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Bindungsstörungen und unsichere Bindungsmuster. Chancen und Grenzen der stationären Jugendhilfe

AutorMila Slangen
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783961461615
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Die in stationären Heimeinrichtungen wohnhaften Kinder und Jugendlichen sind in vielerlei Hinsicht durch chronisch traumatische und belastende Ereignisse innerfamiliärer Qualität geprägt, was letztendlich auch den Grund der stationären Unterbringung symbolisiert. Neben Missbrauchs- oder Vernachlässigungserfahrungen, familiären Konflikten und Trennungen, haben diese Kinder und Jugendlichen in den wenigsten Fällen eine zuverlässige, feinfühlige, transparente und verlässliche Bindungsperson erlebt. Aus der Dynamik traumatischer und angsterregender Ereignisse sowie des fehlenden sicheren Hafens entwickeln sie unsichere bzw. hochunsichere Bindungsmuster, wenn nicht sogar eine Bindungsstörung. Die stationäre Jugendhilfe verfolgt das Ziel der Vermittlung korrektiver Bindungserfahrungen, jedoch stehen die Chancen und Erfolgsaussichten im Schatten der zu bewältigenden Grenzen und Herausforderungen.

Mila Slangen wurde 1994 geboren und hat im Jahr 2016 das Studium der Sozialen Arbeit abgeschlossen. Neben dem Studium arbeitete sie im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe mit stark belasteten Familien und hochtraumatisierten, bindungsunsicheren Kindern und Jugendlichen. Aufgrund festgestellter Kindeswohlgefährdungen wurden viele dieser Kinder stationär untergebracht. Schnell war klar, dass diese Kinder in ihrem Sozialverhalten sehr auffällig waren und die Heimeinrichtungen vor der Herausforderung standen, diesen Kindern das Vertrauen in die Welt und in den Menschen zu vermitteln. Entsetzt und zugleich motiviert von diesen Entwicklungsverläufen beschloss die Autorin, sich mit der Thematik dieses Buches näher zu befassen und Zusammenhänge zu finden.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4: Aktueller Stand der Bindungsforschung in Verbindung mit Heimerziehung: Auf die Verbindung der Heimerziehung mit dem bindungstheoretischen Kenntnissen sind auch Bindungsforscher, wie Roland Schleiffer, Katja Nowacki oder Helmut Johnson aufmerksam geworden. Ihre Erkenntnisse und Beiträge sollen im Folgenden näher beleuchtet werden, um die theorielastigen Erläuterungen, sowie auch das im Rahmen der Bachelorarbeit gestellte Problem zu konkretisieren. 4.1: Bindungsmuster und -repräsentationen von Kindern und Jugendlichen in der Heimerziehung: Im Jahre 2001 veröffentlichte Roland Schleiffer, ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sowie für Psychotherapeutische Medizin und Professor für Psychotherapie und Psychiatrie, welcher an der Universität zu Köln lehrt eine Studie zum Thema Bindungsrepräsentation bei Kindern, welche im Rahmen einer stationären Maßnahme in einer Heimeinrichtung untergebracht worden sind. Ziel dieser Studie war es die Bindungsrepräsentationen der Jugendliche, die in einem Heim der öffentlichen Erziehungshilfe leben zu erfassen, wie auch Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Bindungskonzepten und einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen herzustellen (Schleiffer 2014: 101). Die Untersuchung wurde in einem gut etablierten Kinder- und Jugendheim durchgeführt. Das Kinder- und Jugendheim beherbergt drei Familiengruppen mit jeweils alters- und geschlechtsheterogenen Gruppen von ca. neun bis zehn Kindern und Jugendlichen in einem familiär gestalteten und abgegrenzten Umfeld. Neben den Familiengruppen hat eine heilpädagogische Gruppe für verhaltensaufällige