4. DIE 12 PRINZIPIEN DES MODELLS, AUF DIE ES ANKOMMT, IM VERGLEICH ZUR TRADITIONELLEN BUDGETIERUNG
"Recent events have shown that there has never been a better time for a radical reassessment of how we manage organizations. We face rapid change despite having more limited sight than at any time since the 1940s. A climate of international terrorism and volatile stock markets does not encourage planning beyond weeks and months, never mind months and years. We need more adaptive processes and a culture that supports them. Instead, too often we have fixed targets and fixed plans. They no longer make sense. Beyond budgeting is a provoking alternative we should take seriously" - Charles T. Horngren, Littlefield Professor of Accounting, Emeritus, Stanford University{64}
Die zwölf Management-Prinzipien des Beyond Budgeting- Modells sind anhand von durchstudierten Fallbeispielen der Organisationen ohne Budgets zusammengefasst worden. Sie stellen ein Set abstrakter Regeln vor, die zur Illustration von Grundeigenschaften eines alternativen Steuerungsmodells geeignet sind. Sie sind ein Gerüst, das natürlich ohne erforderliche Materialisierung durch Instrumente und Prozesse nicht ausreicht. Diese Regeln bestimmen mögliche Elemente und Gestaltungsformen eines modernen Systems, operierenden nicht mit einem fixierten Instrumentenkasten, sondern nach einer organisationsindividuellen, funktionsabhängigen, sorgfältigen Instrumentenwahl. Die wichtigste Kriterien dabei müssen aber ständig hinterfragt werden: „Tragen alle Systeme und Prozesse zu dezentraler Autonomie, Selbstabstimmung und „marktlicher“ Koordination bei? Erhöhen die Instrumente Flexibilität, Strategie- und Zukunftsorientierung? Steigern sie die Informationstransparenz?“{65}
4.1. Flexible Managementprozesse
4.1.1. Ziele: herausfordernd, relativ zu Benchmarks und fokussiert auf Leistungsverbesserungen
Das Management heute hat die Unternehmensziele nicht mehr allein unter Kontrolle. Während früher nur der Vorstand in grober Absprache mit dem Aufsichtsrat über die Ziele entschied, haben heute immer mehr externe Interessente das Mitspracherecht und den Einfluss auf Festlegung der Organisationsziele. Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf internen Prozessverlauf konzentrieren und nach Ablauf über Ergebnisse berichten, sondern sich auf von außen vergebene Ziele einstellen und dazu vorab verpflichten. Dies beschreibt die Umwandlung seit letzten Jahren von einem Inside-Out- zu einem Outside-In-Prozess, das sicherstellt, dass extern gesetzte Ziele (die sich laufend ändern können) intern konsequent in Maßnahmen umgesetzt werden, und Veränderungen in Erwartungen wichtiger Stakeholder wie bspw. Investoren und Kunden frühzeitig wahrgenommen werden.{66} Dafür sollten die Maßnahmenfindung und Entscheidung über Ressourceneinsatz für Erreichung der Ergebnis- und Shareholder-Value-Ziele den operativen Managern überlassen werden. Beim traditionellen Vorgehen werden strategische Ziele über das Geschäftsjahr fixiert und im Rahmen der Budgetplanung auf Jahresziele heruntergebrochen, und natürlich sind sie schon längst überholt, während die Welt sich inzwischen geändert hat. Starrheit und hohe Detailliertheit der strategischen und darüber hinaus der operativen Pläne verhindert schnelle Reaktion des Unternehmens bei Veränderungen im Marktumfeld, da operative Manager in den Vorgaben des Jahresbudgets sich gefangen fühlen und die Maßnahmen nicht entsprechend ändern oder neu anpassen können. Konsequenterweise werden strategische Pläne nicht erreicht. Der IBM- Berater A. Mountfield äußert sich dazu: „Ein von oben aufgesetzter, starrer Budgetrahmen, wo jede Entscheidung von drei Führungsstufen hinterfragt wird, wirkt nicht leistungsfördernd.“{67} „Ziele gehören quantifiziert und sollten stufengerecht auf die Ebene delegiert werden, auf welcher die Aktion stattfinden soll. Ich nutze relevante Industrie- Benchmarks oder entsprechende Ratios, eingebettet in Balanced Scorecards, welche den Grad der Umset-zung der Strategie messen, statt die Zeit mit dem Herunterbrechen sämtlicher Kostenarten bis auf Molekülebene zu verschwenden.“{68}
Beispiel: Boots Healthcare International (BHI), eine Sparte der Boots Gruppe, die sich mit der Produktion und dem Vertrieb von nichtrezeptpflichtigen Medikamenten sowie von Hautpflegemitteln beschäftigt, hat einen s.g. „Performance Contract“ mit der Boots Gruppe auf der Basis weniger Schlüsselkennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs) wie Sales, Profit, Cash-flow, Economic Profit und Value (auf Basis einer Discounted Cash-flow-Berechnung) für die nächsten 5 Jahre. Die Ziele werden jährlich aktualisiert. BHI hat sich damit zum Erreichen weniger finanzieller Zielgrößen verpflichtet, ist aber, was die entsprechende Spartenstrategie und die operativen Maßnahmen betrifft, weitgehend unabhängig.
