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E-Book

Bewegungsmöglichkeiten an der Schule zur individuellen Lebensbewältigung

Zur Situation und Notwendigkeit vielfältiger Bewegungsangebote im schulischen Kontext

AutorKatharina Schwarz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl82 Seiten
ISBN9783638833615
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,7, Universität Rostock (Institut für Sonderpädagigische Entwicklungsförderung und Rehabilitation), 64 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Einleitung Veröffentlichungen zum Thema 'Bewegte Schule' sind gerade in den letzten Jahren sehr zahlreich in Fachbüchern und Fachzeitschriften zu den Themen Motorik, Bewegung, allgemeine Schulpädagogik, Grundschulpädagogik und so weiter erschienen (vgl. Breithecker, 1997, 2001; Müller & Obier, 2001; Hildebrandt-Stramann, 1999, 2001; Landau & Sobczyk, 1996; Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, 2000,2001, 2004). Immer wieder weisen die Autorinnen und Autoren in ihren Beiträgen auf die Bedeutung der Bewegung für die Gesamtentwicklung der Kinder hin und heben die Verantwortung der Institution Schule auch für den Bereich der 'Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung der Kinder und Jugendlichen' hervor (Kultusministerkonferenz [KMK], 2004, S. 3). Dabei geht es eben nicht mehr nur um die reine körperliche und motorische Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, sondern wie bereits erwähnt um die Gesamtentwicklung, also in Bezug auf die Institution Schule um eine ganzheitliche Bildung und Erziehung. Aus dem Wissen um die engen Bezüge zwischen Bewegung und Lernen erwächst die Forderung, Bewegung - über den strukturellen Rahmen des Schulsportes hinaus - stärker als bisher auch in die allgemeinen Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler und damit in alle Unterrichtsfächer und die Gestaltung des gesamten Schullebens [Hervorhebung v. Verf.] zu integrieren. Für die Vernetzung von motorischem und kognitivem Lernen gibt es z.B. bei den bewegungsorientierten Grundschulen hilfreiche Ansätze, die verstetigt, ausgebaut und auf alle anderen Schulformen übertragen werden müssen. (KMK, 2004, S. 3) Hildebrandt - Stramann kritisiert 1999: 'Für Bewegung gibt es in der Schule zweckbestimmte Räume und Zeiten wie die Sporthalle und den Schulhof bzw. die Sportstunden und die Pausenzeiten.' (S. 5). Die Aussage der Kultusministerkonferenz zeigt einen eindeutigen Weg - weg von dieser eingegrenzten Betrachtung der Bewegungsmöglichkeiten an den Schulen. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass bisherige Projekte sich überwiegend auf den Bereich der Grundschulen beziehen. Tatsächlich bestätigt dies die Veröffentlichung der KMK vom 11.12.2001 zum Thema 'Bewegungsfreundliche Schule' (Bericht über den Entwicklungsstand in den Ländern). Projekte wie die 'Verlässliche Grundschule' in Baden-Württemberg, die 'Bewegte Grundschule' in Bayern oder die 'Bewegte Schule' in Berlin beziehen sich ausschließlich auf den Bereich der Primarstufe und bestenfalls noch auf die Sekundarstufe I. In Mecklenburg-Vorpommern wird seit 1999 an mehreren Grundschulen das Projekt 'Gesundheitsförderung in neuen Bahnen' erprobt. Eine 'Vernachlässigung' der weiterführenden Schulen und anderer Schulformen (z.B. der Sonderschulen) ist meines Erachtens ersichtlich, auch wenn es z.B. in Bayern seit dem Schuljahr 2000/2001 ein Projekt 'Bewegte Schule', welches sich an alle weiterführenden Schulen im Land richtet, gibt. Informationen zu einer Umsetzung derartiger Projekte an Schulen für Geistig- behinderte bzw. Schulen zur individuellen Lebensbewältigung habe ich im Rahmen meiner Recherchen nicht gefunden. Gerade an diesem Punkt soll meine Arbeit ansetzen. Als Studentin der Sonderpädagogik in der Fachrichtung Geistige Behinderung und Sport auf Lehramt richtet sich mein Interesse auf die Schulen zur individuellen Lebensbewältigung in Mecklenburg-Vorpommern und ihre Schüler, die Kinder mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.

