Im Folgenden wird auf Merkmale und Zusammenhänge von Kundenbindung mit besonderem Bezug zur Aviation-Branche eingegangen.
Bezogen auf die Aviation-Branche ergibt sich immer mehr die Situation, dass die Kundenbindung und Profitabilität der Bestandskunden sich zu kritischen Erfolgsfaktoren entwickeln.
Die Gründe sind vor allem darin zu sehen, dass das Produkt Fliegen immer austauschbarer geworden ist und der Kauf von Flugtickets zunehmend unter Low Involvement geschieht. Die Kaufentscheidung der Flieger beruhte früher auf funktionalen Produkteigenschaften, die sich von konkurrierenden Airlines unterschieden. Das Grundprodukt Flug von A nach B reichte aus diesem Grund als Wettbewerbsvorteil aus. Heute bietet dieses Grundprodukt kein Differenzierungspotential mehr. Die Markentreue sinkt mehr und mehr, wie in nahezu allen Branchen.[57] Mit dem Aufkommen der Low-Cost-Carrrier, welche von Nordamerika ausgehend zum Beginn der 90er Jahre nach Europa kamen, verschärfte sich der Kampf um Marktanteile, da zunehmend Marktanteile der etablierten Flag-Carrier schrumpften.
Wie bereits erwähnt ist die Markentreue der Kunden geringer geworden, der Drang nach emotionaler Bindung und Befriedigung emotionaler Bedürfnisse sank, da die bisherige Marketingstrategie und das Dienstleistungsangebot nicht ausreichte, um die Marke dauerhaft zu differenzieren und Kunden längerfristig zu binden. Das Management suchte nach Strategien diesem Trend entgegenzuwirken, um aus dieser defensiven Situation herauszukommen. Somit kamen strategische Allianzen der Airlines und deren gemeinsame Bonusprogramme als Kundenbindungsinstrument ins Spiel.
Auch heute noch legen die meisten Unternehmen den Schwerpunkt ihrer Marketing-Bemühungen auf die Neukundengewinnung, allerdings kommt in jüngster Zeit dem Schwerpunkt Kundenbindung ein steigendes Interesse in der Praxis zu. Man geht über von Massenmarketing zum Beziehungsmarketing. Die Aquisition neuer Kunden insbesondere in der Aviation-Branche wird zunehmend schwerer. So ist man daran interessiert Bestandskunden zu binden. Gelingt es einer Luftverkehrsgesellschaft, seine Kunden möglichst dauerhaft an sich zu binden, wirkt sich dies gewinnsteigernd aus, dadurch dass sich Marktanteil und Umsatz bei gleichzeitiger Kostenreduktion erhöhen.[58] Je länger die Stammkundenbeziehung andauert, umso mehr Gewinn kann das Unternehmen aus dieser Beziehung erwirtschaften und sein Gewinnpotential steigern.
Kundenbindung erfordert erhebliche Aufwendungen, zahlt sich jedoch letztendlich aus. Neben den eingesparten Aquirierungskosten werden ebenfalls Marketingkosten eingespart. Kundenbindung durch Beziehungsmarketing genießt eine hohe ökonomische Relevanz. Die Unternehmen räumen außer der Bindung von Kunden an die Marke insbesondere der Qualität der Transaktionen eine hohe Priorität ein. Gemessen an dem Kundenwert ist die Kundenbindung möglichst potentialträchtiger Kunden ein nachhaltiger Erfolgsfaktor. Insbesondere in der Airline-Branche ist der Kundenwert zu einem nachhaltigen Erfolgsfaktor geworden. Mit systematischer Kundenbindung durch Bonusprogramme wird versucht den Kundenwert möglichst jedes einzelnen Kunden für das Unternehmen zu steigern. Dies geschieht systematisch in der Vergabe von Meilen und Status. Die vom Kunden gesammelten Prämienmeilen stellen den Rabatt dar, den die Fluggesellschaft oder ein Partner dieser für die Nutzung entsprechender Dienste vergeben hat.[59] Der Status ergibt sich aus den vergangenen Flugaktivitäten. Erst auf der Statusebene erfolgt die eigentliche Differenzierung des Kunden. Entsprechend der Statuslogik werden dem Kunden entlang der Servicekette von Unternehmen gleichbleibend seiner Wertigkeit individualisierte Zusatzleistungen angeboten, um ihm das Reisen bequemer und effizienter zu gestalten. Auf diese Weise versuchen Airlines den zukünftigen Customer Lifetime Value[60] zu erhöhen.[61] Nach einer Grafik des Unternehmens Lufthansa (Abbildung 5) wird versucht den potentiellen Wert des Kunden in der Zukunft möglichst zu Gunsten des Unternehmens zu beeinflussen. Um den im Laufe der Kundenbeziehung veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, entwickelte Lufthansa eine kundenwertbasierte Methodik. Innerhalb dieser Methodik berechnet Lufthansa individuell den Kundenwert. Dieser Wert setzt sich aus dem vergangenen (past value) und dem zukünftigen Umsatz (future value) zusammen. Die Berechnung des Future Custumer Value berücksichtigt zahlreiche Faktoren, wie Flugverhalten, Alter, Share of Wallet[62], etc. Aus der Summe des vergangenen und des zukünftigen Verhaltens des Kunden, entsteht der Kundenwert eines Lufthansa-Kunden.
