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Bewertung der Vorschriften zur Inhaltskontrolle von Verträgen

AutorArne Schmieke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl58 Seiten
ISBN9783656988595
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Jura - Sonstiges, Note: 13,00, Universität Osnabrück (European Legal Studies Institute), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Inhaltskontrolle von Verträgen ist ein zentrales Instrument, um schwächere Vertragsparteien zu schützen und einen Mindeststandard der Fairness für Verträge zu garantieren. Insbesondere bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern bedürfen Letztere als typischerweise unterlegene Vertragspartei eines besonderen Schutzes. Gleiches gilt, wenn auch in abgeschwächtem Maße, auch für kleine und mittelständische Unternehmen mit weniger Ressourcen und Marktmacht, sofern sie mit größeren Marktakteuren kontrahieren. Darüber hinaus soll es so etwas wie eine gute, auf gegenseitigem Respekt basierende Handelspraxis geben, bei deren Durchsetzung es sich verbietet, grob nachteilige Klauseln in Verträge zu implementieren. Der mit dem gesetzgeberischen Tätigwerden einhergehende Eingriff in die Privatautonomie der Parteien muss durch diese Ziele gerechtfertigt werden. In Anbetracht der großen Bedeutung verwundert es nicht, dass auch der europäische Gesetzgeber in unterschiedlicher Form immer wieder den Versuch unternommen hat, die Inhaltskontrolle von Verträgen unionsweit zu harmonisieren, bzw. in einem eigenen Regelwerk zu implementieren. Neben dem Schutz von Verbrauchern, sowie kleineren Unternehmen spielte dabei stets die Förderung des europäischen Binnenmarktes eine zentrale Rolle. Gegenstand dieser Bearbeitung sind zwei Richtlinien, die sich zum einen mit missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen und zum anderen mit solchen in Verträgen zwischen Unternehmern befassen. Darüber hinaus wird durchleuchtet, wie die Inhaltskontrolle nach dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht zu erfolgen hat, welches sowohl Regelungen für Verbraucher-, als auch Unternehmerverträge vorsieht.

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Leseprobe

C. Zahlungsverzugsrichtlinie


 

Die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist eine Neufassung der Richtlinie 2000/35/EG vom 29.06.2000. Diese Novellierung war nach Ansicht des Richtliniengebers notwendig, weil die ursprüngliche Fassung nicht zu der gewünschten Verbesserung der Zahlungsmoral von Unternehmen geführt hat.[87] Anders als der Name suggeriert geht es nicht einzig um die Bekämpfung des Zahlungsverzugs durch Verschärfung der Verzugsfolgen. Vielmehr wird bereits auf einer vorgelagertern Stufe angesetzt, indem die vertragliche Vereinbarung von Zahlungs- und Abnahmefristen nur im Rahmen bestimmter Höchstgrenzen zugelassen wird.[88] Ziel der Richtlinie ist „[e]in durchgreifender Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlung [...]."[89]

 

Um die spezifischen Regelungen zur Inhaltskontrolle besser einordnen zu können und zentrale Argumentationsansätze herzuleiten, wird zunächst die Bedeutung der Richtlinie und wesentliche Stadien des Rechtsetzungsprozesses dargelegt. Als notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Inhaltskontrolle nach der Zahlungsverzugsrichtlinie überhaupt stattfinden kann, wird im Anschluss dargestellt und bewertet, wann der Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnet ist. Kern der Bearbeitung stellt die darauf folgende Bewertung des Gegenstands und Maßstabs der spezifischen Inhaltskontrolle nach Art. 7 Abs. 1 dar.

 

I. Bedeutung und Entstehungsgeschichte


 

In dreierlei Hinsicht bestand hinsichtlich des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr als vertragsbrüchiges Verhalten gegenüber der Vorgängerrichtlinie 2000/35/EG Handlungsbedarf.[90] Zum einen entstehen durch verspäteten Zahlungseingang bei Gläubigern wirtschaftliche Schäden von erheblichem Umfang. Neben Zinsverlusten können sie durch ausstehende Forderungen ihrerseits in Zahlungsverzug geraten oder zum Vorhalt großer Kapitalmengen gezwungen werden, was zu weitreichenden wirtschaftlichen Folgen bis hin zum Konkurs führen kann.[91] Ferner bedurfte es eines Schutzes kleiner und mittlerer Unternehmen („KMUs"), die den Forderungen ihrer größeren Abnehmer nach der Gewährung langfristiger Zahlungsaufschübe schutzlos ausgesetzt waren.[92] Schließlich fördert eine einheitliche Regelung zum Zahlungsverzug die Bereitschaft von Unternehmen, ihre Waren auch ins Ausland zu exportieren und damit die Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes.[93] Auf Grundlage eines Kompromisses zwischen Kommission, Europäischem Parlament und Europäischem Rat stimmte auch der Rat einer Neufassung zu, welche schließlich am 16.02.2011 von Rat und Europäischem Parlament verabschiedet wurde.[94] Ziel der Novellierung ist die effektivere Umsetzung der durch die Richtlinie 2000/35/EG angestrebten Verbesserung der Zahlungsdisziplin im Geschäftsverkehr durch Ergänzung zahlungsmotivierender Instrumente.[95] Dabei sind die Vorschriften über den Anwendungsbereich, Verzugszinsen, Eigentumsvorbehalt und das Beitreibungsverfahren für unbestrittene Forderungen im Wesentlichen unverändert geblieben.[96] Durchgesetzt werden soll die verbesserte Zahlungsmoral vor allem durch Abschreckung der Schuldner.