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Leseprobe

3 Bedeutung der Bewegung für Entwicklung und Lernen


 

Bewegung ist ebenso wie Liebe, Zuneigung oder soziale Bindung ein grundlegendes Bedürfnis eines jeden Menschen und bedeutendes Element der menschlichen Entwicklung. Anders ausgedrückt: ohne Bewegung gibt es kein Leben! Bewegung ermöglicht es, dass sich der unselbständige Säugling zu einer selbständigen, selbstbewussten und gesunden erwachsenen Persönlichkeit entwickelt. Köckenberger sagt 1997: „Im Zuge der Persönlichkeitsentwicklung ist Bewegung für Kinder sowohl Grundlage für eine gesunde körperliche Entwicklung als auch Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und Erkenntnisse zu gewinnen“ (S. 9). Zahlreiche andere Autoren (Zimmer, 1997; Frostig, 1999; Eggert & Kiphard 1980; Irmischer, 1998; Dordel & Breithecker 2004) betonen ebenfalls die Bedeutsamkeit der Bewegung für die geistig/seelische, soziale und motorische Entwicklung von Kindern. Die Bewegung kann bildhaft als ein Motor für die Gesamtentwicklung des Menschen betrachtet werden. Irmischer (1998) schreibt der Bewegung im Wesentlichen drei Funktionen zu:

 

(1) Bewegung hat eine ermittelnde, explorative Funktion. Bewegung ist demnach Medium von Erfahrung. Durch sie erfahren wir uns selbst, unsere materiale und soziale Umwelt, sowie deren Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten.

(2) Bewegung hat eine vermittelnde, expressive Funktion. Damit beschreibt Irmischer die Bewegung als Möglichkeit sich über den Körper auszudrücken und mit der Umwelt zu kommunizieren. Aus dieser ursprünglichsten Form der Kommunikation entwickelt sich im weiteren Entwicklungsverlauf die Sprache.

(3) Bewegung hat eine psychohygienische Funktion. Bewegung aktiviert den mensch-lichen Organismus und vermittelt Gesundheit und Wohlbefinden.

 

Zur Erläuterung der drei genannten Funktionen und zum besseren Verständnis der Bedeutsamkeit von Bewegung für die Gesamtentwicklung von Kindern sollen im Anschluss an die Begriffsklärungen die Aspekte Bewegung und Entwicklung sowie Bewegung und Lernen näher betrachtet werden.

 

3.1 Begriffsklärungen


 

Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen zur Bedeutung der Bewegung für die Entwicklung von Kindern erscheint es sinnvoll, eine Klärung des Begriffes Bewegung vorweg zunehmen. Ergänzend sollen weiterhin auch die Begriffe Motorik, Sport und Bewegungserziehung kurz definiert werden, da diese ebenfalls im Rahmen dieser Arbeit bedeutsam sind.

 

Bewegung:  Bewegung ist eine Veränderung einer Position bzw. eines Ortes oder einer Situation eines Objektes oder Subjektes. Die physikalische Definition, bei der Bewegung als „die Änderung der Lage (Ortsveränderung) eines Körpers mit der Zeit“ (Röthig, 1992, S.73) beschrieben wird, ist aus sportwissenschaftlicher Sicht zu eng. Die menschliche Bewegung ist sehr komplex und kann aus verschiedenen Ebenen und der Perspektive verschiedener Wissenschaftsdisziplinen betrachtet werden (mechanische Bewegung = Ortsveränderung; physikalische Bewegung = Bewegung der Moleküle; chemische Bewegung = Bewegung der Atome; biologische Bewegung = Äußerungsformen des Lebens; die soziale Bewegung = individuelle und gesellschaftliche Entwicklung).

 

Motorik: Die menschliche Bewegung als eine „primär zielgerichtete, an Problemlösen orientierte Bewegung“ (Röthig, 1992, S.73), wird als Motorik bezeichnet. Bewegung und Motorik sind zwei Zentralbegriffe der Bewegungslehre. Beiden Begriffe werden in verschiedenen Definitionen identische oder sich überschneidende Gegenstandsbereiche zugeordnet. Gutewort & Pöhlmann bezeichnen die Motorik als „Gesamtheit aller Steuerungs-  und Funktionsprozesse“ und Bewegung als das aus diesen Prozessen resultierende „vielfältige Ergebnis“ (1966, zitiert nach Röthig, 1992, S. 319).

 

Bewegungserziehung: Bewegungserziehung ist ein vor allem im Elementar- und Primarbereich verwendeter Begriff für Leibesübungen mit musisch-ästhetischen und gymnastischen Bildungsabsichten (Röthig, 1992). Ziel der Bewegungserziehung ist es, über die Schulung von Körper und Bewegung allgemeine menschliche Fähigkeiten zu entwickeln. Die enge Beziehung zwischen Motorik bzw. Bewegung und der Ausbildung  geistig-seelischer Funktionen beim Kind wird ausgenutzt.