Der Ursprünglich wissenschaftliche Ansatz des Kundenwerts beinhaltet in der Regel nur den Future Customer Life Time Value. Lufthansa hat bewusst vergangene Umsätze des Kunden mit einbezogen, um die Kundenloyalität der Vergangenheit zu honorieren.[63]
Abbildung 5: Kundenmodell der Deutschen Lufthansa
(Quelle: Kotler/Armstrong/Saunders/Wong 2007, S. 535)
Wie bereits erwähnt machen nach dem Pareto-Prinzip etwa 20% der Kunden 80% des gesamten Deckungsbeitrages der Unternehmung aus. Die Hauptaufgabe der Führungskräfte und Mitarbeiter ist es, diese 20% der Kunden zu erkennen, ihre Bedürfnisse und Sorgen zu erforschen und in den Prozess der Weiterentwicklung der Unternehmung einzubinden. Das Unternehmen muss bestrebt sein USPs[64] zu schaffen, den Kunden zu begeistern und ihn ggf. zu positiven Botschaftern für das Unternehmen zu machen oder sogar als Meinungsführer agieren zu lassen, um so die zweistufige Kommunikation auf den Endkunden wirksam einsetzen zu können. Damit steigt der Kundenwert durch seine Bindung und Zufriedenheit multiplikativ.[65]
Die Unternehmen achten darauf, dass es sich bei der Kundenloyalität um echte Loyalität dem Unternehmen gegenüber handelt. Sogenannte „unechte Loyalität" äußert sich beispielsweise in einem Wiederkauf anhand mangelnder Alternativen, oder „Pseudoloyalität", dieser Terminus ist etwa bei einem Wiederkauf aus Bequemlichkeit zu verwenden. Von „echter Loyalität" oder echter Kundenbindung ist bei einer zum Wiederkauf führende positive Einstellung zum Produkt oder Anbieter zu sprechen.[66]
Im Entscheidungsprozess kann nach der Unterteilung von Kantona und Howard/Sheth nach den Typen: echte Kaufentscheidung, Gewohnheitskauf, Impulskauf und der limitierten Entscheidung unterschieden werden.[67]
Die echte Entscheidung, wird auch Suchkauf genannt. Es beinhaltet eine extensive Informationsverarbeitung und ein hohes Maß an kognitiver Steuerung in der Entscheidungsfindung.[68]
Der Gewohnheitskauf liegt vor, wenn die Kaufentscheidung auf alltäglichem, routiniertem Verhalten basiert und das Individuum mit der Situation vertraut ist. Dieses Gewohnheitsverhalten spiegelt ein loyales Verhalten gegenüber einem Produkt bzw. einem Unternehmen wieder. Es beinhaltet ebenfalls die Gründe für ein loyales Buchungsverhalten gegenüber einer Fluggesellschaft. Diese können beispielsweise die Mitgliedschaft in einem Vielfliegerprogramm bzw. einem Bonusprogramm der Airline- oder das Vertrauen in die Leistung und der Sicherheit gegenüber dieser sein.[69]
Impulsive Kaufentscheidungen erfolgen reizgesteuert und werden in der Regel von „affektiven Aufladungen"[70] gesteuert werden. Sie erfolgen unkontrolliert und kommen nach Kuss und Tomczak gegenüber den anderen Typoligien eher seltener vor.[71] Sie stehen im Gegensatz zu den habitualisierten Kaufentscheidungen, die emotions- und gedankenlos gefällt werden.[72]
Bei der limitierten Entscheidung berücksichtigen die bereits bestehenden Erfahrungen des Kunden mit einem Produkt auf der Basis individueller Entscheidungskriterien, die zur Beurteilung von Alternativen über einen bestimmten Zeitraum hinweg
Die Kaufentscheidung eines Flugtickets manifestiert sich in der Buchung. In der Literatur wird er aufgrund des Dienstleistungscharakters des Produkts „Flugreise" und des damit verbundenen, vom Kunden wahrgenommenen Risikos, als eine Kaufentscheidung mit relativ hohem Involvement und einem stärker ausgeprägten Informationsbedarf der Kunden wahrgenommen.[73] Zu den genaueren Eigenheiten des Produkts „Flugreise" wird näher in Kapitel 3.8 eingegangen.
Der Informationssuchprozesses wird beeinflusst von der Reisehäufigkeit und -erfahrung beeinflusst. Beim Ticketkauf eines Kunden mit geringerer Flugerfahrung handelt es sich um eine echte Kaufentscheidungen, die oft mit persönlicher Beratung und Informationen über Bekannte oder Reisebüros gefällt werden. Kunden mit Flugerfahrung verfügen in der Regel über bewährte Entscheidungskriterien und Airline-Präferenzen zur Bewertung der Angebote. Auch die Wahl des Bonusprogramms spielt hier eine Rolle. Deshalb kann sie der Typologie der limitierten Kaufentscheidung zugeordnet werden. Da Preis, Verfügbarkeit, Serviceleistungen, Bonusprogramm...