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Bulimie im Jugendalter - Ursachen, Folgen und Präventionsmaßnahmen

Ursachen, Folgen und Präventionsmaßnahmen

AutorIna Nass
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl132 Seiten
ISBN9783638510516
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 1,5, Pädagogische Hochschule Heidelberg, 43 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Sie ist die weiblichste aller Essstörungen. Sie ist die Essstörung, an welcher der größte Anteil der essgestörten Frauen der westlichen Kultur leidet, und sie ist die Essstörung, die am meisten verheimlicht wird - die Bulimie. Sie wurde erst in den Achtziger Jahren dieses Jahrhunderts beschrieben, aber ist spätestens seit Prominente, wie zum Beispiel Prinzessin Diana oder Jane Fonda (vgl. Methfessel, 2000 S. 51) damit an die Öffentlichkeit gingen allgemein bekannt. Es gibt nur wenig eindeutige Statistiken zur Verbreitung der Krankheit. Viele Studien sind nicht repräsentativ (vgl. Stahr et al. 1998, S. 33) und die Dunkelziffer scheint sehr hoch zu sein. Langzeitstudien gibt es nicht bzw. sind ebenfalls nicht repräsentativ (vgl. Remschmidt et al., S. 202). Andere Essstörungen, wie die Anorexie und Adipositas werden durch die körperlichen Folgen von der Außenwelt erkannt, aber bei bulimischen Patientinnen handelt es sich oft um normalgewichtige, erfolgreiche Jugendliche und Frauen. Sie führen häufig ein Doppelleben und selbst ihre engsten Verwandten, Partner und Freunde wissen nichts von dem bulimischen Verhalten. Doch da sie meist extrem unter ihrer Ess-Brech-Sucht und den Folgen leiden, ist es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten. Eine Behandlung verspricht am meisten Erfolg, wenn sie frühzeitig beginnt (vgl. Buddeberg-Fischer, 2000, S. 4). Deshalb sollten Eltern, Lehrer und Freunde feinfühlig auf Anzeichen von Essstörungen und speziell Bulimie reagieren, da sie oft jahrelang unentdeckt bleibt. Die Krankheit scheint ein verlockendes Mittel zu sein, um schlank zu bleiben, obwohl ohne Hemmungen gegessen werden kann. Es sind immer mehr Jugendliche und junge Frauen davon betroffen. Die körperlichen Folgen, die Auswirkungen auf das soziale Umfeld und die Psyche der Betroffenen sind jedoch enorm, der Leidensdruck ist sehr groß (vgl. Gerlinghoff et al., 2004, S. 14-15). Diese wissenschaftliche Hausarbeit soll einen theoretischen Überblick über das Erscheinungsbild der Bulimie geben und sie in Bezug zu anderen Essstörungen und psychischen Problemen setzen. Die Definition der Krankheit, ihren Verlauf, Eigenheiten und Epidemiologie werden im ersten Teil betrachtet. Ein weiterer Schwerpunkt ist die intensive Auseinandersetzung mit den Ursachen der Bulimie, denn nur wenn man diese versteht, kann man die Brücke zu einer erfolgreichen Therapie schlagen und gute praxisorientierte Präventionsmaßnahmen entwickeln.

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Leseprobe

3   Das Störungsbild

 

Das Störungsbild der Bulimie fängt bei Angst vor Übergewicht an und endet in Ess-Brechanfällen oder dem Missbrauch von anderen Mitteln zur Gewichtsregulation. Oberflächlich betrachtet handelt es sich um eine Essstörung, die behoben werden kann, indem das Essverhalten normalisiert wird, aber so einfach ist es nicht. Die Symptomatik ist weit gefächert. In diesem Kapitel werden nicht nur die gestörten Verhaltensweisen bezüglich des Essens beschrieben, sondern auch die psychische Komponente. Die Bulimie drückt psychische Probleme der Betroffenen aus. Die Bulimikerin versucht durch die Krankheit Spannungen abzubauen, sie versucht somit Probleme zu lösen. Dieser Trugschluss soll näher beleuchtet und untersucht werden. Wichtig zu bedenken ist, dass diese Essstörung sich körperlich zeigt, wobei die Probleme der Betroffenen aber sehr viel tiefer liegen. Deshalb ist es durch eine bloße Beschreibung der Essanfälle und der Folgen nicht getan. Die Gefühle, die eine betroffene Person dabei empfindet und welche psychischen Komponenten mitspielen, dürfen nicht vergessen werden und sind deshalb Schwerpunkte des folgenden Kapitels.

