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Bewegung - Fit bleiben, Spaß haben, länger leben

Ein SPIEGEL E-Book

VerlagSPIEGEL-Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783877631515
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Die Bewegung entpuppt sich als Zaubermittel: Sie kann nicht nur den Ausbruch von Krankheiten vermeiden und das Leben um mehrere Jahre verlängern, sondern sie wirkt auch wie eine bewährte Medizin gegen viele bereits ausgebrochene Erkrankungen. Das erkennen Sportwissenschaftler und Ärzte immer genauer. Wer seinen Körper in Gang setzt, der führt damit physiologische Veränderungen herbei - und diese haben pharmakologische Effekte. Den ärztlichen Rat zur Bewegung mag der eine oder andere läppisch finden - aber er ist häufig sinnvoller als das Verschreiben von Tabletten oder das Verordnen von Hightech-Medizin. Bewegung kann heilsame Zellen im Körper wachsen lassen - und Krankheitsverläufe umkehren.

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Leseprobe
KAPITEL 1 • AUSDAUER

Zum Laufen geboren


Nicht nur der aufrechte Gang, sondern auch die Fähigkeit, ausdauernd zu rennen, hat die Evolution des Menschen offenbar entscheidend geprägt. Wer dem natürlichen Bewegungsdrang nachkommt, der kann Leib und Seele gesund halten. Von Jörg Blech
SEINE HUNDE haben David Carrier geholfen, ein Menschheitsrätsel zu lösen. Auf Ausflügen im Winter eilten sie ihrem durchtrainierten Herrchen stets weit voraus. Doch wenn im Sommer die Sonne vom Himmel brannte, blieben die Vierbeiner zurück und schlichen hechelnd in den Schatten. Carrier dagegen, ein junger Zoologe, konnte sogar noch zulegen, wenn der Asphalt fast schon Blasen warf.
In der Sonnenhitze kilometerweit laufen – diese Fähigkeit des Menschen erschien Carrier auf einmal gar nicht mehr so selbstverständlich. Er las einen Bericht darüber, wie Indianer einst Gabelböcke jagten. Sie hetzten die Huftiere an heißen Tagen so lange, bis diese überhitzt zusammenbrachen. Die Jäger erwürgten die wehrlosen Gabelböcke mit bloßen Händen.
Warum konnten die Indianer die Hitze so viel besser verknusen als die Gabelböcke? Als einer der ersten Forscher begann Carrier zu untersuchen, was eigentlich in Haut, Knochen, Sehnen, Geweben, Organen vor sich geht, wenn ein Mensch rennt. Am Ende seiner Überlegungen glaubte der Zoologe, damals noch keine 30 Jahre alt, sogar herausgefunden zu haben, was den Menschen in der Evolution zum Menschen gemacht hat – das Laufen.
Im Vergleich zu Schimpansen und Gorillas seien wir „sehr gute Langstreckler“, sagt Carrier, heute 60 Jahre alt und Professor für Evolutionsbiologie an der University of Utah in Salt Lake City. Anatomische Details und physiologische Abläufe seien in der Stammesgeschichte so lange verändert worden, bis der aufrechte Homo ein perfekter Ausdauerjäger war.
In der modernen Welt allerdings kann das Erbe zum Nachteil gereichen. Wer dem biologisch verdrahteten Bedürfnis nach Bewegung nicht nachkomme, sagt Carrier, werde krank. „Die ganzen chronischen Erkrankungen, die unseren westlichen Lebensstil kennzeichnen, sind stark mit körperlicher Inaktivität verbunden. Wir müssen zwar nicht rennen, um gesund zu bleiben, aber wir brauchen schon irgendeine Form regelmäßigen, starken Ausdauertrainings.“
Die Bewegung wirkt dann auf Leib und Seele wie eine umfassende Medizin. Sie beugt vielen Leiden nicht nur vor, sondern sie kann auch Krankheitsverläufe verlangsamen und mitunter umkehren – bei Depressionen, Arthrose, Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenschmerz, Osteoporose.
Doch ausgerechnet unter Ärzten hat sich die Heilkraft der Bewegung bis heute noch nicht genug herumgesprochen. Im Gegenteil: Vielfach raten sie ihren Patienten zur Schonung und stecken sie ins Bett.
Darüber ärgert sich der Kardiologe und Internist Herbert Löllgen jede Woche. In seiner Praxis im Bergischen Land sieht er viele Patienten, die zuvor in einer Klinik behandelt worden waren. „In den Entlassungsbriefen werden zwar jede Menge Medikamente empfohlen“, sagt Löllgen, „aber da steht nichts von einer Empfehlung zur körperlichen Aktivität.“
Im „Deutschen Ärzteblatt“ hat Löllgen kritisiert, dass es im Medizinstudium nicht einmal eine Pflichtvorlesung in Sport und Bewegungsmedizin gebe. Sogar in der Facharztausbildung komme das Thema nicht vor: „So wissen junge Ärztinnen und Ärzte häufig nicht, wie man körperliche Aktivität korrekt verschreibt“, sagt Löllgen, dem Sportmediziner aus Bern, München und Wien kürzlich zugestimmt haben.
Als David Carrier 1984 im Fachblatt „Current Anthropology“ kundtat, der Mensch sei ein auf Ausdauerlauf spezialisiertes Wesen, da zeigten auch Anthropologen und Biologen zunächst gemischte Reaktionen. Doch an der Harvard University im US-Bundesstaat Massachusetts ist es der Evolutionsbiologe Daniel Lieberman, der Carriers These aufgenommen hat und gerade weiter vorantreibt.

