Im Prozess der literarischen, ästhetischen und sprachlichen Sozialisation spielen Bilderbücher bekanntlich eine bedeutende Rolle. Oft stehen sie in der Familie oder im Kindergarten im Mittelpunkt frühkindlicher dialogischer Vorlesesituationen, die ideale Sprachlernsituationen darstellen. Das Vorlesen ist stets auch Mitlesen, womit das Bilderbuch eine Brückenfunktion zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit übernimmt. Zur Bilderbuchrezeption gehört aber auch noch bis in die gesamte Grundschulzeit hinein das gemeinsame Betrachten der Bilder: Kind und erwachsene Lesebegleiter verweilen in den Bildern, stellen Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven, verständigen sich, erschließen Symbolwelten. Gewissermaßen nebenbei lernt das Kind zu antizipieren und eine Art Erzählgrammatik zu verinnerlichen, gleichzeitig bieten ihm die Bilder die Möglichkeit, vom Eigenen zu erzählen, sich persönlich einzubringen. Der Bilderbuchmarkt bietet inzwischen eine Fülle ästhetisch anspruchsvoller Produkte, nicht nur hinsichtlich der Text-Bild-Interdependenzen, sondern auch im Hinblick auf die visuellen Elemente. Aus diesem Grund beginnt der Thementeil mit einem Beitrag von Sarah Wildeisen zur Kunst am Bilderbuch, in dem sie das Augenmerk auf die bildfokussierende Bilderbuchanalyse richtet, u. a. auf die künstlerische Technik, den Stil und die Verbindungslinien zur Kunstgeschichte. Mareile Oetken spürt in ihrem Beitrag Es war finster das Düstere im Bilderbuch auf und zeigt, dass es einerseits eine lange Geschichte hat, andererseits aber auch nicht zwingend mit Dramatik, Tragik oder Konflikt in Verbindung stehen muss. Alexandra und Michael Ritter werfen einen Blick auf die bei Mädchen so beliebte Figur der Prinzessin im neuen Märchenbilderbuch und entdecken interessante Neubestimmungen eines klassischen Stereotyps. Mit dem bemerkenswerten Bilderbuchwerk von William Steig, dem Vater Shreks, macht Sebastian Schmideler bekannt, der dazu ermuntert, Steigs breites intermediales Spektrum intertextueller Referenzen zu erkunden. Margrete Hopps Ausführungen zur Weltliteratur für Kinder werden am Beispiel von Goethes Osterspaziergang verdeutlicht, den Klaus Ensikat illustrierte und der von Karin Richter bereits erfolgreich in der Grundschule zum literarischen Lernen eingesetzt wurde. Der Blick auf den Bilderbuchmarkt endet mit einem Aufsatz von Wolfgang Schill und Wolfgang Antritter, die untersuchen, wie aus (Bilder)Büchern Hörbücher werden und welche Beurteilungskriterien bei der Bewertung eine Rolle spielen sollten. Vier Praxisbeispiele verdeutlichen das didaktische Potenzial von Bilderbüchern. Bärbel Jähnert führt vor, dass es beim Bilderlesen im Kindergarten um die Entwicklung der Vorläuferkompetenz des Lesens geht. Welche Chancen das Bilderbuch für sprachliches Lernen mit Kindern unterschiedlicher Sprachbiografien bietet, stellen Antje Sinemus und Krystyna Strozyk heraus. Hartmut Vollmer präsentiert zu Martin Baltscheits preisgekröntem Bilderbuch über Demenz eine ausführliche didaktische Analyse wie auch Unterrichtsideen. Und Renate Naderwitz stellt die Ergebnisse einer kleinen empirischen Studie vor, in der sie das Thema Tod und Trauer am Beispiel des Medienverbundangebots Die besten Beerdigungen der Welt im Rahmen einer Unterrichtsreihe in einer vierten Klasse behandelte. Editorial von Petra Josting
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