 

3.1   Symptomatik

 

3.1.1   Bulimisches Essverhalten

 

3.1.1.1   Essanfälle

 

Ein Heißhungeranfall wird definiert als impulsive Nahrungsaufnahme, der in diesem Moment genussvoll nachgegangen wird, die aber außerhalb des Heißhungeranfalls nicht mehr nachvollzogen werden kann (vgl. Habermas, 1990, S. 18.) Bei der Bulimie wird nicht der Körper beherrscht, wie es bei der Anorektikerin der Fall ist. Die Bulimikerin beherrscht das Essen bzw. wird von ihm beherrscht. Sie versucht dadurch andere Dinge zu kompensieren. Oft braucht sie das Essen in Phasen innerer Leere und wenn sie Angst hat (Heinemann/Hopf, 2001, S. 193). Bulimie ist eine Hassliebe zum Essen. Die Nahrung wird benutzt, um Gefühle, wie zum Beispiel die innere Leere, aufzufüllen. Der Bulimie gehen normalerweise mehrere Diätversuche voraus. Die Mangelernährung führt dann jedoch zu Heißhungerattacken. Die Bulimikerin bekommt einen Essanfall und isst große Mengen kalorienreicher Nahrung. Sie verliert dabei die Kontrolle über sich selbst. Nach dem Essanfall hat sie ein schlechtes Gewissen und ekelt sich vor sich selbst. Sie meint sie sei ‚schlecht’ und versucht durch das Erbrechen der Nahrung die Kontrolle zurück zu gewinnen. Bulimikerinnen wissen normalerweise, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, deshalb schämen sie sich und behalten ihr Geheimnis für sich (vgl. Johnson Institute, 1998, S. 8-9, Übersetzung der Verfasserin).

 

Auslöser

 

Ein Essanfall kann sich aus einer normalen Nahrungsaufnahme heraus entwickeln. Ist bei einem gewöhnlichen Essen ein bestimmtes Maß überschritten, denkt sich die Bulimikerin, dass es nun sowieso zu spät sei. Sie habe ihre Diätregeln schon verletzt und isst nun weiter, damit sich das Erbrechen auch lohnt. Das Aufnehmen von etwas mehr Nahrung als erlaubt oder von verbotenen Nahrungsmitteln wird als Kontrollverlust erlebt (Bauer et al., 2002, S 43). Aber nicht nur die Nahrung selbst kann Auslöser für einen Essanfall sein. Viele negative Gefühle oder Ereignisse wecken in der Bulimikerin unbewusst den Wunsch zu Fressen. Bei einer Stichprobe von 39 befragten Bulimikerinnen gaben sie folgende auslösende Kriterien an:

 

„67% Einsamkeit und Alleinsein;

 

54% Streß, Gefühl der Lähmung, Unterdrückung durch andere;

 

38% Zustände der inneren Leere, Langweile, oder Entfremdung;

 

38% Wut, Ärger;

 

36% Ängste, verlassen zu werden; Enttäuschungen durch andere;

 

21% Traurigkeit, Deprimiertsein;

 

15% Hunger, Appetit;

 

13% Frustriertsein, Unzufriedenheit;

 

8% Müdigkeit, Kraftlosigkeit.“

 

(Habermas,1990, S. 18)

 

Die Diagnosekriterien verlangen mindestens zwei Essanfälle pro Woche, um von Bulimie im medizinischen Sinn sprechen zu können. Einige Bulimikerinnen planen ihre Essanfälle. Sie kaufen die Nahrungsmittel vorher ein und wissen sogar die Reihenfolge des zu verspeisenden Essens. Der Anfall fällt dann meist in die Abend- oder Nachtstunden, da die Bulimikerinnen sich dann unbeobachtet fühlen, wenn sie mit jemandem zusammen wohnen.  Die Nahrung wird sehr oft schnell und hektisch verschlungen. Oft wird kein Besteck verwendet. Die bevorzugten Nahrungsmittel sind die, welche die Bulimikerin außerhalb des Fressanfalls, während des Diätierens meidet: Fette kohlenhydratreiche Nahrung, die leicht zu erbrechen ist. So kann es sein, dass an einem Tag bis zu 50 000 Kalorien über den Tag verteilt aufgenommen und erbrochen werden. Im Durchschnitt sind es jedoch 3500 Kalorien bei einem Anfall (vgl. Bauer et al., 2002, S. 12 und Habermas, 1990, S. 17-19).

 

Manche haben bestimmte Rituale entwickelt, die sie für sinnvoll halten, wenn sie einen Fressanfall haben. Sie tragen bestimmte Kleidung oder essen die Nahrungsmittel in einer bestimmten Reihenfolge. Einige erbrechen mehrere Male und essen dazwischen immer wieder, andere essen und erbrechen nur einmal. Nach der Ess-Brechattacke wird alles geputzt und jegliche Spuren entfernt (vgl. Gerlinghoff, 1998, S. 17-24). Wie schon gesagt, übergibt sich der Großteil der Bulimikerinnen nur nach einem Essanfall. Zwischen den Anfällen wird sehr gesund gelebt oder eine strikte, oft zu extreme, Diät gelebt. Eine geringe Zahl, 5 %, übergibt sich auch, obwohl zuvor nicht viel gegessen wurde (vgl. Habermas, 1990, S.17).