Kinder und Jugendliche Bestand, sowie eine sonderpädagogische Gruppe für Kinder und Jugendliche die als lernbehindert gelten. Zu dem stationären Angebot der Heimeinrichtung gehört ebenfalls eine Außenwohngruppe, welche ihren Schwerpunkt auf der Betreuung von jungen Müttern 'in besonderen Notlagen' ausgerichtet hat. Hier wohnen die Mütter zusammen mit ihren Kindern und werden entsprechend dem Bedarf von den ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen betreut und begleitet. Insgesamt nahmen 39 Jungen und 33 Mädchen an der Studie teil. Das Alter variierte dabei von 12 bis 23 Jahre, das Durchschnittsalter betrug 16 Jahre (Schleiffer 2014: 104). Die Gründe für die stationäre Unterbringung der Kinder und Jugendlichen wurde den Akten entnommen, bzw. in persönlichen Gesprächen mit der Heimleitung in Erfahrung gebracht. In über 80 % der Fälle wurde die stationäre Unterbringung durch Vernachlässigung und Misshandlung im elterlichen Haushalt begründet. 10 % Prozent der Fälle lässt auf eine Überforderung der Kindeseltern schließen. Vier der untersuchten Jugendlichen sind auf Grund von Krieg aus ihren Heimatländern vertrieben worden. Bei dreiviertel der Jugendlichen lebten die Eltern getrennt. 14 der Jugendlichen mussten die Trennung von den Eltern oder einer wichtigen Bezugsperson durch einen Todesfall erfahren. Insgesamt lässt sich sagen, dass es sich bei den untersuchten Kindern und Jugendlichen um eine 'typische Heimpopulation' handelt. Eine stationäre Unterbringung wird lediglich dann in Anbetracht gezogen, wenn ambulante Maßnahmen keine Erfolge zeigen und die Kindeseltern in ihrer Erziehungsunfähigkeit so fortgeschritten sind, dass ein weiterer Aufenthalt bei den Kindeseltern kindeswohlgefährdend wäre (Schleiffer 2014: 104 ff.). Die Studie untersuchte unter anderem die psychopathologischen Auffälligkeiten, sowie die Bindungsorganisation bei Jugendlichen. Zur Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale der Jugendlichen, sowie der Herstellung von Zusammenhängen mit psychischen Auffälligkeiten wurde der Offer-Selbstbildfragebogen, sowie die Child Behavior Checklist zur Befragung der BetreuerInnen verwendet. Diese wurden gebeten einen Fragebogen über das Verhalten der Jugendlichen auszufüllen, welcher eigentlich für die jeweiligen Eltern konzipiert ist, mit dem Ziel eine externe Einschätzung zu erhalten. Abgefragt wurden hierbei die psychosozialen Kompetenzen, sowie die Verhaltensauffälligkeiten, emotionalen Auffälligkeiten und körperlichen Beschwerden der jungen Menschen innerhalb der letzten 6 Monate. Die Befragung der Jugendlichen erfolgte durch einen Fragebogen, welcher konform dem Elternfragebogen konzipiert wurde. Im Ergebnis dieses Items lässt sich erkennen, dass die Jugendlichen die Beziehung zu ihren Eltern deutlich 'schlecht' einschätzen, sich insgesamt als wenig zufrieden mit sich und der Welt wahrnehmen und die Beziehungsqualität zwischen ihnen und ihren Eltern als gering einschätzen. Verglichen mit der Fremdeinschätzung können Ähnlichkeiten festgestellt werden. 63 % der Jugendlichen die sich als klinisch auffällig einschätzten, wurden auch von ihren ErzieherInnen entsprechend eingeschätzt. Etwas mehr als die Hälfte der untersuchten Jugendlichen gab im Selbsturteil an, ein hohes Maß an Symptombelastung zu verspüren. Diese Einschätzung konnte aus der Perspektive der ErzieherInnen bei mehr als der Hälfte der Fälle bestätigt werden. Die Geschlechtszugehörigkeit scheint in einigen Bereichen signifikante Unterschiede auszumachen. Was die Items Angst/Depression, sowie schizoid/zwanghaft angeht schätzten sich die Mädchen eindeutig auffälliger ein, als die