung bewußt oder unbewußt in der Art, wie es der schwedische Pastor Magnus Malm in seinem bewegenden Buch „Gott braucht keine Helden“ (1998) beschreibt:

 

„Schon als junger Christ begegnet man dieser Frage: ,Hast du schon einmal überlegt, ob Gott dich nicht zum Jungscharleiter berufen hat? Oder zum Kindergottesdienst-Mitarbeiter? Zum Jugendleiter?‘ Und das hat er wohl, denn dort haben wir unsere ersten Leitererfahrungen gemacht. Aber so leicht werden wir die Frage nicht los. Wir werden älter, wir schließen die Schule ab, und die Frage kommt wieder, in neuem Gewand: ,Hat Gott mich vielleicht berufen?‘ Womit wir für gewöhnlich meinen: ,Will er vielleicht, daß ich Pastor, Priester, Evangelist, Missionar werde?‘ Gott kann einen natürlich in andere hauptamtliche Dienste rufen, aber Berufung im ,großen‘ Sinn meint meist einen dieser christlichen Top-Berufe“ (Malm, 1998, S. 23).

 

Doch die meisten von uns fühlen sich nicht „richtig“, nicht im „großen“ Sinn berufen. Dennoch sind auch sie innerlich gedrängt, ihre Berufung zu finden – ihren Platz in der Gemeinde. Wie drängend diese Suche ist, zeigt den Erfolg des Gabentests von Christian A. Schwarz, der inzwischen überarbeitet als „Der neue Gaben-Test“ in neuer Auflage (1997) existiert. Auch Schwarz stellt fest:

 

„Viele Christen sind von der Frage hin- und hergerissen, wozu sie Gott wohl berufen haben mag“ (Schwarz, 1997, S. 13).

 

Und Magnus Malm beschreibt einen regelrechten „Berufungskampf“ mancher Menschen. Sie…

 

„[…] kämpfen jahrelang und verheddern sich womöglich in einem ,Berufungskampf‘, der ihnen die letzt Kraft nimmt. Sie wälzen die Frage hin und her, her und hin, erhalten tausend Antworten gleichzeitig oder auch gar keine, sondern ein einziges leeres Schweigen. Was will Gott denn nun von mir?“ (Malm, 1998, S. 23).

 

Warum ist uns die Frage nach unserer Berufung so wichtig? Was fehlt uns, wenn wir unsere Berufung nicht finden? Was haben wir, wenn wir unsere Berufung kennen? Und warum geraten wir eigentlich so oft in Berufungskämpfe? Warum schweigt Gott so oft? Suchen wir vielleicht das Falsche auf der Suche nach unserer Berufung? Was suchen wir, wenn wir unsere Berufung suchen? Unterliegen wir nicht einem Denkfehler in bezug auf Berufung, weil wir gar nicht wirklich wissen, was Berufung eigentlich ist (vgl. Malm, 1998, S. 24)?

 

Der erste Teil dieser Diplomarbeit versucht herauszufinden, welchen Nutzen wir weithin erhoffen, der uns aus unserem Berufensein erwächst. Die Überschrift „Selbstverwirklichung“ weist darauf hin, daß es etwas sein könnte, was uns selbst nutzt. Meine These, die über dem gesamten ersten Teil steht, lautet: Wir neigen gewöhnlich dazu, unseren Teil zu suchen, wenn wir Berufung suchen. Wir wollen einen eigenen Nutzen aus unserem Berufensein ziehen. Wir wollen uns selbst verwirklichen, wenn wir unsere Berufung verwirklichen. Mit einem Wort: Wir streben nach Selbstverwirklichung. Diese These ist unbequem. Sie entlarvt unsere Eigennützigkeit, das Wesen des Alten Menschen, wie es die Bibel bezeichnet. Diese These ist der Anlaß, den Begriff Selbstverwirklichung, den wir als Christen ja negativ bewerten, und die Humanistische Psychologie, die diesen Begriff zu einem Zentrum ihrer Denkweise gemacht hat, ausführlicher zu betrachten. Er ist gewissermaßen ein Gegenkonzept zu dem, was Berufung eigentlich meint. So unbequem der erste Teil für uns Christen auch ist – er soll das entlarven, was uns unfrei macht, und in unserem Denken den Weg frei machen, den wirklichen Ruf Gottes zu hören.

 

2.1. Handlungsanweisungen und Platzanweisung


 

Beim Lesen der Bibel fällt auf, wie oft Menschen, die vom Wort Gottes ins Herz getroffen worden sind, spontan fragen: „Was sollen wir tun?“ Schon als Johannes der Täufer am Jordan die um ihn versammelten Menge mit harten Worten zur Umkehr ruft, begegnet uns diese Frage gleich mehrere Male:

 

„Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun? Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und laßt euch genügen an eurem Sold!“ (Lk. 3,10–14, Hervorhebungen von mir)

 

Johannes gibt so praxisgerecht und bündig Antwort, wie es die Fragen verlangen. Fast meint man, daß Johannes hier zur Werksgerechtigkeit aufruft. Hier scheint sich auch eine erste Einengung des Berufungsbegriffs einzuschleichen: Berufung ist ein Ruf zu einem Tun. Erst beim genaueren Hinschauen kann man entdecken, daß Johannes hier Einzelfälle dessen nennt, was Jesus später allgemein als „Goldene Regel“ zusammenfaßt:

 

„Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten“ (Mt. 7,12).

