“The dominant force in social media (…) increasingly appears to be social networks”[45]. Eine Studie von Hutton und Fosdick besagt, dass die Aktivitäten in sozialen Netzwerken von 2006 bis 2010 um 47% gestiegen sind. Was motiviert Internetnutzer, sich online zu vernetzen? Soziale Netzwerke eröffnen die Möglichkeit, sich selbst virtuell zu vermarkten. Erfahrungen und Wissen können mit anderen Nutzern geteilt werden. Zudem ergab die Studie, dass es bei der Nutzung von sozialen Netzwerken größtenteils darum geht, unterhalten zu werden bzw. einfach Zeit zu verbringen.[46] Einhergehend mit dem Trend hin zur virtuellen Vernetzung kommt es zu einem Bedeutungsverlust der traditionellen Unternehmenswebseiten. Ursachen dafür sind einerseits das Bedürfnis des Konsumenten, mit anderen in Interaktion zu stehen und andererseits eine Veränderung der Marketingstrategie von Unternehmen, die sich heutzutage mehr auf Aktivitäten innerhalb von sozialen Medien konzentriert. „And in truth, social media have allowed marketers to interact with their consumers in unprecedented ways“[47], erläutern Hutton und Fosdick. In diesem Kapitel werden zwei dieser “neuartigen Wege” voneinander abgegrenzt. Nach einer knappen Definition und Beschreibung der Brand Community, wird der Fokus auf die Branded Online-Community gelegt.
Da dieses Konzept bisher kaum Bekanntheit erfahren hat, wird es anhand von Praxisbeispielen veranschaulicht. Anschließend werden die Faktoren analysiert, die den langfristigen Erfolg einer Online-Community beeinflussen. Der nächste Abschnitt stellt die Frage in den Raum, welchen Nutzen Unternehmen aus dem Branding von Online Gemeinschaften ziehen. Da bisher kaum empirische Untersuchungen zum Thema Branded Online-Communities bestehen, ist es nötig, auf Ergebnisse aus anderen Forschungsfeldern, wie den Markenallianzen oder dem Internetsponsoring, zurückzugreifen und diese auf die Thematik zu übertragen. Der letzte Abschnitt des Kapitels beschäftigt sich darüber hinaus mit den Risiken, die im Community Branding für die Marke und das Unternehmen entstehen können.
Muniz und O’Guinn definieren die Brand Community als „a specialized, non-geographically bound community, based on a structured set of social relationships among admirers of a brand“[48].
Dieses Konzept stellt folglich die Marke in den Mittelpunkt des Gemeinschaftsinteresses. Beweggründe für das Engagement in einer Markengemeinschaft sind laut Hutton und Fosdick: „being part of a movement“, „having a front seat for new news“ und „to associate with something (…) [that] is cool“[49]. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die virtuelle Community “MyFCB“ (FC Bayern München, siehe https://www.myfcb.de/). Das soziale Netzwerk des Fussballvereins dreht sich um die Marke (siehe Abb. 3) und ermöglicht es den Anhängern, sich miteinander auszutauschen und Videos oder Fotos zu teilen sowie diese zu bewerten und zu kommentieren.
Abbildung 3: Das Layout der Brand Community von dem FC Bayern München
Quelle: FC Bayern (https://www.myfcb.de, Zugriff v. 09.01.13).
Brand Communities werden hauptsächlich von starken Marken mit einem bedeutsamen geschichtlichen Hintergrund gegründet und bestehen aus einer großen Anzahl an Mitgliedern, welche sich der Gemeinschaft sowie der Marke verbunden fühlen.[50]
Trotz des allgemeinen Erfolgsrezepts dieser Markengemeinschaften kann nicht jede Marke auf die langfristigen Interaktionen ihrer Konsumenten zählen, die den Erfolgsfaktor virtueller Gemeinschaften darstellen. Einige Marken (bspw. E.ON) verwendeten ihre finanziellen Ressourcen zum Aufbau einer Markengemeinschaft, um diese bald aufgrund mangelnder Interaktion wieder zu schließen. So haben nur wenige Marken das emotionale Potential, eine langfristige, stabile Nutzerinteraktion zu gewährleisten.[51]
Aufgrund dieser Erfahrungen entwickelte sich ein alternativer Weg des Nutzens von virtuellen Gemeinschaften. Anstatt eine Community zu gründen, die die Marke selbst fokussiert, kann ein Unternehmen eine nichtkommerzielle Gemeinschaft betreiben, die um ein gemeinsames Interesse oder Bedürfnis herum aufgebaut ist, was einer community of interest (siehe Kap. 2.1) entspricht. Die Branded Community wird von Popp und Woratschek folgendermaßen definiert:
„We define a community of people sharing their interest and expertise in a specific topic which is sponsored or operated by a specific brand for marketing purposes as a ‘branded community’ [Hervorhebungen durch Verf.]”.[52]