Jungen. Ebenfalls scheinen die Mädchen im Gegensatz zu den Jungen sozialen Kompetenzen wie Hilfsbereitschaft und Empathie besonderen Wert zuzumessen (Schleiffer 2014:111). Um die Bindungsorganisation der Jugendlichen zu erheben wurde das Erwachsenenbindungsinterview (AAI) durchgeführt. Es handelt sich dabei um ein narratives Interview, welches darauf abzielt die bewussten Gedächtnisinhalte über bindungsrelevante Sachverhalte, Kummer, Ängste, Verletzungen, Trennungen und Ablehnungen abzufragen und bestehende Repräsentationen zu rekonstruieren. Die Jugendlichen wurden dabei unter anderem gefragt, welchem Elternteil sie sich näher gefühlt haben und wie sie ihre derzeitigen Beziehungen zu den Bezugspersonen beschreiben würden. Im Ergebnis konnten lediglich 2 der untersuchten 72 Jugendlichen als sicher gebunden festgehalten werden. 51 der untersuchten Jugendlichen konnten als unsicher-vermeidend, sowie 18 der Jugendlichen als unsicher-ambivalent gebunden klassifiziert werden. 11% der Jugendlichen zeigten eine unverarbeitete Repräsentation. Im Geschlechtsunterschied zeigen sich die Mädchen eher unsicher-ambivalent-gebunden, die Jungen eher unsicher-vermeidend. [...] Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein überwiegender Anteil der Jugendlichen sich sowohl in der Selbst- und Fremdeinschätzung als psychopathologisch auffällig herausstellte. Bei fast allen Jugendlichen konnten unsichere bzw. nicht bearbeitete oder desorganisierte Bindungsrepräsentationen klassifiziert werden (Vgl. Abb. 5). Ein Zusammenhang beider Items kann dabei vermutet werden. Die Symptombelastung der Kinder und Jugendlichen lassen mitunter auf die häuslichen Zustände schließen, welche die jungen Menschen in ihren relevanten Jahren sozialisiert haben. Dabei sind Bindungsrepräsentationen, Schutz, Abwehr- und Überlebensstrategien erlernt worden, welcher den damaligen untypischen Verhältnissen entsprochen haben und notwendig waren, in einem gesunden Umfeld jedoch problembeladen und verstrickt Wirkung zeigen. Neben Roland Schleifer veröffentlichte auch Katja Nowacki 2007 eine Studie, welche sich damit beschäftigte bindungsgeleitete Auswirkungen der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in einer Heimeinrichtung, wie auch in Pflegefamilien im Vergleich beider Systeme deutlich zu machen. Die Stichprobe, aller interviewten Personen besteht aus 27 jungen Menschen die mindestens 3 Jahre in einer Pflegefamilie gelebt haben, sowie 22 jungen Personen die mindestens 4 Jahre in einer Heimeinrichtung untergebracht waren. Ebenfalls wurden 20 junge Menschen als Vergleichsstichprobe aufgeführt, welche in ihren Familien aufgewachsen sind, sowie auch 8 Pflegeelternpaare an der Studie teilgenommen haben. Bei dem verwendeten Messinstrument handelte es sich um das Adult Attachment Interview (AAI). Dieses besteht aus 20 standardisierten Fragen, welche sich auf Kindheitserinnerungen und Erfahrungen mit den primären Bindungspersonen und wichtigen sekundären Bezugspersonen beziehen. Anhand der dabei aufgenommenen Informationen wird entschieden, auf welche genannte Bindungsperson sich alle weiteren Fragen beziehen werden. Im Ergebnis konnte diese Studie belegen, dass Heimkinder, wie auch Pflegekinder gegenüber den Familienkindern einen deutlich höheren Anteil an unverarbeiteten bzw. unsicheren Bindungsrepräsentationen vorzuweisen haben. (Nowacki 2007: 164) Pflegekinder haben zwar einen deutlich niedrigeren Anteil an sicheren Bindungsrepräsentationen als die Familienkinder, aber gleichzeitig einen deutlich höheren als die Familienkinder (Nowacki 2007: 164) (Vgl. Abb. 6).
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