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Buddhismus verstehen

Geschichte und Ideenwelt einer ungewöhnlichen Religion

AutorPerry Schmidt-Leukel
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783641193935
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
»Über den Buddhismus gibt es viele Klischees - ich möchte einige geraderücken.«
(Perry Schmidt-Leukel)

Buddhismus ist kein Accessoire für einen spirituell weichgespülten Lebensstil, sondern eine echte Religion. Diese hoch gerühmte Einführung stellt ihre Geschichte und ihre Lehren in einzigartig klarer Weise vor. Aus den Quellen gearbeitet räumt sie mit manchem Missvertändnis auf und zeigt: Auch ohne den Buddhismus romantisch zu verklären, bietet er doch eine Fülle an metaphysischen, ethischen und geistlichen Einsichten, die auch den Westen bereichern können.


  • Entstehung und Ideenwelt einer Weltreligion in neuem Licht
  • Lebendig in der Darstellung, verlässlich im Urteil
  • Von einem herausragenden, international anerkannten Autor


Perry Schmidt-Leukel ist Professor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Universität Münster und Vorstand des dortigen 'Seminars für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie'. Verfasser und Herausgeber zahlreicher Werke zur Fundamentaltheologie, zur Theologie der Religionen und zum interreligiösen Dialog. 2015 hielt er als erster Deutscher seit fünfundzwanzig Jahren die international renommierten Gifford Lectures und zählt zu den weltweit renommiertesten Vordenkern im Feld der Religionsbegegnung.

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Leseprobe

EINFÜHRUNG

»Glauben verstehen«, »Buddhismus verstehen« – ist das überhaupt möglich? Und wenn ja, wie? Was würde es bedeuten, den Buddhismus zu verstehen? Müsste man dazu ein Buddhist sein (oder werden)? Und von welcher Art Buddhismus sprechen wir eigentlich? Gibt es nicht viel zu viele unterschiedliche Arten von Buddhismus? Ist er nicht eine extrem vielgestaltige Religion, die in Thailand oder Sri Lanka ganz anders aussieht als etwa in Japan, Korea oder Tibet – ganz zu schweigen von Europa oder Amerika? Ist diese Vielfalt nicht viel zu groß, als dass man sie »verstehen« könnte? Und ist der Buddhismus heute nicht ganz anders, als er es zu Anfang vor ungefähr 2500 Jahren war? Wie viel müssen wir über die Geschichte dieser facettenreichen Religion wissen, um sagen zu können, dass wir zu einem gewissen Verständnis gelangt sind?

Solche Fragen sind völlig berechtigt, und es ist wichtig, sich ihnen von Anfang an zu stellen, um sich unmissverständlich darüber im Klaren zu sein, dass wir niemals so etwas wie ein allumfassendes Verständnis des Buddhismus erreichen können (auch nicht die fachkundigsten Experten). Außerdem sollten wir uns dessen bewusst sein, dass der Buddhismus (und in einem ähnlichen Sinn jede Religion) aus zwei grundlegenden Komponenten besteht. Zum einen sind dies die Buddhisten: die wirklichen, konkreten Menschen. Sie lebten und leben unter dem Einfluss und mit der Inspiration der zweiten Komponente, der buddhistischen Tradition. Wilfred Cantwell Smith (1916-2000) betonte, dass das, was wir gewöhnlich als »eine Religion« bezeichnen, im Wesentlichen aus diesen beiden Elementen besteht: der »kumulativen Tradition« und dem »persönlichen Glauben« all jener, die in der jeweiligen Tradition leben (siehe Smith, 1978). Der Begriff »Tradition« umfasst hier die Schriften, Lehren, Glaubenssätze, Philosophien, Regeln, Vorschriften, Institutionen, Gebäude, Rituale, Gesänge, Gebete, Gewohnheiten, Kunstwerke usw. – also alles, was man als Gegenstand der Geschichte beobachten und untersuchen kann. Demgegenüber bezeichnet »Glaube« das, was die Tradition den einzelnen Personen jeweils bedeutet, oder besser noch: was ihnen das Leben selbst im Licht der jeweiligen Tradition bedeutet. Durch ihren persönlichen, existenziellen Glauben stellen Menschen eine Beziehung zwischen sich und dem her, was sie als Realität wahrnehmen und was sie als letzte, transzendente Wirklichkeit akzeptieren. Glaube und Tradition sind wechselseitig voneinander abhängig. Der Glaube drückt sich in einer konkreten religiösen Tradition aus. Deswegen verändert und transformiert sich die Tradition ständig, mit jeder neuen Generation, die in diese Tradition eintritt, und mit jeder neuen Umgebung, in die die Tradition vordringt. Ohne den Glauben würde die Tradition sterben. Umgekehrt prägt und nährt die Tradition jedoch auch den Glauben. Ohne die Inspiration einer lebendigen Tradition wäre der Glaube von seinen wichtigsten Ressourcen abgeschnitten: den Erfahrungen und Gedanken ganzer Generationen von Menschen, die in der Tradition aufbewahrt und verdichtet wurden und die deshalb dazu dienen können, andere Menschen mit derselben letzten Wirklichkeit in Kontakt zu bringen, auf die jene früheren Generationen ihr Leben ausgerichtet haben.