 

Sport: Eine eindeutige Definition für den Begriff Sport zu finden ist schwierig, ja geradezu unmöglich. Dementsprechend finden sich in der Literatur zahlreiche, sich  unterscheidende Definitionen. Im Hinblick auf die sportliche Betätigung von Kindern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung scheint eine Orientierung an einem klassischen und auch heute noch verbreiteten Verständnis von Sport, in dessen Mittelpunkt Leistung und Wettkampf stehen, zu eng und wenig sinnvoll. Sowa erweitert diese Sichtweise und beschreibt Sport folgendermaßen:

 

Unter dem Begriff Sport werden sportartenorientierte, sportartenmodifizierte und sportartenunabhängige Angebote zusammengefasst, welche sowohl ergebnis-, fertigkeits- als auch aufgaben- und erlebnisorientiert sind. Die verschiedensten Sportmöglichkeiten sollen so präsentiert werden, daß jeder mit seinen Interessen, Wünschen, Fähig- und Fertigkeiten Teilnahmemöglichkeiten vorfindet. Die inhaltliche Gestaltung des Angebotes sollte davon geprägt sein, daß jeder Sportler entsprechend seinen individuellen Fähigkeiten ein Höchstmaß an Unabhängigkeit und Selbständigkeit erfährt (1994, zitiert nach Sowa, 1997, S. 10)     

 

3.2 Bewegung und Entwicklung


 

Kinder erkrabbeln, ertasten, erschließen sich motorisch handelnd die Welt. Durch Bewegung setzen sie sich mit ihrer Umwelt auseinander und eignen sich diese an.

 

Sie nehmen die Umwelt aktiv mit allen Sinnen wahr und spüren, was sie durch ihre Aktivität bewirken. Kinder erfahren ihre räumliche und materielle Umwelt und passen sich an Umweltgegebenheiten an oder verändern diese. Kinder, vor allem ganz kleine Kinder, erzielen durch Bewegung zahlreiche Erkenntnisse. Das Kind greift nach einem Gegenstand, betastet diesen, nimmt ihn in den Mund und spürt dabei die Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten des Objekts. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Materialerfahrung und Kognition, denn die Kinder „begreifen“ ihre Umwelt in den ersten Lebensjahren im wahrsten Sinne des Wortes (Krawietz, 1999). Durch die handelnde Auseinandersetzung mit der zu entdeckenden Umwelt können die Kinder über die Wahrnehmung ihrer Sinnesorgane wichtige und wirklichkeitsnahe Lebenszusammen-hänge erfahren (Breithecker, n.d.).

 

Für einen Säugling ist die Bewegung zunächst die einzige Möglichkeit der nonverbalen Kommunikation, er strampelt zum Beispiel vor Lust. Ältere Kinder hüpfen vor Freude, sie rennen, klettern, schaukeln, toben und gelangen so zu immer mehr Sicherheit, Selbständigkeit, räumlicher Erkundung und Umwelterfahrung (Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 1989; Laging & Klupsch-Sahlmann, 2001; Dordel & Breithecker 2004). Bei der Bewegung geht es ebenso „um die Vergewisserung und Entwicklung des eigenen Selbst…“ (Laging&Klupsch-Sahlmann, 2001, S. 6). Thalhammer (1981) schreibt dazu:

 

Bewegung, gleich in welcher Differenziertheit und Undifferenziertheit, ist grundlegende Bedingung der Möglichkeit, Unabhängigkeit zu erleben. Jeder Schritt ohne Hilfestellung, jede Bewegungsabfolge ohne Intention von außen, jede Positionsänderung ohne Beistand und Subsidiarität, sind Bedingungen der Möglichkeit und Ergebnis der Notwendigkeit, sich souveräner zu verstehen, sich autark zu erleben…. (zitiert nach Irmischer, 1998, S. 252)    

 

Kinder entwickeln ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstbild fast ausschließlich über Bewegung. Kinder erfahren über Bewegung soziales Handeln und Kommunikations-möglichkeiten. Sie lernen mit anderen Kindern in Kontakt zu treten, miteinander umzugehen und sich anzupassen. Kinder und Jugendliche suchen im Spiel mit anderen nach Leistung und Wettbewerb. Sie können spielerisch in verschiedene Rollen schlüpfen, lernen es Regeln zu akzeptieren, Konflikte auszutragen, tolerant und rücksichtsvoll zu sein (Breithecker, n.d.). Kinder sammeln durch Bewegung, Spiel und Sport wichtige grundlegende Erfahrungen und entwickeln ihre sozialen Kompetenzen. Auch im Hinblick auf eine gesunde körperliche Entwicklung ist die Bewegung von großer Bedeutung. Mehr Bewegung stärkt die Knochen, die Kinder entwickeln eine bessere Körperhaltung und kräftigere Muskeln. Die Reifung sämtlicher Elemente des Organismus (Knochen, Muskeln, Kreislaufsystem, Immunsystem) wird durch angemessene Bewegungen unterstützt. Bewegung kann zur Gesunderhaltung und zum Wohlbefinden beitragen.

 

Abschließend und zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zwischen Bewegung und der motorischen, sozialen, emotional-psychischen, kognitiven und biologischen  Entwicklung sowie der Sprach- und Wahrnehmungsentwicklung enge Verknüpfungen und Wechselbeziehungen bestehen (Krawietz, 1999). 

 

3.3 Bewegung und Lernen


 

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