 

Im Durchschnitt kommt es zu 11,7 Anfällen in der Woche und etwa die Hälfte der Betroffenen hat mindestens ein Mal am Tag einen Essanfall. Die weiteren 50% haben drei bis fünf Heißhungeranfälle pro Woche. Dies geschieht meistens am Abend und da Bulimikerinnen sich für ihr Verhalten schämen geschieht es nur, wenn sie allein sind (vgl. Schulte und Böhme-Bloem, 1990, S. 37 in Heinemann/Hopf, 2001, S. 191). Die Essanfälle sind also eine Frage der Gelegenheit. Aber fehlt das nötige Kleingeld für die großen Mengen an Nahrungsmitteln, kommt es häufig zu einem weiteren Problem. Für Bulimikerinnen gibt es, wie bei Drogenabhängigen, eine Beschaffungs-problematik. Sie versuchen die Krankheit geheim zu halten, aber beim Fehlen der vielen Nahrungsmittel fällt ihr Verhalten zwangsläufig auf, also werden die Nahrungsmittel nur anfangs von zu Hause genommen. Sind sie in Gefahr entdeckt zu werden, kaufen sich jugendliche Bulimikerinnen die Nahrungsmittel von ihrem Taschengeld. Manche gehen zusätzlich jobben, um sich die Fressanfälle leisten zu können. Reicht auch das nicht, werden Geld oder Nahrungsmittel direkt gestohlen (Gerlinghoff, 1998, S. 20).

 

Wie schon erwähnt, kommt es auch bei anderen Essstörungen zu Essanfällen.  Nach Vandereycken und Meermann müssen drei Punkte erfüllt sein, um von Fressanfällen, eingebettet in eine bulimische Symptomatik, sprechen zu können. Wie viel Essen wird bei einem Anfall verzehrt? Bulimikerinnen berichten vielleicht von einem Essanfall, aber eine Person, die ständig Diäten macht und die Lebensmittel in erlaubt und verboten einteilt, spricht von einem Essanfall, wenn sie sich ein Stück Schokolade gönnt. Ein Zuviel liegt immer im Auge des Betrachters. Für Frauen, die sich viele Gedanken ums Essen und Nicht-Essen machen, bedeutet ein kleiner Verstoß gegen ihre strengen Nahrungs-vorschriften schon als zu viel. Deshalb können sie schon beim Essen eines Stücks Schokolade von einem Essanfall sprechen. Ein wirklicher Fressanfall bedeutet allerdings, dass die Frauen sehr viel Nahrung zu sich nehmen. Da das Viel relativ ist, sprechen Vandereycken und Meermann von beispiesweise der doppelten Menge einer normalen Mahlzeit. Auch Habermas merkt an, dass ein Fressanfall immer im Auge des Betrachters liegt. Kleine Abweichungen innerhalb eines strikten Diätplans kann für die Betroffenen schon als Essanfall erlebt werden. Allerdings, so berichtet Habermas, kann es sich auch um Anfälle handeln, bei denen im Einzelfall bis zu 10 000 Kalorien zu sich genommen werden. Im Durchschnitt liegt die aufgenommene Kalorienzahl bei einem bulimischen Essanfall bei 3000 – 4000 (vgl. Habermas, 1990, S. 18).

 

Der zweite Punkt, um von bulimischen Fressanfällen sprechen zu können bezieht sich auf die Zeitspanne, in der ein solcher Fressanfall stattfindet. Vergleicht man plötzlich auftretende Anfälle,  bei denen innerhalb kurzer Zeit enorm viel Nahrung zu sich genommen wird, mit dem Essverhalten übergewichtiger Menschen, sieht man, dass die Zeitspanne eine wichtige Einheit ist, um von Bulimie sprechen zu können. Ein bulimischer Essanfall findet plötzlich oder auch geplant statt und es werden innerhalb von einer halben Stunde bis Stunde viele Kalorien zu sich genommen. Übergewichtige Menschen nehmen oft über den Tag verteilt mehrmals kalorienreiche Nahrung zu sich und essen bei den Hauptmahlzeiten zu ungesund, nicht unbedingt zu viel. Die Nahrungsaufnahme beschränkt sich auf fettige, süße Speisen, was zur Gewichtszunahme führt. Oft werden diese Mahlzeiten sehr...

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