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E-Book

Burn Out

Der Klimawandel und das Endspiel der fossilen Brennstoffe

AutorDieter Helm
VerlagHerbig
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783784434865
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Niedrige Ölpreise erschüttern die Weltwirtschaft. Der renommierte Energieexperte Dieter Helm erklärt, warum diese und besonders technologische Veränderungen unzweifelhaft ankündigen, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe zu Ende geht. In seinem neuen provokativen Buch weist er nach, dass neue Technologien wie die Nanotechnologie die Nachfrage nach Öl, Gas und Kohle unaufhaltsam reduzieren - und dies schneller und effektiver als das in den Entscheidungszentren von Politik und Wirtschaft gedacht wird. Energiekonzerne und Erdöl exportierende Länder werden die Verlierer dieser Entwicklungen sein, während Staaten, die in neue Technologien investieren, als Sieger im geopolitischen Spiel dastehen könnten. Wie sollen Regierungen und Unternehmen reagieren? Dieter Helms Ratschläge sind radikal und überraschend, denn wir stehen am Beginn eines neuen Energiezeitalters. Mit einem Vorwort von Günther Oettinger.

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Leseprobe

Vorwort und Dank

Wenn Sie das lesen, liegt der Ölpreis vielleicht irgendwo zwischen 20 und 100 Dollar pro Barrel. Er könnte auch darüber oder darunter liegen. Und auch wenn es für Unternehmen, Händler und Kunden von großer Bedeutung ist, wird sich daraus nicht viel über den Preis in mittel- oder langfristiger Sicht ableiten lassen. Dass der Preis im Jahr 2008 bei 147 Dollar lag und Anfang 2016 bei 27 Dollar, besagt lediglich, dass er stark schwankt. Banker, Investoren und Regierungen mögen sich bei dem Ganzen die Finger verbrennen, aber die meisten werden ihre Wunden lecken und noch einmal davonkommen, falls die Preiseinbrüche seit Ende 2014 lediglich Ausreißer waren – und nur dann.

Wenn wir die Zukunft unserer Energieversorgung betrachten, ist die perspektivische Entwicklung entscheidend, nicht der Status Quo; egal, wie spektakulär dieser gerade sein mag. Bis Ende 2014 war man sich allgemein darüber einig, wohin sich die Preise entwickeln würden: immer weiter nach oben. Ganz normale, vernünftige Menschen redeten sich ein, dass die globalen Ölvorkommen zur Neige gehen würden, während die Nachfrage aufgrund der immer weiter wachsenden Volkswirtschaft Chinas und des Aufstiegs anderer Länder in Südostasien, Indien und Afrika praktisch unersättlich wäre. Ein begrenztes und schließlich sinkendes Angebot würde mit einer stets steigenden Nachfrage kollidieren, wodurch es zu einem ökonomischen Schock käme, neben dem die von der OPEC verursachten Ölkrisen in den 1970er-Jahren harmlos wirkten.

Wer das für übertrieben hält, muss nur genauer hinschauen; es lässt sich am Handeln der Unternehmen ablesen und ist eingebettet in die Energiepolitik weltweit, vor allem in Europa. Die Ölunternehmen haben eifrig neue Vorkommen erschlossen, bei denen die Kosten bis zu 100 Dollar pro Barrel oder noch mehr betragen. Sie liegen in der Arktis oder im Teersand Kanadas. Die Unternehmen investierten ihr Geld dort, wohin ihre Analysen sie geführt hatten.

Experten und Institute veröffentlichten Berichte und Bücher über Peak Oil, die These vom Ölfördermaximum, nach welcher die Ölproduktion unumkehrbar zurückgehen werde. Sie drängten auf Diversifizierung, um Kunden und Ökonomien vor den kommenden Preisschocks zu bewahren, und Webseiten zum Thema schossen wie Pilze aus dem Boden. Wer Mitte bis Ende der 2000er-Jahre gegen das Ölfördermaximum argumentierte, betrieb eine Art Randsportart und wurde verspottet. Das ging so weiter bis zum Kollaps des Ölpreises Ende 2014.

