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E-Book

Caesar

AutorMartin Jehne
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406669385
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Caesars Weg, auf dem er seinen Aufstieg betrieb, war nicht unbedingt neu; er folgte lange Zeit einem Kurs, der zwar den Standesgenossen mißfiel, aber keine unüberbrückbaren Gegensätze aufriß. Was jedoch bei Caesar neu war, war die Höhe seines Einsatzes. Schulden machte jeder für die Karriere, aber Caesar machte so hemmungslos Schulden, daß er am Rand der Katastrophe balancierte und jeder Rückschlag zur Katastrophe hätte werden können. Caesar erlitt aber keine Rückschläge, und davon war er offenkundig ausgegangen. Er glaubte so unerschütterlich an sein Glück und seine überlegenen Talente, daß auch der höchste Einsatz für ihn nur konsequent war. Er spielte 'Alles oder Nichts', und er scheint nie daran gezweifelt zu haben, daß er gewinnen würde. Der vorliegende Band enthält eine fesselnde Biographie des wohl berühmtesten römischen Politikers, Militärs und - Spielers.

Martin Jehne, Jahrgang 1955, ist Professor für Alte Geschichte an der Technischen Universität Dresden. Seine Hauptarbeitsgebiete bilden die Mechanismen römischer Politik in republikanischer Zeit und der Übergang von der Republik zur Monarchie in Rom. Sein Buch über den 'Staat des Dictators Caesar' ist ein Standardwerk geworden.

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Leseprobe

I. Mitgefangen – mitgehangen?


Niemand hätte im Jahre 81 v. Chr. angenommen, daß der 19jährige Gaius Iulius Caesar eine große Zukunft vor sich hatte, ja man konnte sogar mit Fug und Recht bezweifeln, daß er überhaupt noch eine Zukunft besaß. Caesar befand sich nämlich auf der Flucht. Als einfacher Mann verkleidet, hatte er sich bei Nacht aus Rom davongestohlen, aus Furcht vor Verrat wechselte er nun häufig das Versteck, obwohl er vom Fieber geschüttelt war. Als ihn dennoch die Häscher aufspürten, griff er zum vorletzten Ausweg: Er zahlte ihnen eine beträchtliche Summe dafür, daß sie ihn verschonten. Das Glück, von dem sich Caesar sein Leben lang begünstigt fühlte, kam ihm hier besonders zu Hilfe: Die Häscher waren im Rahmen ihrer Verhältnisse offenbar Ehrenmänner und verzichteten darauf, das Geld zu nehmen und das Opfer dennoch umzubringen. So kam Caesar noch einmal davon, doch war er damit noch nicht endgültig gerettet. Erst als seine einflußreichen Verwandten den allmächtigen Dictator Sulla überredet hatten, den unbedeutenden jungen Mann zu begnadigen, konnte sich Caesar einigermaßen sicher fühlen.

Wie war Caesar überhaupt in diesen Schlamassel geraten? Am 1. November des Jahres 82 hatte sich Lucius Cornelius Sulla in der Schlacht am Collinischen Tor, einem der Stadttore Roms, durchgesetzt und damit einen blutigen Bürgerkrieg zu seinen Gunsten entschieden. Da Sulla schon im Vorfeld der Kriegshandlungen angekündigt hatte, er werde das jetzige Regime und dessen Kollaborateure ausmerzen, hatte man in Rom und Italien, das fünf Jahre lang von den Gegnern Sullas kontrolliert worden war, allen Grund, vor dem Sieger zu zittern. Tatsächlich ging Sulla mit gnadenloser Brutalität daran, das zu tun, was er für seine Pflicht hielt: sich für erlittene Demütigungen und Kränkungen zu rächen und – was für ihn mehr oder weniger dasselbe war – die Feinde des Staates zu vernichten.