Wie sich aus dem Namen bereits ergibt, kommt es zum Branding einer Gemeinschaft, deren Mitglieder sich aufgrund eines bestimmten Interesses oder Fachwissens um ein Thema austauschen. Die Gemeinschaft entsteht folglich aus einem pragmatischen Zweck. In der Praxis bieten sich hierfür zwei Möglichkeiten. Zunächst einmal kann sich ein Unternehmen für das Betreiben einer Gemeinschaft entscheiden. Weiterhin kann es zu einem Sponsoring der Internetgemeinschaft kommen. Popp und Woratschek betonen, dass zwischen der Marke und der Community kein offensichtlicher Sinnzusammenhang bestehen muss. Dies bedeutet, dass der Interessensmittelpunkt der Community in keiner direkten Verbindung zu den angebotenen Produkten oder Serviceleistungen der betreibenden Marke steht.[53]
Gebrandete Gemeinschaften sind im Gegensatz zu dem Phänomen der Brand Communities ein noch kaum untersuchtes Forschungsgebiet.[54] Ein Grund für das bestehende geringe Interesse ist die Tatsache, dass sich bisher nur wenige Unternehmen in diesem Bereich engagieren. Es finden sich schnell virtuelle Plattformen, die von einer Marke betrieben oder gefördert werden, welche allerdings keine Communities im Sinne von Kapitel 2.1 darstellen, da diese auf einseitigen Tätigkeiten des betreibenden Unternehmens basieren und Interaktionen zwischen den Mitgliedern nicht vorgesehen sind. Zur Veranschaulichung werden im Folgenden fünf Beispiele von deutschen Branded Communities der Marken Deutsche Telekom, Bosch und Stabilo vorgestellt. Diese präsentieren allesamt den Fall des Betreibens einer Community durch eine starke Marke, welche einen hohen Bekanntheitsgrad sowie ein positives Image aufweist.
Neben der Beschreibung des Aufbaus der Online-Plattformen soll erkenntlich gemacht werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Zweck der Community und der betreibenden Marke besteht. Weiterhin geht es um die Frage, wie die Marke auf der Webseite präsentiert wird. Es hier wichtig zu verstehen, dass der Übergang zwischen Brand und Branded Communities oft fließend ist und es möglich wäre, einige im Folgenden präsentierten Beispiele durch überzeugende Argumentation gleichfalls als Markengemeinschaften zu klassifizieren.
Das Wohnportal „zuhause.de“[55] wird von der Deutschen Telekom AG betrieben. Auf der übersichtlich aufgebauten Internetplattform geht es um die Themen Bauen, Wohnen und Garten. Hierbei werden dem Nutzer Informationen über die Kernthemen sowie Ratgeber für die Praxis zur Verfügung gestellt, die teilweise mittels Videos und Fotos anschaulich erklärt werden. Weiterhin ist es möglich, über ein Tool das eigene Zuhause virtuell darzustellen und zu planen. In der Community des Wohnportals können sich Mitglieder austauschen. Diese ist in die Hauptthemen ‚Bauen, Wohnen, Garten, Energie und Allgemeines‘ unterteilt, welche wiederum in Unterforen aufgeteilt sind. Ein Subforum der Thematik ‚Wohnen‘ ist der Interessensbereich ‚Dekorieren‘. Innerhalb des Subforums finden sich wiederum zahlreiche Beiträge, die eine einzelne Fragestellung beleuchten, wie „Tisch decken: Fünf Grundgedecke und zwölf Regeln beim Tisch decken“. Nutzer haben die Möglichkeit, neue Themen zu eröffnen oder Beiträge einzustellen. Weiterhin ist es möglich, eine Frage zu einer Problemstellung zu veröffentlichen oder ein Ereignis mittels Fotos oder Videos zu dokumentieren. Neben den genannten öffentlichen Aktivitäten besteht die Gelegenheit, mit anderen Mitgliedern privat in Kontakt zu treten. Auf dem Profil des Nutzers befindet sich außerdem ein sog. Gästebuch. Dieses stellt eine öffentliche Pinnwand dar, auf der jeder Nutzer einen Beitrag hinterlassen kann. Die Plattform stellt den interaktiven Informationsaustausch sicher und unterstützt die Verbreitung von Wissen innerhalb der Mitglieder. Die im Rahmen der Community offerierten Leistungen der Marke Telekom stehen in keinem direkten Zusammenhang zu dessen Angebot, welches Produkte und Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation umfasst.[56] Allerdings lässt sich sagen, dass die Nutzer einer designorientierten Wohnplattform durchaus eine Zielgruppe der Telekom darstellen könnten, da diese Wert auf Design und Qualität legen und somit bereit sein könnten, für einen guten Service und qualitative Produkte das Preisniveau der Telekom zu...