Umweltschützer und Politiker glaubten die Geschichte vom Peak Oil. Sie redeten viel über den bevorstehenden Ölschock, was den Lobbyisten der Kernenergie und der erneuerbaren Energien natürlich sehr entgegenkam. Diese seien zwar jetzt noch teuer, behaupteten sie, würden sich ab dem Jahr 2020 aber rechnen. Denn dann wären Öl – und vor allem Gas – deutlich teurer als die kohlenstoffarmen Alternativen. In Großbritannien wurde die Kernkraft als langfristiger Gewinner präsentiert. Und in Deutschland redete man sich ein, dass die Energiewende eine gute Strategie für die Industrie wäre, weil sie einen – auf erneuerbaren Energien basierenden – Wettbewerbsvorteil gegenüber den von fossilen Brennstoffen abhängigen USA brächte.

Unternehmen investierten hohe Summen in Projekte, die kaum Gewinn versprachen; Anleger kauften trotzdem Anteile; Banken gaben dafür Kredite; und Energiekunden wurden verpflichtet, umfangreiche Programme für erneuerbare Energien mitzufinanzieren, etwa für Windparks an Land und im Meer sowie die erste Generation der Solaranlagen. Es genügte, wenn ein Lobbyist mit einer Prognose für immer weiter steigende Preise um die Ecke kam.

Doch alles ist anders gekommen, zumindest kurzfristig betrachtet. Es kann sich natürlich wieder ändern, und vielleicht ist dieser Fall auch schon eingetreten, wenn Sie das lesen. Vielleicht aber auch nicht. In diesem Buch geht es nicht um kurzfristige Schwankungen. Es geht darum, warum man heute vernünftigerweise damit rechnen muss, dass die Preise für fossile Brennstoffe mittel- oder langfristig allmählich sinken werden. Es geht um den allmählichen Niedergang der Öl- und Gasindustrie und darum, wie sich dieser Wandel vollziehen wird.

Für viele Umweltschützer ist der Niedergang der fossilen Brennstoffe ein tröstlicher Gedanke und wird am Ende sogar das Problem der Erderwärmung »beheben«. Dabei ist es unwahrscheinlich, dass dieser Wandel reibungslos vonstattengehen oder sich infolge von Kampagnen oder politischen Maßnahmen vollziehen wird. Am Ende werden die Brennstoffe überflüssig sein, und wir werden sie womöglich einfach im Boden lassen – aber das wird kaum die Folge von Boykotten, Demonstrationen und Kampagnen gegen »Fehlinvestitionen« sein.

Der Anflug von Realismus, der Ende 2014 auf den Märkten spürbar wurde, war für viele Unternehmen und Anleger unangenehm, vor allem im Bereich erneuerbare Energien, die nun mit den niedrigen Gaspreisen zu kämpfen hatten, und für Elektrofahrzeuge, die mit Benzin- und dieselgetriebenen Fahrzeugen konkurrieren mussten. Aber das ist nur der Anfang. In den großen ölfördernden Ländern wie Russland oder Saudi-Arabien wird der sinkende Ölpreis das Überleben ihrer autokratischen Regimes und die Lebensgrundlage ihrer Bürger bedrohen. Für die USA und Europa hingegen wird die neue Energiewelt deutlich angenehmer.

Die fossilen Brennstoffe werden an Bedeutung verlieren. Das hat in erster Linie mit einer Verlangsamung des massiven Wirtschaftswachstums in Chinas tun, das für einen Großteil der gestiegenen Rohstoffpreise verantwortlich war; aber auch mit der Gewinnung von Schieferöl und anderen neuen Methoden zur Förderung fossiler Brennstoffe. Darüber hinaus stellen neue Technologien und die sich verändernden wirtschaftlichen Strukturen die Branche vor große Herausforderungen. Wir sprechen hier von Digitalisierung, Robotern, 3D-Druckern, künstlicher Intelligenz und der Anwendung von Kommunikationstechnologien auf die Infrastruktur. Und da in dem Zug fast alles elektrifiziert werden wird, geht es um Strom und darum, wie sich die Erzeugung von Strom sowie seine Übertragung, Verteilung und Nachfrage durch die sich entwickelnde neue Generation von Technologien, durch Elektrofahrzeuge, neue Speichermöglichkeiten, Batterien, eine dezentralisierte Stromerzeugung, durch intelligente Stromnetze, intelligente Stromzähler und Gateways in Haushalten und Unternehmen verändern werden.