Sulla kommt der zweifelhafte Ruhm zu, die Proskriptionen erfunden zu haben. Mit dem Begriff ist zunächst einmal nur bezeichnet, daß etwas aufgeschrieben und öffentlich ausgehängt wird, hier also eine Liste mit Namen. Doch nahm der Terminus mit Sulla gleich die Bedeutung des grauenvollen Zwecks dieser Namenliste an: Die dort aufgeführten Personen waren geächtet, sie durften straflos von jedermann getötet werden, ja es wurde sogar ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt, und ihr Vermögen wurde eingezogen. Bevor die ersten Listen ausgehängt worden waren, hatte das Morden schon begonnen. Die Ächtungen wurden offenbar vor allem deshalb öffentlich bekannt gemacht, um diejenigen ein wenig zu beruhigen, die fürs erste verschont bleiben sollten. Aber die klare Bestimmung der Zielgruppen nimmt politischem Terror nichts von seinem Schrecken, im Gegenteil: Die nüchterne Konsequenz, mit der hier eine regelrechte Abschußliste publiziert wurde, steigert noch das Grauen. So ist es nicht verwunderlich, daß die konstruktive Seite der sullanischen Herrschaft, die großangelegte Staatsreform, im Sullabild von Zeitgenossen wie Nachgeborenen stets hinter den Proskriptionen verblaßt ist.

Caesar hatte das Pech, auf der Seite der Verlierer zu stehen. Zu der Gruppierung der Gegner Sullas war er nicht etwa im Zuge einer bewußten politischen Entscheidung gestoßen, sondern dort befand er sich schlichtweg infolge seiner verwandtschaftlichen Bindungen. Der große Gaius Marius, der Rom einst von der schrecklichen Kimbern- und Teutonengefahr befreit und siebenmal das oberste Staatsamt, das Consulat, bekleidet hatte, dieser langjährige Gegenspieler Sullas war Caesars Onkel gewesen, zwar nur angeheiratet, aber immerhin. Daß sich die Iulier, die zum illustren Kreis der patrizischen Familien gehörten und damit zum uralten Geburtsadel, der einstmals den Staat allein beherrscht hatte, überhaupt herabgelassen hatten, eine Tochter einem solchen Haudegen und Parvenu wie Marius zur Frau zu geben, macht deutlich, daß es mit dem Glanz der Iulier nicht mehr weit her war. Caesars Vorfahren in direkter Linie hatten es nicht bis zum Consulat gebracht, und seitdem sich die Patrizier im 4. Jahrhundert v. Chr. dazu hatten bereitfinden müssen, die Staatsämter auch den Plebeiern, also den nicht zum Geburtsadel gehörenden Bürgern, zu öffnen, war die Bekleidung des Consulats, dessen beide Stellen jedes Jahr neu besetzt wurden, der wesentliche Nobilitierungsakt für den neu entstehenden Amtsadel geworden. Die Familien, die einen Consul unter ihren Ahnen aufzuweisen hatten, bildeten die Nobilität, und wer zu den nobiles gehörte, konnte sich seinerseits Hoffnungen auf eine schnelle politische Karriere machen, womöglich sogar ebenfalls bis zum Consulat. Nun galten für Patrizier nicht ganz dieselben Spielregeln wie für Plebeier, d.h. einem Patrizier konnte man die Qualitäten eines nobilis nicht absprechen, auch wenn sich seine Familie aus den Consullisten bisher herausgehalten hatte. Doch da das, was den nobiles im harten Konkurrenzkampf um die Spitzenpositionen Vorteile verschaffte, nicht in einem wie auch immer gearteten Rechtsanspruch bestand, sondern in dem Prestige und dem Anhang, den der konkrete Einsatz und der Erfolg der Vorfahren hervorgebracht hatten, war es ein gewaltiger Unterschied, ob man in den Wahlkämpfen um die begehrten Oberämter auf das den Wählern noch in guter Erinnerung befindliche Consulat des Vaters oder Großvaters verweisen konnte oder ob man die Leistungen der Familie aus den Annalen der grauen Vorzeit exhumieren mußte. Insofern war ein Patricier wie Caesars Vater zwar nicht so schlimm dran wie einstmals sein Schwager Marius, der einer plebeischen Familie entstammte, die noch nicht einmal einen Senator, geschweige denn einen Consul hervorgebracht hatte, aber ihm war doch der politische Aufstieg keineswegs in die Wiege gelegt. Er brachte es immerhin 92 zum Praetor, dem zweithöchsten Posten in der regulären Ämterlaufbahn, doch ist es fraglich, ob er noch das heißbegehrte Consulat erreicht hätte, selbst wenn er nicht schon 85 gestorben wäre.