Das, woraus eine religiöse Tradition besteht, lässt sich unmittelbar beobachten und studieren. Glaube hingegen kann auf diese Weise nicht untersucht werden. Und doch ist es unerlässlich, den Glauben zu verstehen, wenn wir die entsprechende Tradition verstehen wollen. Denn andernfalls verfehlen wir das eigentliche Herz der Tradition. Wir müssen verstehen, was die Tradition den wirklichen Menschen, die ihr folgen, bedeutete und immer noch bedeutet. Es geht also darum, Menschen zu verstehen. Aber um die Menschen zu verstehen, müssen wir sie so verstehen, wie sie sich selber verstehen. Andernfalls haben wir nicht sie verstanden. Heißt das, dass wir ihren Glauben teilen müssten, um sie verstehen zu können? Einige Religionswissenschaftler, wie zum Beispiel Raimon Panikkar (1978, S. 9f.), haben tatsächlich darauf bestanden, dass wir nur dann den Glauben anderer so verstehen können wie sie selbst, wenn wir von der Wahrheit ihres Glaubens überzeugt sind. Ich halte diese Auffassung für übertrieben, denn sie würde bedeuten, dass es unmöglich ist, den Glauben eines anderen zu verstehen und ihn doch gleichzeitig als falsch abzulehnen. Nach Panikkar wäre jede Ablehnung eines Glaubens darauf zurückzuführen, dass man ihn nicht versteht. Doch diese Konsequenz ist eindeutig absurd, denn sie lässt keinen Raum für eine Ablehnung, die zugleich sachkundig und berechtigt ist. Allerdings betont Panikkar zu Recht, wie wichtig es ist, die Dinge aus der Perspektive des Insiders, mit dessen Augen, zu betrachten. Um Wilfred Cantwell Smith zu zitieren (1997, S. 132f.):

... will man den Glauben der Buddhisten verstehen, so darf man nicht auf das blicken, was »Buddhismus« genannt wird. Vielmehr sollte man, soweit wie möglich, auf die Welt blicken, und zwar mit buddhistischen Augen. Um das zu können, muss man die Einzelheiten dessen kennen, was ich die buddhistische Tradition genannt habe ...

Diese Behauptung beruht auf zwei sehr wichtigen Prämissen. Zum einen müssen wir uns die buddhistische Tradition ansehen, um durch sie hindurch sehen zu können. Wir müssen verstehen, wie diese Tradition Buddhisten quasi als jene Brille diente, durch die sie ihr Leben und ihre Welt betrachteten. Zum anderen, wie Smith an anderer Stelle (1979, S. 137) sagte, sind irgendwelche Wahrheiten, die sich dabei vielleicht finden lassen, streng genommen, keine buddhistischen, sondern kosmische Wahrheiten, keine Wahrheiten im Buddhismus, sondern Wahrheiten im Universum, wie Buddhisten sie gesehen haben.