Mit der Neuausrichtung der Wirtschaft verändert sich fast alles für die Ölproduzenten, aber auch für die Stromerzeuger: die Kosten, die Natur der Märkte, die Art des Wettbewerbs. Nur wenige der großen, etablierten Unternehmen können mittelfristig damit rechnen, diesen Wandel zu überleben – und wenn, dann nicht auf Dauer.

Erst in der Rückschau, vielleicht im Jahr 2050, werden Historiker diese Entwicklung und die mittel- bis langfristigen strukturellen Veränderungen klar nachzeichnen können. Vorhersagen lässt sie sich nicht genau. Mein Buch befasst sich mit den bis zu einem gewissen Grad vorhersehbaren Überraschungen, die auf uns zukommen, und mit den radikalen Veränderungen unserer Energiezukunft, die sie mit sich bringen. Doch dazu werden sicher neue Technologien kommen, die den Wandel noch weiter beschleunigen.

Ich selbst habe bereits einen außergewöhnlichen technologischen Wandel erlebt. Meine Doktorarbeit tippte ich auf einer Schreibmaschine von Olympia, die ich überall mit mir herumtrug, wie heute meinen Laptop, auf dem ich jetzt mein Buch geschrieben habe. Es gab keine Faxgeräte und keine Textverarbeitungsprogramme, kein Internet, keine E-Mails und kein Google, es gab weder Apple noch Amazon, ja noch nicht einmal Microsoft.

Im Energiesektor gibt es breiten Widerstand gegen die Vorstellung, dass die Zukunft ganz anders aussehen könnte – aber das war fast immer so. Die konventionelle Öl- und Gasgewinnung läuft heute noch fast genauso ab wie vor 50 Jahren. Ähnlich verhält es sich mit den Kohlekraftwerken und Atomreaktoren. Hochspannungsleitungen und -kabel haben sich kaum verändert. Wenn man diejenigen, die für Energieunternehmen arbeiten oder in der Energiepolitik tätig sind, bittet, ihre Vorstellungen von der Entwicklung der kommenden 30 Jahre aufzuschreiben, werden sich diese kaum von den heutigen unterscheiden – mit jeder Menge Öl, Gas und Kohle und einer allmählichen Steigerung bei den aktuellen erneuerbaren Energien.

2013 beschäftigte ich mich mit einem Kraftwerk, das übernommen werden sollte. Die Investoren gaben mehrere Prognosen zur Preisentwicklung in Auftrag, um herauszufinden, wie rentabel die Übernahme sein könnte. Sie ergaben genau das, was ich erwartet hatte – eine Übertragung der Vergangenheit auf die Zukunft. Außerdem entsprachen sie den Prognosen der britischen Regierung bei deren Überlegungen zur Erweiterung des Kernkraftwerks Hinkley Point und der Frage, wie viel britische Steuerzahler für die Energie bezahlen müssten, die das Kraftwerk in den kommenden 35 Jahren erzeugen würde. Auch die Hochrechnungen der Internationalen Energieagentur sahen ähnlich aus.

Doch mir erschien dieser Konsens falsch, und das war er auch. In keiner Prognose wurde auch nur in Betracht gezogen, dass die Zukunft ganz anders aussehen könnte. Auch wenn Anleger und Unternehmen gern einen konkreten Basisfall haben, von dem sie ausgehen können, geht es bei der Modellierung von Energiesystemen nicht um die Prognose einzelner Aspekte. Ein gutes Modell analysiert, wie sich markante Veränderungen auf Märkte und Unternehmen auswirken und wie die Reaktionen und Kausalketten aussehen. Es befasst sich mehr mit der Überlegung »Was wäre wenn« als mit der Frage »wie wird es sein«.

Man benötigt für eine solche...

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