„Junge Ärzte wissen häufig nicht, wie man körperliche Bewegung korrekt verschreibt.“



Unter dem Dach seines Instituts lagern in Pappschachteln Knochen von Menschen aus allen Erdteilen und unterschiedlichen Epochen. Lieberman hat Skelette vermessen, Schädel von Urmenschen und Affen miteinander verglichen und in seinem Labor gesunde Studenten mit einer Videokamera dabei gefilmt, wie sie auf einem Laufband rennen.
Lieberman lässt ebenfalls keinen Zweifel mehr gelten: Nicht nur der aufrechte Gang hat den Menschen zum Menschen gemacht, sondern auch sein Vermögen, weite Strecken im Ausdauerlauf zu bewältigen. In seinem Buch* schreibt er: „Eine der wichtigsten Anpassungen der Menschen an das Laufen ist unsere einzigartige Fähigkeit, uns nicht durch Hecheln, sondern durch Schwitzen abzukühlen; dies verdanken wir Millionen von Schweißdrüsen in Verbindung mit dem Fehlen eines Fells.“
Ein Mensch ist zwar so dicht behaart wie ein Schimpanse, aber die allermeisten seiner Haare sind viel feiner und kürzer – im Grunde ist er nackt. Dafür hat er eben viel mehr Schweißdrüsen als der nächste Verwandte: Bis zu fünf Millionen davon übersäen seine Haut.