Von diesen beiden Prämissen lasse ich mich in den folgenden Kapiteln leiten. Das heißt, zum einen konzentriere ich mich auf grundlegende buddhistische Einblicke in das Leben, in seine existenziellen Herausforderungen, seine Hoffnungen und seine Verheißungen, weil ich an den Wahrheiten interessiert bin, die Buddhisten hier möglicherweise entdeckt haben. Zum anderen befasse ich mich mit den historischen Kontexten und Entwicklungen buddhistischer Ansichten. Ich zeige auf, wie die buddhistischen Ideen miteinander vernetzt sind und welche innere Logik meines Erachtens hinter ihrer geschichtlichen Weiterentwicklung steht. Ich gehe dabei freilich recht selektiv vor. Angesichts des hohen Alters dieser Tradition und der überaus vielfältigen Formen, die der Buddhismus innerhalb der unterschiedlichen Kulturen angenommen hat, in denen er sich ausbreitete, ist dies unvermeidlich. So konzentriere ich mich mehr auf die formative Periode und nicht so sehr auf die späteren Entwicklungen. Denn was später kam, lässt sich dann am besten verstehen, wenn man weiß, wie es vorher war. Und ich befasse mich mehr mit buddhistischen Ideen als mit praktischen oder soziologischen Aspekten. Das ist ein eher konservativer Ansatz, der heute oft als antiquiert, wenn nicht sogar als überholt abgelehnt wird. Aber ich habe mich dennoch für diesen Ansatz entschieden, weil ich davon überzeugt bin, dass unsere Praxis ganz erheblich von unseren Ideen bestimmt wird. Außerdem ist es in jedem Fall einfacher, eine Praxis mit Hilfe der ihr zugrunde liegenden Ideen zu verstehen als umgekehrt. Ich lehne das marxistische Dogma ab, dem sich heute so viele Soziologen verschrieben haben, wonach Religionen lediglich das Produkt und Epiphänomen ihrer sozialen Umgebung und der ökonomischen Bedingungen seien. Zweifellos sind Religionen in nicht unerheblichem Maße auch durch ihren sozio-ökonomischen Kontext bedingt, aber das Gegenteil ist nicht weniger wahr: Religionen haben ihrerseits Gesellschaften geprägt und verändert. In jedem Fall liefern soziologische Deutungen keine erschöpfende Erklärung für unser religiöses Leben.

In einer anderen Hinsicht bin ich jedoch weit weniger konservativ: Ich teile nicht die in den Religionswissenschaften vielfach immer noch vorherrschende Ansicht, dass ein Wissenschaftler eine vollkommen neutrale und objektive Darstellung des Forschungsgegenstandes bieten muss. Ich glaube, dass es (zumindest im Bereich der Religionen) unmöglich ist, vollkommen objektiv und neutral zu sein. Selbstverständlich dürfen wir die religiösen Ideen und das konkrete Datenmaterial, mit dem wir uns beschäftigen, nicht absichtlich verfälschen. Aber wenn wir versuchen, eine bestimmte Religion zu verstehen, sind es doch immer wir, die das tun. Und wir sind kein unbeschriebenes Blatt. Wenn wir tatsächlich versuchen, die Welt mit buddhistischen Augen anzuschauen, und das, was wir dabei sehen, ernst nehmen, wenn wir uns den buddhistischen Ansichten aussetzen und versuchen, zu begreifen, was Buddhisten verstanden haben, dann wird uns dies persönlich berühren und herausfordern. Unsere eigene Persönlichkeit ist also immer ein konstitutiver Bestandteil dieses Verstehensprozesses, und die Frage, was all dies für unser eigenes Leben bedeuten könnte, wird immer irgendwie in der Luft liegen. Diesen Sachverhalt sollten wir weder leugnen, noch ignorieren, noch ausklammern, sondern damit ganz offen und bewusst rechnen. Während also Objektivität und Neutralität meiner Meinung nach illusionäre Ziele darstellen, so können und sollten wir uns jedoch um Aufrichtigkeit und eine reflektierte Subjektivität bemühen.

Zweifellos sind auch meine eigene Wahrnehmung des Buddhismus und meine fortdauernden Bemühungen, Buddhisten zu verstehen, durch meinen persönlichen Hintergrund beeinflusst, der primär vom Christentum geprägt ist. Seit über zwanzig Jahren ist jedoch mein eigener spezifischer Weg des...

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