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Cacau - Immer den Blick nach oben

Immer den Blick nach oben

AutorCacau, Elisabeth Schlammerl
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783775171977
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Juli 1999: Der 18 Jahre alte Cacau kommt am Münchener Flughafen an und hofft - ohne Vertrag in der Hand - auf eine Karriere als Profifußballer in Deutschland. Gut zwei Jahre später schießt der Brasilianer sein erstes Tor in der Bundesliga und wechselt 2003 zum VfB Stuttgart. In seiner Biografie erzählt Cacau die Geschichte seines steinigen Weges bis hin zur Deutschen Nationalmannschaft. Es ist die Geschichte eines Mannes mit dem Willen, nie aufzugeben. Nie die Bodenhaftung zu verlieren. Und nicht zuletzt: immer auf Gott zu vertrauen. Inklusive 32-seitigem Bildteil.

Claudemir Jeronimo Barreto, genannt Cacau, wurde 1981 geboren und wuchs in Mogi das Cruzes/Brasilien auf. Beim União Mogi Futebol Clube begann er bereits im Alter von sieben Jahren seine Fußballerkarriere. 1999 kam Cacau nach Deutschland, wo er zunächst für den Türk Gücü München und den 1. FC Nürnberg spielte. 2003 wechselte er zum VfB Stuttgart, mit dem er 2007 Deutscher Meister wurde. 2009 erhielt Cacau die deutsche Staatsbürgerschaft und wurde Teil der Nationalmannschaft, in der der Stürmer im selben Jahr in Shanghai zum ersten Mal zum Einsatz kam. 2010 erkämpfte er mit dem deutschen Team den dritten Platz der WM in Südafrika. Beim Auftaktspiel gegen Australien fiel 110 Sekunden nach seiner Einwechslung sein erstes Tor bei einer Weltmeisterschaft. Cacau ist verheiratet, hat drei Kinder und setzt sich außerhalb des Spielfeldes aktiv gegen Fremdenfeindlichkeit ein, weshalb er 2010 zum Integrationsbotschafter des DFB ernannt wurde. Zudem ist er der erste Fußballspieler, der seinen Spitznamen auf dem Trikot trägt, den er einem kindlichen Versprecher - 'Cacaudemir' statt Claudemir - zu verdanken hat.

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Leseprobe

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

ALLTAG MIT EINEM ALKOHOLABHÄNGIGEN


»UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER«


Vielleicht würde ich heute trotz aller Entbehrungen von einer glücklichen Kindheit sprechen und dem täglichen Existenzkampf im Nachhinein viel Positives abgewinnen, wenn nicht die Krankheit meines Vaters unser Alltagsleben in besonderem Maße erschwert und belastet hätte.

Wir wohnten noch nicht sehr lange in unserem Haus in Mogi das Cruzes, vielleicht etwa ein Jahr, als mein Vater zum ersten Mal in eine Klinik eingeliefert wurde. Er war psychisch krank und hatte darüber hinaus ein Alkoholproblem. Ich kann mich nicht erinnern, wann die Schwierigkeiten begannen, aber vermutlich lange bevor wir Kinder etwas davon bemerkten. Irgendwann wusste sich meine Mutter jedenfalls nicht mehr zu helfen und ließ meinen Vater in ein Krankenhaus einweisen.

Eine klassische Suchtklinik hätten wir uns nicht leisten können, und so kam mein Vater in ein normales staatliches Krankenhaus, rund 70 Kilometer von Mogi das Cruzes entfernt. Die Behandlung war kostenlos. Es wurde zwar zunächst nach den Symptomen gesucht, aber wahrscheinlich fehlte sowohl das Geld als auch das Personal, um sich lange und ausgiebig damit zu beschäftigen. Als die Ärzte nichts fanden, waren sie nur noch darum bemüht, den Patienten ruhigzustellen – was ihnen auch gelang. Wenn wir Vater besuchten – und das geschah wegen der großen Entfernung nur selten –, erkannten wir ihn kaum wieder. Er wirkte vollkommen apathisch und bewegte sich ganz langsam.

Die Ärzte verabreichten ihm Tabletten, vermutlich Psychopharmaka. Als er richtig auf die Medikamente eingestellt war, wurde er wieder entlassen. Doch auf Alkohol verzichtete er nicht. Im Krankenhaus war er dazu gezwungen gewesen, doch kaum befand er sich zu Hause, griff er erneut zur Flasche. Dass sich sein hoher Alkoholkonsum nicht mit den Medikamenten vertrug, interessierte ihn nicht. Es ging trotzdem eine Weile gut. Aber mein Vater setzte nach und nach die Tabletten ab, weil er fand, er sei ja jetzt gesund. Dann ging alles von vorne los.

