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Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg

Wahlbeteiligung, Wahltypen und Sozialprofil

AutorAlexandra Klein
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl254 Seiten
ISBN9783170241473
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis38,99 EUR
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind die zentralen Ansprechpartner/-innen der lokalen Politik. Ihre politische Stellung, ihre Aufgaben, vor allem aber ihre Wahl und Wiederwahl sind seit einigen Jahren wesentlicher Bestandteil der empirischen Politikforschung. Dieser Band zu Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg überprüft die bisherigen Ergebnisse der empirischen Politikforschung und erweitert zugleich den Blick auf die Beteiligung im Rahmen von Kommunalwahlen. Die politische Kultur in Baden-Württemberg führt zu einigen Besonderheiten, die sich auf die Wahlbeteiligung auswirken.

Dr. Alexandra Klein schloss die Ausbildung als Verwaltungswirtin an der Fachhochschule Kehl ab. Anschließend studierte sie an der Universität Mannheim und promovierte nach einigen Jahren der Berufstätigkeit am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen. Seit 2005 ist sie Lehrbeauftragte an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg.

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Leseprobe

1 Einleitung


1.1 Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg


In demokratischen Staaten sind Wahlen der zentrale Mechanismus, um den oder die Herrschenden zu legitimieren. Die Wahlberechtigten übertragen dabei die politische Macht für eine bestimmte Zeit auf Mandatsträger, die dann die politischen Entscheidungen treffen (Caballero 2005). Somit ermöglichen Wahlen eine generelle und umfassende Teilhabe (Lijphart 1997).

In Deutschland können die Wähler Parteien oder deren Mitglieder wählen. Außerdem bestimmen sie üblicherweise, wie sich Gremien und Parlamente zusammensetzen. Diese wählen oder bestätigen dann die Exekutive. Eine Ausnahme sind die Bürgermeister.1 Sie werden nicht von den Gemeinderäten gewählt, sondern direkt durch die Bürger. Baden-Württemberg und Bayern haben eine lange Tradition dieser Direktwahl des Bürgermeisters. Die anderen Bundesländer führten sie erst in den 1990er Jahren nach und nach ein. Inzwischen werden die Bürgermeister in allen Bundesländern direkt gewählt. Dennoch unterscheiden sich die baden-württembergischen Bürgermeisterwahlen immer noch von Wahlen in anderen Bundesländern: Einerseits weichen die Wahlregeln von denen in anderen Bundesländern ab, andererseits haben sich im Laufe der Jahre besondere Traditionen herausgebildet. Sowohl die Bewerber als auch die Wähler folgen bestimmten Mustern. Beispielsweise bevorzugen die Wähler offensichtlich einen ganz bestimmten Bürgermeistertyp. Sie favorisieren jüngere, parteiunabhängige Verwaltungsexperten von außerhalb der Gemeinde (Wehling/Siewert 1984; Wehling 2009: 18). Die erfolgreichen Bewerber entsprechen in hohem Maße diesem Profil. Zudem ist es Teil der politischen Kultur in baden-württembergischen Gemeinden und Städten, dass Bürgermeister, die sich um ihre Wiederwahl bewerben, selten ernsthaft herausgefordert werden.

Zu den rechtlichen Regelungen in Baden-Württemberg zählt, dass es für Bewerber nur geringe Beschränkungen für eine Kandidatur gibt. In Gemeinden genügt ein Bewerbungsschreiben mit wenigen Anlagen wie etwa eine Wählbarkeitsbescheinigung. In Städten mit über 20.000 Einwohnern benötigen die Bewerber seit einigen Jahren zusätzlich eine überschaubare Zahl2 von Unterstützungsunterschriften.

Parteien können in Baden-Württemberg keine Bewerber vorschlagen. Dadurch unterscheiden sich die Bürgermeisterwahlen hier von denen in fast allen anderen Bundesländern.3 Parteiinterne Auswahl- oder Nominierungsverfahren von Bewerbern sind formal wirkungslos. Vielmehr sind Parteien durch das Wahlrecht darauf beschränkt, qualifizierte Personen zu einer Bewerbung zu ermuntern und sie im Wahlkampf zu unterstützen.