WENN EINEM MENSCHEN warm wird, sondern seine Drüsen erstaunliche Mengen Schweiß ab: manchmal mehr als einen Liter pro Stunde. Und wenn die vor allem aus Wasser bestehende Flüssigkeit verdunstet, dann werden die Haut, das Blut und schließlich der ganze Körper gekühlt.
Deshalb sind Sportler zu großen Leistungen fähig, etwa die Japanerin Mizuki Noguchi bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen, wo sie die Goldmedaille im Marathon gewann. Dazu lief die nur 1,50 Meter große Frau mehr als zwei Stunden und 26 Minuten lang mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 17,3 Kilometer pro Stunde – bei Temperaturen um 30 Grad. Kein anderes Säugetier könne so etwas vollbringen, sagt Lieberman.
Neben der nackten Haut und den Schweißdrüsen weisen noch mehr Eigenheiten den Menschen als Bewegungstier aus: Er besitzt das Nackenband (Ligamentum nuchae) und kann deshalb beim Rennen den Kopf aufrecht halten und nach vorn schauen. Bei den frühen Hominiden, die vor mehr als drei Millionen Jahren lebten, hat das Nackenband noch gefehlt.
Zudem verfügt der Mensch über einen besonders großen Muskel im Gesäß (Musculus gluteus maximus). Dieser wird beim Gehen auf ebener Fläche kaum eingesetzt – aber er stellt sicher, dass der Mensch beim Rennen nicht mit jedem Schritt nach vorn fällt.
Die kurzen Zehen, die lange Achillessehne, die schlanke Taille, der Fußsohlenbogen und die langsamen Muskelfasern in der Beinmuskulatur waren hilfreich für das Überleben als Hetzjäger. Diese Merkmale legten die Vermutung nahe, so Lieberman, „dass ein starker Selektionsdruck bei der Gattung Homo nicht nur das Gehen, sondern auch das Laufen begünstigte“, was wahrscheinlich dem Auffinden von Aas und der Jagd diente.
Entstanden ist diese Rennausstattung schätzungsweise vor zwei Millionen Jahren. Die Urmenschen hatten damals weder Speer noch Pfeil und Bogen erfunden – ihre Waffe war die Ausdauer. Sie dürften sich jeweils ein Tier aus einer Herde ausgesucht haben, um es dann in der Mittagshitze aufzuscheuchen und zu verfolgen, bis die gehetzte Kreatur nicht mehr konnte.
Der von Carrier gelesene Bericht über die Indianer, die ausgelaugte Gabelböcke töteten, stammt aus dem Jahr 1830. Andere Quellen überliefern, dass auch die Aborigines Tiere zu Tode hetzten, und zwar Kängurus. Und in den Graslandschaften des südlichen Afrikas treiben Buschmänner noch heute Gnus, Steinböckchen und Zebras in die Erschöpfung.

DIESE ERMÜDUNGSJAGD scheint der Evolution des Menschen jene Wende gegeben zu haben, die auch sein geistiges Vermögen entscheidend prägte. Statt Nüsse zu knacken und Wurzeln zu kauen, verschlangen die Urahnen Fleisch und Kochenmark in rauen Mengen. Die Zufuhr an tierischen Proteinen war die Voraussetzung dafür, dass in der Stammesgeschichte des Menschen ein großes Gehirn entstehen konnte.
Genauso biologisch eingestanzt wie der Bewegungsdrang ist allerdings auch der Sinn für Gemütlichkeit. Das haben Forscher erfahren, als sie ursprünglich lebende Menschen auf der Jagd begleiteten. Der Anthropologe Kim Hill von der Arizona State University in Tempe etwa schlug sich mit den Aché, einem indigenen Volk, kilometerweit durch dichten Wald im Osten Paraguays: Nabelschweinen hinterher.
Nach der Hatz war der blonde Forscher ausgepumpt – aber auch seinen indigenen Jagdgefährten stand der Sinn nach Pause. Hill notierte: „Aché-Jäger genehmigen sich nach einem besonders schwierigen Tag häufig einen lockeren Tag.“
Die Aché seien froh, wenn sie ihre Kräfte einmal schonen könnten, vermutet der Kardiologe James O'Keefe von der University of Missouri in Kansas City. „Ein erwachsener Jäger und Sammler käme nicht auf die Idee, einen Erholungslauf zu machen oder einen schweren Stein wiederholt zu heben, um seine Fitness zu verbessern.“

IM GEGENTEIL: Allen Menschen wohne ein Instinkt inne, der ihnen sage: „Bewegen wir uns, wenn es sein muss. Und ruhen wir uns aus, wenn wir können.“
Insbesondere letzteren Rat beherzigen viele Bürger in den Industriestaaten nur...
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