Bis sich unsere Eltern trennten, als ich etwa sechzehn Jahre alt war, wurde mein Vater rund zwanzig Mal in die Klinik eingewiesen, und zwar in immer kürzeren Abständen. Am Anfang dauerte der Aufenthalt nur ein paar Wochen, später blieb mein Vater meistens zwei bis drei, manchmal sogar vier Monate in stationärer Behandlung. Insgesamt verbrachte er in dieser Zeit also fast fünf Jahre im Krankenhaus.

Nie wurde den psychischen Problemen, die womöglich auch ein Grund für den hohen Alkoholkonsum waren, richtig auf den Grund gegangen. Erst viel später, als ich schon längst in Deutschland lebte, beschäftigte sich ein ganzes Ärzteteam mit dem Fall. Aber eine konkrete Diagnose gibt es bis heute nicht. Die Experten vermuten, dass mein Vater seit seiner Geburt daran leidet.

Wir fühlten uns gefangen in einer Endlosschleife, so wie in dem Kinofilm »Und täglich grüßt das Murmeltier«, in dem der Hauptdarsteller immer wieder den gleichen Tag durchlebt. Die Zeit zwischen den Klinikaufenthalten verlief stets gleich. Doch anders als Bill Murray in der amerikanischen Kleinstadt Punxsutawney konnten wir unser Wissen natürlich nicht dazu einsetzen, um unser Leben irgendwann in bessere Bahnen zu lenken. Und ein Happy End gab es auch nicht.

Meine Brüder und ich gaben die Hoffnung trotzdem nie auf, dass alles gut werden würde, dass mein Vater aufhört, zu trinken. Denn darin sahen wir das Hauptproblem. Die ganze Familie redete deshalb immer wieder auf ihn ein. Manchmal versuchten wir es freundlich. Manchmal waren wir richtig wütend. Wir dachten alle, wenn sein Wille nur stark genug wäre, könnte er die Sucht in den Griff bekommen. Uns war nicht klar, dass das alles etwas komplizierter ist bei einem Alkoholkranken.

DIE ZWEI GESICHTER MEINES VATERS


Wenn der Alkohol meinen Vater wieder einmal vollkommen beherrschte, lief er oft durch die Straßen und führte laute Selbstgespräche. Zu Hause brachte er alles durcheinander, und das ist noch freundlich formuliert. Wir litten unter seinen Stimmungsschwankungen, die immer schlimmer wurden. Manchmal wussten wir nicht, was im nächsten Moment geschehen würde. Einmal war er liebevoll und umgänglich, dann wieder gereizt und aggressiv. Seine Wut richtete sich aber nie gegen uns Kinder. Zielscheibe war immer nur unsere Mutter, gegen die er auch handgreiflich wurde.

Als kleines Kind nimmt man Negativerlebnisse nicht so bewusst war. Vieles wird verdrängt oder ausgeblendet und schließlich irgendwo in der hintersten Ecke des Gedächtnisses abgespeichert. Das ist vermutlich ganz wichtig, eine Art notwendiger Schutz- und Überlebensmechanismus. Ich habe deshalb nicht nur schlechte Erinnerungen an jene Zeit, vor allem, weil sich unser Vater oft auch sehr lieb um uns kümmerte – wenn es sein gesundheitlicher Zustand erlaubte.

Manchmal nahm er uns zu einem Fußballspiel von ihm mit. Er war ein guter Torhüter und spielte lange für verschiedene Mannschaften in der Region. Ich stand dann immer am Rand des Platzes und beobachtete meinen Vater genau. Jede Aktion, jeden Abschlag, jede Parade. Wenn er einen besonders schwierigen Ball hielt und die paar Zuschauer klatschten, war ich gerührt und richtig stolz auf ihn. »Er war vielleicht ein schlechter Ehemann, aber nie ein schlechter Vater«, findet meine Mutter heute noch.

Wer ihn nur im nüchternen Zustand kannte, hielt ihn für sehr freundlich. Er konnte sich exzellent verkaufen, den perfekten Entertainer geben und hatte Sinn für Humor. Umgänglich war er aber nur für andere, nicht im eigenen Haus, nicht für die eigene Familie. Zu Hause gab es häufig Streit. Meine Mutter schonte ihren Ehemann nicht. Sie warf ihm oft vor, dass er das, was er verdiente, zum größten Teil in Alkohol investierte, statt seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Tatsächlich konnte er nicht mit Geld umgehen, und daran hat sich leider bis heute nichts geändert.