Auf den Stimmzetteln ist eine eventuelle Parteizugehörigkeit der Bewerber nicht vermerkt. Viele Bewerber sind auch parteilos. Wenn Parteimitglieder antreten, betonen sie fast ausnahmslos, dass sie sich als unabhängige Bewerber verstehen und nicht als Mitglied einer Partei und dass sie als Bürgermeister keine Parteiinteressen vertreten werden. Die Wähler bevorzugen ihrerseits unabhängige Bewerber. Sie reagieren teilweise ausgesprochen kritisch auf Empfehlungen für einzelne Bewerber durch Parteien oder Fraktionen des Gemeinderats. In größeren Städten ist allerdings ein Bürgermeisterwahlkampf ohne finanzielle und personelle Unterstützung durch eine Partei für die Bewerber fast nicht zu bewältigen (Gehne/Holtkamp 2002: 103; Naßmacher/Naßmacher 2007: 225).

Neben den aufgelisteten Bewerbern gibt es auf den Stimmzetteln noch ein freies Feld, auf dem die Wähler zusätzliche Bewerber vorschlagen können. Die Wahlberechtigten scheinen sich dieser Möglichkeit in den letzten Jahren immer bewusster zu werden. Bei der Oberbürgermeisterwahl in Nürtingen im Herbst 2011 zum Beispiel ergänzte bei der Neuwahl fast ein Drittel der Wähler einen Namen: Bemerkenswert viele dieser Stimmen fielen auf die Beigeordnete der Stadt Nürtingen, die sich nicht beworben hatte. Dabei erregte es bundesweit Aufmerksamkeit, dass sich Wahlberechtigte, die mit dem Bewerberangebot unzufrieden waren, organisierten und in Netzwerken im Internet zur Wahl der Beigeordneten aufriefen und Handzettel an Haushalte verteilten. Eventuell motivierte gerade die Möglichkeit, einen Bewerber ergänzen zu können, besonders viele Bürger, überhaupt wählen zu gehen.

Trotz des offenen Bewerbungsverfahrens mit geringen Hürden scheinen sich jedoch in den letzten Jahren weniger Kandidaten zu bewerben.4 Oft sind die amtierenden Bürgermeister die alleinigen Kandidaten. Bei diesen Wahlen ist vor allem spannend, wie viele Wähler deren Wiederwahl zustimmen. Außerdem bangen die Amtsinhaber darum, wie viele Wahlberechtigte sich überhaupt beteiligen, wenn keine wirkliche Auswahl besteht. Dabei scheint unklar zu sein, welche Höhe der Wahlbeteiligung als hoch oder gering einzuschätzen ist, denn die Beteiligung bei baden-württembergischen Bürgermeisterwahlen ist nur für einzelne Wahlen bekannt. Ein Vergleich über mehrere Jahre ist bisher nur für einzelne Gemeinden möglich. In der Literatur (Naßmacher 2006; Pähle 2008) wird davon ausgegangen, dass die Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen wie auch bei anderen Wahlen in den vergangenen Jahrzehnten gesunken ist.

Die gesunkene Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen seit Mitte der 1980er Jahre hat viele Forschungsarbeiten zu Stimmenthaltung und Wahlbeteiligung angestoßen (z. B. Feist 1992; Falter/Schumann 1993; Armingeon 1994; Eilfort 1994; Falter/Schumann 1994; Feist 1994; Kleinhenz 1995; Kersting 2004). Über die Bewertung der sinkenden Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen gibt es dagegen nur wenige Einschätzungen. Feist (1992) wertet sie als Krise, da darin die zunehmende Entfremdung der Wähler vom politischen System zum Ausdruck kommt.

Pähle (2008: 249) geht davon aus, dass die sinkende Wahlbeteiligung zu einer „Legitimationslücke“ führt, da immer weniger Bürger die Amtsinhaber bestätigen. Vetter (2008: 50) sieht ebenfalls eine Abhängigkeit zwischen der Legitimation der Entscheidungsträger und der Beteiligung der Wähler: Beteiligung macht Demokratie aus und fördert die Rückbindung der politischen Entscheidungen an die Interessen der Wähler.

