Im Fach Sport wird durch die Lehrkraft eine versetzungswirksame Sportnote vergeben, deren Grundlage in der die Bewertung und Benotung des Leistungs- und Lernverhaltens der Schüler liegt. Um Fortschritte in den Lernprozessen zu verdeutlichen, müssen schulsportliche Leistungen durch Lernkontrollen in zeitlichen Abschnitten überprüft werden. In der Praxis werden diese Leistungsermittlungen, meist in Form von abschließenden Zensierungen, oft durch den Rhythmus der behandelten Inhalte bestimmt und stehen demzufolge am Ende der entsprechenden Lernintervalle (vgl. Aschebrock / Pasch, 2004, S. 9).
Kurz gesagt: Die Schülerinnen und Schüler erhalten nach Abschluss eines Themengebietes eine Bewertung für ihre in dieser Unterrichtseinheit erbrachte Leistung. Die Ziffer der Note gibt dann entsprechend Auskunft über die Bewältigung bzw. Nicht-Bewältigung der Unterrichtsanforderungen. Die Zeugnisnote setzt sich wiederum aus den Einzelnoten der jeweiligen Unterrichtsinhalte zusammen, die mit gleicher Gewichtung in die Halbjahres- oder Endnote einfließen (vgl. ebd. S.9).
Die Notwendigkeit der Notengebung wird im Fach Sport seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Der Sportunterricht ist im Fächerkanon als gleichwertiges und versetzungsrelevantes Fach angesehen, daher ist eine Sonderstellung auch in Bezug auf die Leistungsbewertung nicht zulässig.
Auch wenn das Fach Sport im Vergleich zu den harten Fächern wie Mathematik oder Deutsch im Allgemeinen als weiches Fach bezeichnet wird, ist die Lehrkraft zur Auslese verpflichtet (vgl. Miethling in: Sportpädagogik 04/97, S.20).
Laut Balz/Kuhlmann (2003, S.205) hat der Sportunterricht sogar noch eine Besonderheit, da es im Gegensatz zum Klassenunterricht „[…] um Bewegungshandeln geht, das auf künstlich geschaffenen und regelgeleiteten Problemen beruht“. Darüber hinaus findet man nur bei der Zensurenfindung im Fach Sport die Berücksichtigung der individuellen Voraussetzung oder der Lernbereitschaft. Diese Teilzensuren sucht man in anderen Fächern vergeblich (vgl. ebd., S.205).
Gewisse Aspekte führen nichtsdestotrotz dazu, dass einige Pädagogen eine gänzliche Abschaffung der Leistungsbewertung für das Fach Sport fordern. Neben einer gewissen Dualität zwischen der Selektions- und der Motivationsfunktion einer Zensur, auf die in einem der folgenden Kapitel eingegangen wird, verstärkt die Tatsache, dass sportliche Leistungen von den physiologischen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler abhängig sind, die empfundene Ungerechtigkeit der Zensierung im Fach Sport. Diese individuellen Grundvoraussetzungen sind zum größten Teil genetisch bedingt und können nur in geringerem Ausmaß verändert
werden. Da die Schulzuweisungen und Bildungsempfehlungen nach Abschluss der vierten Klasse die Sportnote der Schüler nicht berücksichtigen, ergeben sich für das Fach Sport in der Sekundarstufe I nicht selten große Leistungsunterschiede, die eben in den anderen Fächern durch die Selektion abgeschwächt werden (vgl. Miethling, 1997, S.21).
So wünschenswert eine gänzliche Abschaffung der Leistungsbewertung aus pädagogischer Sicht vielleicht erscheinen mag, so bedenklich ist sie aus bildungspolitischer Sicht. Die ästhetischen und künstlerischen Fächer, zu denen Sport gezählt wird, haben derzeit ohnehin schon einen schweren Stand im Fächerkanon der gesamten Schulfächer. Mit Abschaffung der Leistungsbewertung würde gleichzeitig die Berechtigung als gleichwertiges und ebenso ernst zu nehmendes Fach mehr und mehr schwinden (vgl. Scherler 2000, S. 186). „Erst schafft man die Note, dann die Teilnahmepflicht und schließlich das Fach ab!“ (Scherler, 2000, S.186).
Richtlinien und Grundsätze der Leistungsbewertung werden durch Erlasse, Verordnungen und das Schulgesetz der jeweiligen Bundesländer reguliert. Die einzelnen Bundesländer Deutschlands geben die zu entwickelnden Kompetenzen und geforderten Inhalte des Unterrichtsfaches Sport in den jeweiligen Lehrplänen bzw. Kerncurricula verbindlich vor. Nach Tillmann (1996, S.7) wird in Lehrplänen festgelegt, welche schulischen Anforderungen eine Gesellschaft an die Folgegeneration stellt. Er enthält Aussagen über die Ziele des (Fach-) Unterrichts, gibt Auskunft über anzustrebende Kenntnisse und Fertigkeiten und gliedert die Reihenfolge und Zuordnung von Inhalten. Auf diese Weise sichert er eine einheitliche Grundlage.