Solange er einigermaßen stabil war, arbeitete mein Vater zwar. Niemand konnte ihm vorwerfen, er sei faul gewesen. Er hatte manchmal sogar sehr gute Jobs. Doch häufig verlor er diese wegen seines Alkoholkonsums. Soweit ich das beurteilen kann, nicht, weil er etwa betrunken am Arbeitsplatz aufgetaucht wäre, sondern wegen der Einweisung ins Krankenhaus und der monatelangen Fehlzeiten. Mein Vater trank in der Regel erst nach der Arbeit. Dann ging er mit Kollegen manchmal in eine Kneipe und kam betrunken nach Hause.

Mein Vater wurde immer aggressiver, bis der nächste Klinikaufenthalt kam. Danach ging es wieder von vorne los. Ich frage mich manchmal, ob das wirklich allein an seinen psychischen Problemen und dem Trinken lag oder ob die Angst vor dem Krankenhaus und die Ausweglosigkeit auch eine Rolle spielten.

Später, als ich in der Lage war, mit ihm über die Zeit damals zu sprechen, erzählte er mir, wie schrecklich er diese Wochen und Monate in der Klinik empfunden und wie sehr er gelitten hatte. Bei seinem ersten Aufenthalt nahm er sogar einmal Reißaus und kehrte an seine Arbeitsstelle in der Traktorenfabrik zurück. Er hielt die lieblose Behandlung nicht mehr aus. Er war dort einsam, fühlte sich alleingelassen. Die Ärzte und das Pflegepersonal nahmen sich keine Zeit für derart – ihrer Meinung nach – aussichtslose Fälle. Vielleicht hatte er auch ein schlechtes Gewissen, dass er seine Familie im Stich ließ und sie nicht mehr unterstützen konnte.

Nach Vaters erstem Klinikaufenthalt blieb meiner Mutter gar nichts anderes übrig, als wieder arbeiten zu gehen. Sie hatte zwar eine Ausbildung als Krankenpflegerin abgeschlossen, wollte aber in diesem Beruf nicht mehr arbeiten. Dabei wäre das gar nicht so schlecht bezahlt gewesen. Doch sie hätte Schichtdienst gehabt und ihre drei kleinen Kinder manchmal nachts alleine daheimlassen müssen. Als Putzfrau oder Hausangestellte zu arbeiten, gab ihr mehr Flexibilität. Außerdem war es leichter, in diesem Beruf Jobs zu finden.

Denn eine empregada, wie Dienstmädchen in Brasilien heißen, zu beschäftigen, ist nicht nur in den reichen Familien selbstverständlich, sondern auch in der gehobenen Mittelschicht üblich. Meistens arbeitete meine Mutter im vierzig Kilometer entfernten São Paulo, der florierenden Wirtschaftsmetropole im Süden des Landes. Dort gab es viele gut situierte Familien, die sich eine Haushaltshilfe leisten wollten und konnten.

Mein älterer Bruder hat noch eine bessere Erinnerung an die Anfangsjahre. Vlademir erzählte mir, dass er manchmal auf meinen Vater losgegangen sei, um unsere Mutter zu schützen. In unserer Küche gab es irgendwann keine scharfen Messer mehr – aus Sorge, Vater könnte damit Unheil anrichten, wenn seine aggressive Phase begann. Wir hatten sie im Laufe der Zeit alle heimlich in einem Sandhaufen hinter dem Haus vergraben. Bei Bedarf buddelten wir eben schnell ein Messer aus. Manchmal waren sie aber so gut versteckt, dass wir sie nicht mehr fanden. Als wir Jahre später den Sandhaufen entsorgten, entdeckten wir deshalb die verschwundenen Messer wieder.

Meine Mutter übernachtete manchmal aus Angst vor ihrem gewaltbereiten Ehemann nicht zu Hause. Natürlich hatte sie dann zuvor auch uns Kinder bei Bekannten oder unseren weiter entfernt wohnenden Verwandten untergebracht. Sie lebte in ständiger Sorge, der Vater würde einmal auch gegen uns handgreiflich werden. Oft blieb sie deshalb zu Hause, wenn die Situation daheim aus den Fugen zu geraten drohte. Da sie in dieser Zeit keinen festen Arbeitsplatz hatte, sondern für mehrere Familien arbeitete und pro Tag bezahlt wurde, verdiente sie eben solange...

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