Schmidt (2000) sieht im „Rückzug eines Großteiles des Staatsvolkes aus der politischen Beteiligung“ gar eine bestandsgefährdende Herausforderung für Demokratien (Schmidt 2000: 535). Zwar gesteht er ein gewisses Maß an Apathie und Indifferenz und auch eine weitere Abnahme des Vertrauens in die politischen Institutionen zu. Er lässt jedoch offen, wo er die Grenze sieht. Wenn sich aber ein Großteil der Wähler aus Opposition zu den Regeln der Mitwirkung und Entscheidungsfindung zurückzieht, sieht er die Demokratie gefährdet. Wehling (2009: 15) zieht die „kritische Grenze“, bei der sich die Frage nach der Legitimation des gewählten Bürgermeisters stellt, bei einer Beteiligung von 20 bis 30 Prozent der Wahlberechtigten.

„Die Politische-Kultur-Forschung ist nie davon ausgegangen, dass eine hohe Wahlbeteiligung bereits als ein Zeichen für eine funktionierende Demokratie angesehen werden kann“ (von Beyme 2004: 83). Eine hohe Wahlbeteiligung kann sowohl als Zustimmung als auch als Ablehnung gedeutet werden. Insofern lässt sich anhand der Wahlbeteiligung in den Augen einiger Forscher keine Aussage über die Legitimation des gewählten Bürgermeisters treffen.

Entsprechend sieht Roth (1992: 58) in der rückgängigen Wahlbeteiligung in Deutschland kein Symptom für eine Krise. Vielmehr passe sich die bisher sehr hohe Wahlbeteiligung an ein niedrigeres Niveau an. Er geht davon aus, dass Wähler generell eher motiviert sind, an einer Wahl teilzunehmen, wenn sie ihren Protest in eine Wählerstimme umsetzen können. Für die Wahl zu Gremien nimmt deshalb mit einer höheren Wahlbeteiligung auch der Anteil der Wähler radikaler Parteien zu. Es ist deshalb wichtig zu wissen, aus welchen Gründen die Wahlbeteiligung teilweise hoch oder gering ist.

Naßmacher und Naßmacher (2007: 226) stellen im Hinblick auf die Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen fest: „Gleichwohl können hier keine generellen Aussagen gemacht werden. Die Wahlbeteiligung schwankt in den einzelnen Bundesländern und Städten sehr stark Sie ist auch nicht den Gemeindegrößen zuzuordnen. Intensive Forschungen wären notwendig, um die Ursachen für hohe oder niedrigere Wahlbeteiligung herauszufinden.“ Hier setzt die vorliegende Forschungsarbeit an und geht der Frage nach, welche Faktoren die Wahlbeteiligung von Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg bestimmen.

Tatsächlich folgt die Bürgermeisterwahl nicht nur anderen Regeln, sondern auch die Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg unterscheidet sich von anderen Wahlen. Sie reicht von sehr hohen bis zu extrem niedrigen Wahlbeteiligungen. Es gab Bürgermeisterwahlen, bei denen sich über 90 Prozent der Wahlberechtigten in einer Gemeinde beteiligten; es sind aber mehr Wahlen bekannt, bei denen weniger als ein Drittel ihr Wahlrecht nutzten. Bei keinen anderen Wahlen in Baden-Württemberg ist die Wahlbeteiligung teils derart niedrig. Zunächst soll deshalb ein Überblick über die Höhe der Wahlbeteiligung bei badenwürttembergischen Bürgermeisterwahlen gewonnen werden. Die Bürgermeisterwahlen werden anhand der Wahlbeteiligung typisiert. So lässt sich feststellen, ob und wie sich die Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen – wie auch bei anderen Wahlen – im Laufe der Jahre verändert hat.

Offenbar gibt es nicht nur Unterschiede in der Wahlbeteiligung zwischen den Gemeinden, die Beteiligung bei Bürgermeisterwahlen kann in einer Gemeinde oder Stadt von einer Wahl zur anderen stark variieren: Bei der Datenerhebung für...

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