Die Zielerreichung wird laufend hinterfragt, es erfolgen kontinuierliche regionsweite Maßnahmenanpassungen. Dazu finden regelmäßige Managementmeetings statt, wo auf Basis der aktuellen Zahlen Chancen und Risiken und Maßnahmenanpassungen diskutiert werden. Das Steuerungssystem bei Boots ist mit hohem Kommunikationsbedarf verbunden. Für eine effiziente Kommunikation ist eine entsprechende Transparenz erforderlich. Deshalb müssen nicht nur die Monats-, sondern bei Bedarf auch Tages- und Wochenzahlen offen gelegt werden.
Nach Ansicht von BHI sind durch die hohe Flexibilität bei der Unternehmenssteuerung die Gesamtziele der Gruppe einfacher zu erreichen, da:
ständig die Transparenz über die Gesamtregion gegeben ist,
Reserven im Gegensatz zur traditionellen Budgetmentalität zur Verfügung gestellt, wenn diese an anderer Stelle produktiver eingesetzt werden können,
lokale „Überraschungen“ nicht auftreten, die die Zielerreichung der Gruppe insgesamt gefährden können.{69}
Die operativen Ziele müssen nicht nur an der kundennahen Front, sondern auch herausfordernd gesetzt werden, denn je höher gezielt wird, desto mehr wird es erreicht. Wichtig aber dabei ist es, dass die anspruchsvollen Ziele nicht als fixierte Zielsetzung betrachtet werden, anhand deren dann die Leistung beurteilt wird. Im Budgetierungsprozess sind alle Aktivitäten auf die Erreichung von jährlich fixierten Leistungsvereinbarungen gerichtet. Bei der Plan- und Budgetverhandlung strebten die Vorgesetzten nach anspruchs-volleren Zielen, und die Budgetverantwortlichen versuchten auf der sicheren Seite zu sein, ziehend das Zielniveau nach unten. Die Ausschöpfung des vollen Ergebnispotentials der Firma bleibt in solchem Prozess fraglich. Im alternativen Modell sollte jede Geschäftseinheit ihr eigenes, herausforderndes Ziel als Prognose des „bestmöglichen Ergebnisses“ vorschlagen. Die Manager verlassen sich dabei auf ihr eigenes Urteilsvermögen und können die Verantwortung für diese Ziele übernehmen, weil ihre Leistung nicht auf dieser Basis beurteilt und vergütet wird. Sie werden im Nachhinein anhand verschiedener relativer Indikatoren wie bspw. interner und externer Benchmarks und des Vorjahresergebnisses vergütet (dies wird unter nächstem Prinzip näher betrachtet).
Wenn man sich bei der Zielfestsetzung auf externe Benchmarks erst einmal geeinigt hat, gibt es danach wenig Bedarf an weiteren Verhandlungen, weil der Fortschritt von Performance anhand der Benchmarks kontinuierlich bewertet wird. Typische Benchmark- Ziele sind branchenbezogene Best-in-Class- oder Wettbewerbsvergleiche; typische Kennzahlen: Kapitalrendite und Umsatzrentabilität. Die Teams verfügen über einen angemessenen Zeitraum zur Zielerrei-chung.
Ähnliche Vorgehensweise wird beim internen Vergleich angewendet. In beiden Fällen (externe und interne Benchmarks) können s.g. Ranglisten der Vergleichsgruppen herangezogen werden, die auf der Basis ausgewählten vergleichbaren Kenn- und Messgrößen aufgestellt werden und den Ansporn zur Leistungssteigerung darstellen. Ziel ist es, Performanceranglisten, die mit strategischen Zielen der Organisation im Einklang stehen, für alle Organisations-ebenen aufzubauen (Regionen, Länder, Zweigstellen, Produktions-stätten und Dienstleistungszentren, sowie Kunden-, Produkt-, und Serviceportfolios).{70}
Die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Studie der Unternehmens-beratung Accenture bei Befragung von 65 Finanzvorstände und Führungskräfte aus DAX- 100 und M- DAX- Unternehmen zu ihren Planungsverfahren haben Folgendes offenbart:
„Traditionelle Jahresbudgets werden durch einen flexiblen Zeithorizont und relative Zielvorgaben wie Kapitalmarktindikatoren ersetzt. Mit diesen Verfahren reagieren deutsche Unternehmen sowohl auf Anforderungen des Managements, als auch des Kapitalmarkts … Finanzvorstände stützen sich bei der Mittelvertei-lung zunehmend auf interne und externe Vergleichswerte, anstatt Ausgaben des vergangenen Jahres in Jahresbudgets fortzuschrei-ben. So wird die kurz- bis mittelfristige Planung auf Basis relativer Zielvorgaben und flexibler Prognosen...