Für die Leistungsbewertung im Sportunterricht gelten im Allgemeinen die rechtlichen Bestimmungen zu „Zeugnisse an den allgemeinbildenden Schulen“. Hier werden allgemeine Bewertungsgrundlagen und Richtlinien zur Leistungserfassung angeführt. Darüber hinaus ist eine tabellarische Auflistung der Notenbezeichnungen (Ziffernoten) und deren jeweilige Definitionen zu finden, die als einheitliche Richtlinie genutzt werden soll (vgl. Landesschulbehörde Niedersachen (Hrsg.), 2014, S.4).
In den „Bestimmungen zum Schulsport“ werden zudem speziell für das Fach Sport folgende Beurteilungsschwerpunkte formuliert:
Bewertet werden sollen alle sportmotorischen, sowie fachbezogenen Leistungen, deren Inhalte und Ziele durch die Rahmenrichtlinien vorgegeben sind. Zudem soll der individuelle Lernfortschritt jedes Einzelnen in Abhängigkeit seiner körperlichen Voraussetzungen, seiner Gesundheit und seinem allgemeinen Entwicklungsstandes berücksichtigt werden. Die Bereitschaft am Sportunterricht teilzunehmen und die sozialen Verhaltensweisen sollen ebenso in die Bewertung einfließen wie der Leistungswille und das zu beobachtende Lernverhalten.
Innerhalb dieses Rahmens sollen der Lernfortschritt und die sportmotorischen Fähigkeiten vorrangig in der Bewertung berücksichtigt werden (vgl. Nds. Kultusministerium (Hrsg.) 1998, S.33).
Zu welchen Teilen die einzelnen Bewertungsschwerpunkte in die Gesamtnote einfließen wird in den Bestimmungen nicht festgelegt. Die Lehrkraft muss ihre Bewertung allerdings zu jedem Zeitpunkt offen legen und begründen können. Messbare Leistungen erfolgen auf der Grundlage von allgemeingültigen Tabellen (vgl. ebd. S.43)
„Der Beurteilungs- und Ermessenspielraum des Sportlehrers bei der Leistungsbewertung ist Teil seiner pädagogischen Freiheit“ (Weiß in: Sportunterricht 06/05, S. 65).
Warum wird in den Schulen die Lernleistung überhaupt beurteilt? Was wird von den Zensuren und Zeugnissen erwartet? Diese Fragen lassen sich in der Regel mit der Zuschreibung von Funktionen beantworten. So sollte sich jeder Lehrer die Frage stellen, wie er seine Note begründen und welche Funktionen er der Leistungsbewertung zuweisen kann (vgl. Tillmann, 2000, S.37).
Die Leistungsbewertung von Schülerinnen und Schülern kann abhängig vom jeweiligen Kontext viele Funktionen erfüllen, die in der Literatur in verschiedener Weise zugeordnet und kategorisiert werden:
Die Notenvergabe fungiert in aller Regel als Instrument für die Erfüllung der allgemeinen Schulfunktionen. Unter den schulischen Funktionen der Zensierung sind Prozesse der Sozialisation, der Qualifizierung, der Persönlichkeitsentwicklung und der Selektion zu verstehen. Diese Funktionen werden als allgemeingültige Aufgaben der Bildungsinstitution gesehen und tragen somit zur Umsetzung des gesamtgesellschaftlichen Zugangs- und Berechtigungssystems bei (vgl. Creutzberg, et al., 1996).
In Anlehnung an diese allgemeinen Schulfunktionen lassen sich weitere Funktionen noch spezieller differenzieren, wie beispielsweise die Selektionsfunktion, die Berichts- oder auch Rückmeldefunktion, die Orientierungsfunktion, die Motivationsfunktion, die Kontrollfunktion, die Berechtigungsfunktion und noch einige weitere.
Die Abgrenzung dieser einzelnen (Unter-) Funktionen voneinander ist schwierig und die Definitionen sind oftmals sehr ähnlich. Teilweise überschneiden sich die Funktionen auch in ihrer Bedeutung, sodass festgehalten werden kann, dass eine Leistungsbeurteilung immer eine Vielzahl von Funktionen zugleich haben kann (vgl. Karner, 2004, S.43).
Eine Übereinstimmung findet sich in der Literatur allerdings in der Trennung von pädagogischen Funktionen und gesellschaftlichen Funktionen. Während die pädagogischen Funktionen der Leistungsbewertung in der Förderung und Optimierung der individuellen Lernprozesse zu finden sind, hat die gesellschaftliche Funktion vorrangig die Auslese von Schülerinnen und Schülern zum Ziel.
Da es in diesem Kapitel weniger um eine differenzierte Darstellung der einzelnen Funktionskonzepte geht als um Problematiken, die im Zusammenhang mit Leistungsbewertungen auftreten, soll im Folgenden der Zwiespalt zwischen dem pädagogischen und dem gesellschaftlichen...