Wieweit Caesars Vater von seinem prominenten Schwager profitierte, wissen wir nicht, doch jedenfalls war es aus der Perspektive der iulischen Familie eine vernünftige Strategie, sich diesen Mann mit seiner großen Popularität in die Familie zu holen, und für Marius war die patrizische Braut zweifellos eine gute Partie, denn sie dokumentierte seine Anerkennung durch das Establishment. Caesars Vater selbst heiratete eine Aurelia, die Tochter des plebeischen Consulars – d.h. des ehemaligen Consuls – Lucius Aurelius Cotta, so daß also auch hier eine politisch vielversprechende Verbindung gelang. Daß römische Familien mit politischen Ambitionen bei Heiraten primär die Karriereförderung im Auge hatten, war selbstverständlich, doch gab es dabei zwei Ziele, die sich nur selten miteinander vereinbaren ließen: Abstammung (meist verbunden mit politischem Einfluß) und Geld. Die Kosten der Ämterlaufbahn waren inzwischen potentiell ruinös für das Familienvermögen, so daß die Sanierung der Finanzen durch reiche Bräute häufig zur Notwendigkeit wurde. Solche Heiratskandidatinnen fand man im Ritterstand, in der unterhalb der recht kleinen senatorischen Elite angesiedelten Oberschicht. Nachdem Caesars Vater vornehm geheiratet hatte, verfolgte er für seinen Sohn bezeichnenderweise die alternative Strategie, indem er ihn zunächst einmal mit Cossutia verlobte, deren Vater ein vermögender Ritter war. Erst nach dem Tode des Familienoberhauptes, als die politische Entwicklung auf einmal ganz neue Möglichkeiten eröffnete, rückte man von diesem Kurs der wirtschaftlichen Konsolidierung ab und schwenkte auf die Linie der vornehmen Herkunft und des unmittelbaren politischen Vorteils ein: Die Verlobung des jungen Caesar mit Cossutia wurde gelöst, statt dessen verheiratete man ihn 84 mit Cornelia, der Tochter des Lucius Cornelius Cinna.

Mit 16 Jahren wurde Caesar also der Schwiegersohn des Mannes, der Rom seit gut zwei Jahren fast ebenso beherrschte wie dann ab 82 Sulla. Cinnas illegale Machtstellung war letztlich ein Produkt des Bürgerkriegs von 88, der wesentlich aus den Frustrationen des Marius heraus entstanden war. Marius war das Schicksal widerfahren, daß seine gegen die Numider und die Kimbern und Teutonen errungenen Siegeslorbeern in dem rauhen Klima der stadtrömischen Politik verwelkt waren, und als er 88 einen letzten Versuch unternahm, sich durch ein neues großes Kommando wieder in die erste Reihe der römischen Magnaten zurückzukämpfen, löste er damit eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus. Der dem Marius durch einen dubiosen Volksbeschluß übertragene Krieg gegen den König Mithradates von Pontos, der die römische Provinz in Kleinasien überfallen hatte, war dem amtierenden Consul Sulla zuvor regulär zugesprochen worden, und Sulla war keineswegs gewillt, sich seine Chance auf unsterblichen Kriegsruhm entgehen zu lassen. Er marschierte daher mit seinen Truppen auf Rom, wo er Marius und einige weitere Gegner ächten ließ. Marius entkam mit knapper Not nach Nordafrica. Sullas Regelungen in Rom überlebten seinen Abmarsch in den Osten aber nur kurzzeitig; als Marius im Herbst 87 mit einer Privatarmee und einem nagenden Zorn im Herzen nach Italien zurückkehrte, war dort...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
I. Mitgefangen – mitgehangen?7
II. Die Ochsentour – Caesars Weg zum Consulat18
III. Der Anfang vom Ende – Caesars Consulat 59 v.Chr.35
IV. Die Flucht in den Krieg – Caesars Eroberung von Gallien49
V. Kein Raum für Kompromisse – Der Ausbruch des Bürgerkriegs72
VI. Die Schwertmission – Caesars Bürgerkrieg81
VII. DieMonarchie – Caesars Staat101
VIII. Ein Attentat ohne Putsch – Das traurige Ende des Alleinherrschers und der Republik115
Zeittafel121
Literaturverzeichnis123
Register126

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