 

II. Anwendungsbereich


 

Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie regelt diese lediglich den „Geschäftsverkehr". Nach der Legaldefinition aus Art. 2 Nr. 1 sind unter Geschäftsverkehr solche Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen zu verstehen, die zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen. Der Anwendungsbereich enthält also eine personelle und eine sachliche Komponente, welche im Folgenden dargestellt und bewertet werden. Im Rahmen des Anwendungsbereich kann mangels bedeutender Änderungen auf Ausführungen zu der ersten Richtlinie 2000/35/EG rekurriert werden.[97]

 

In persönlicher Hinsicht beschränkt sich der Anwendungsbereich der Richtlinie auf Vorgänge zwischen Unternehmen, bzw. zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen. Ein „Unternehmen" ist nach Art. 2 Nr. 3 jede im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelnde Organisation, ausgenommen öffentliche Stellen, auch wenn die Tätigkeit von einer einzelnen Person ausgeübt wird. Auf eine gewerbliche Tätigkeit kommt es insoweit nicht an, sodass auch freie Berufe umfasst sind.[98] Zudem sind sowohl private, als auch öffentliche Unternehmen mit einbezogen[99] und es spielt keine Rolle, ob das Unternehmen eine juristische Person ist.[100] Art. 2 Nr. 2 legt fest, dass eine „öffentliche Stelle" jeder öffentliche Auftraggeber i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/17/EG[101] und von Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18/EG,[102] unabhängig vom Wert des Auftrags ist. Nach Erwägungsgrund 8 der Richtlinie sind Verbraucher vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.[103] Ferner kommt ein Geschäftsvorgang zwischen zwei öffentlichen Stellen mangels Unternehmenseigenschaft i.S.v. Art. 2 Nr. 3 nicht in Betracht.[104] Insbesondere mit Blick auf die Förderung des Binnenmarktes ist es geboten, keine übermäßigen Beschränkungen in persönlicher Hinsicht aufzubauen. Diesem Gebot kommt die Richtlinie mit der weit gefassten Definition eines Unternehmens, von der sowohl natürliche, als auch juristische Personen und sonstige Personenmehrheiten umfasst sind, sowie der Einbeziehung von öffentlichen Stellen nach.

 

In sachlicher Hinsicht muss ein Geschäftsvorgang, der zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führt vorliegen. Mit „Geschäftsvorgang" ist nicht etwa nur der Zahlungsvorgang als solcher, sondern vielmehr der zugrundeliegende gegenseitige Vertrag gemeint. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Richtlinie auf einen Geschäftsvorgang „gegen Entgelt" abstellt.[105] Nicht umfasst sind Zahlungen aus einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung und Zinsen im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, z.B. unter das Scheck- und Wechselrecht fallende Zahlungen.[106]

 

Dieser Geschäftsvorgang muss überdies die Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Fraglich ist, ob durch diese Formulierung eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf bestimmte Arten gegenseitiger Verträge intendiert ist. Zum Teil wird eine solche Beschränkung dem angeblichen Wortlaut folgend dahingehend angenommen, dass lediglich Kauf‑, Dienst- und Werkverträge umfasst sind.[107] Die besseren Argumente sprechen jedoch dafür, dem Binom „Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen" neben der Entgeltlichkeit mit Bezug auf die Vertragsart keine eigenständige Bedeutung zuzuschreiben.[108] So ist zu beachten, dass die Begriffe, die den Anwendungsbereich umschreiben, gemeinschaftsautonom auszulegen sind und nicht das nationale Verständnis unterschiedlicher Vertragsarten zugrunde liegt.[109] Zudem spricht das Ziel der Richtlinie, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu fördern,[110] für eine weite Auslegung der Richtlinie. Die Begriffe „Güter" und „Dienstleistungen" sind vielmehr i.S.d. Artt. 28 und 57 AEUV zu verstehen, die einen lückenlosen Schutz binnenmarktsrelevanter Geschäftsvorgänge anstreben, ohne bestimmte Vertragsarten a priori auszuklammern.[111] Nach dem Schutzzweck der Richtlinie fallen somit letztlich alle Geldforderungen mit Gegenleistungscharakter in den Anwendungsbereich.[112]

 

Die insgesamt im Bereich von Unternehmerverträgen weit gefasste Anwendungsbereich ist zu begrüßen. Zwar ist stets zu beachten, dass eine weitreichende Inhaltskontrolle auch die Privatautonomie der Parteien beschränkt, welche insbesondere im unternehmerischen Geschäftsverkehr gesondert zu schützen ist, jedoch ist diesem Umstand vorrangig im Rahmen der Inhaltskontrolle selbst Rechnung zu tragen. Dies gewährleistet überdies ein hohes Schutzniveau für unterlegene Marktakteure, die es auch bei Verträgen zwischen Unternehmen gibt.

 

III. Inhaltskontrolle


 

Die Regelungen der Richtlinie sind grundsätzlich dispositiv und Zahlungsvereinbarungen können privatautonom gestaltet werden.[113] Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus Art. 7, der bei bestimmten Vertragsklauseln oder Praktiken infolge grober Nachteiligkeit für den Gläubiger eine Undurchsetzbarkeit, bzw. die Begründung eines Schadensersatzanspruchs vorschreibt und damit eine Beschränkung der Vertragsfreiheit darstellt.[114] Zu Gunsten des Zahlungsgläubigers gibt Art. 7 äußere Grenzen bezüglich des Zahlungstermins oder der Zahlungsfrist, des Zinssatzes oder der Beitreibungskosten für den Vorrang der Parteivereinbarung vor.[115] Diese in Art. 7 verankerte Inhaltskontrolle soll hinsichtlich ihres Gegenstands und Maßstabs nachfolgend bewertet werden.

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