 

Jesus selbst hörte die Frage nach dem Tun, als er am See Genezaret zum Volk sprach (Joh. 6,28). Auch der reiche Jüngling stellte diese Frage (Mk. 10,17). Nachdem Petrus seine aufrüttelnde Pfingstpredigt beendet hatte, fragten die Zuhörer ebenso (Apg. 2,37). Schließlich berichtet auch Paulus von seiner Begegnung mit Jesus, die ihn zu Boden geworfen hatte:

 

„Ich fragte aber: Herr, was soll ich tun? Und der Herr sprach zu mir: Steh auf und geh nach Damaskus. Dort wird man dir alles sagen, was dir zu tun aufgetragen ist.“ (Apg. 22,10, Hervorhebung von mir)

 

Der Mensch ist von Anfang an zum Tun, zum Handeln geschaffen. Deshalb ist es folgerichtig, daß sich auch unser Glaube im Handeln, in „Werken“ äußert. Unter Werken können wir hier auch das Verhalten verstehen. Die Werke selbst sind nicht der Glaube, sie können uns nicht gerecht machen. Aber wenn der Glaube in uns lebt und uns innerlich bewegt, dann wird es sich durch Werke zeigen – Glaube ohne Werke ist tot.

 

Die Frage nach dem Handeln „Was sollen wir tun?“ ist eine Reaktion auf unser Angesprochensein durch das Wort Gottes, eine Frage nach Rat und eine notwendige Ausdrucksweise unseres Glaubens. Und wir stellen damit auch die Frage nach unserer Berufung. Durch diese mehrfache Anbindung der Frage nach dem Handeln ist ihre Kraft erklärlich, und auch die Verzweiflung, die uns erfaßt, wenn wir keine Antwort auf diese Frage finden.

 

Welches Bild haben wir von Berufung? Wir wissen, daß Gott mit uns sein Reich bauen will. Er hat dabei das Ganze im Blick – ein Ganzes, das sich aus Millionen und Milliarden einzelner Lebensgeschichten zusammensetzt, die auf komplizierteste Weise miteinander verflochten sind. An dieser Stelle spüren wir vielleicht, wie sehr Gott Gott ist, wie unvorstellbar groß und weit er ist, wenn er all diesen Menschen dennoch ganz persönlich begegnen und sich um sie kümmern kann.

 

In diesem gigantischen Puzzle, so scheint es, hat Gott jedem von uns einen Platz zugewiesen. Der Super-Plan vom Reich Gottes unterteilt sich in milliardenfache Einzelpläne für jedes einzelne Menschenleben. Gott hat einen Plan für uns – so lernen wir es als Christen. Daraus ergibt sich für uns die Aufgabe, diesen Plan in Erfahrung zu bringen und exakt zu erfüllen. Der Plan Gottes für unser Leben umfaßt bestimmte Aufgaben und Dienste, die wir an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ausführen müssen. Wenn wir das Riesenpuzzle durcheinanderbringen, könnte ja das Ganze nicht funktionieren.

 

Mit diesem Hintergrundwissen lesen wir in der Bibel unzählige Male, wie Gott Menschen Anweisungen gegeben hat. Da gibt es z. B. die Berufung Abrahams, sein Heimatland zu verlassen. Da gibt es die Berufung des Mose, das Volk Israel aus der Knechtschaft Ägyptens in das verheißene Land zu führen. Da gibt es die Berufung des Kunsthandwerkers Bezalel zum Bau der Stiftshütte. Da gibt es die Berufung des Jona, in Ninive Buße zu predigen. Und da gibt es die unzähligen Berufungen der Propheten in ihren Dienst. Schließlich die Berufungen der zwölf Jünger in die Nachfolge und die des Paulus zum Apostel. Nicht zu vergessen die alttestamentliche Berufung des Volkes Israel, den Nationen das Heil zu bringen, und die neutestamentliche Berufung der Heiden als Hoffnung für Israel.

 

Solche mehr oder weniger aufsehenerregenden, aber immer wichtigen Berufungen hat Gott für jeden Menschen, für Familien, Gemeinden, Berufsgruppen und Völker. Angesichts der Größe dieser Zusammenhänge beginnen wir vielleicht Druck zu spüren. So erhebend es ist, von Gott in dieses gewaltige Werk mit hineingenommen zu sein, so belastend ist es auch. Verlangt es doch von uns, alles dafür einzusetzen, Gottes Willen zu erfahren und ihm dann auch zu gehorchen. Jesus selbst, der stets das tat, was er tun sollte (oder was er den Vater tun sah), ist dabei unser großes Vorbild:

 

„Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich...

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