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E-Book

Carl Friedrich

Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach

AutorDetlef Jena
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783791760063
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Er regierte Sachsen-Weimar-Eisenach 25 Jahre lang, doch vielen Zeitgenossen galt Carl Friedrich (1783-1853) als sprunghaft und kindlich. Kein thüringischer Landesherr ist so der Vergessenheit anheimgefallen wie er - zu Unrecht: Detlef Jena entwirft auf der Grundlage des Nachlasses Carl Friedrichs fesselnd und unterhaltsam das Portrait einer bodenständigen Persönlichkeit, die im Spannungsfeld zwischen protestantischer Ethik, politischer Macht und russisch-autokratischer Bevormundung ihre Selbstbehauptung suchte. So gelingt es dem Autor, Carl Friedrich aus dem übermächtigen Schatten seines Vaters, Karl August, und seiner berühmten Gemahlin, Maria Pawlowna, heraustreten zu lassen.

Detlef Jena, Prof. Dr. sc. phil., geb. 1940, war 1985-1991 Professor für Osteuropäische Geschichte in Jena und Gastprofessor an der Universität Paris; freier Autor und Publizist.

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Leseprobe

Kapitel 2

„… dass ich Ihnen einige Abneigung gegen diese Reise nach Russland bezeigte.“


Carl Friedrich an Carl von Brühl im November 1803

Baron Wolzogen – Carl Friedrichs Brautwerber in Petersburg


Das Schreiben des Weimarer Herzogs Carl August an Kaiser Paul I. vom 15. März 1799 lautete:

„Der tiefe Respekt und die hohe Wertschätzung, die Eure Majestät in Europa genießen, in jenem Teil des Erdballs, dessen Inneres durch Fanatismus, Unordnung, Anarchie und aufrührerischen Despotismus zerrißen ist, und der wünscht, daß Eure Majestät der Befreier von der drohenden Sklaverei wird, hat mich so sehr durchdrungen, daß ich das Schicksal meiner Familie in die wohltätigen Hände Eurer Majestät lege … Ich erflehe die Großherzigkeit Eurer Majestät, das zu diesem Ziel sehr gewagte Vorhaben gütigst aufnehmen zu wollen. Euer Majestät haben das Glück, Vater einer Familie zu sein, deren Tugenden zurecht geehrt und angebetet werden: in der Familie lebt das Fräulein Großfürstin Marie, deren Liebreiz und Anmut jedweden Fürsten auf der Erde, den es Eurer Majestät gefiele, ihn zur Heirat auszuwählen, glücklich machen würde.

Ich habe den erstgeborenen Sohn, der das siebzehnte Jahr erreicht, und der es in einiger Zeit wagen wird, das Vorrecht zu erstreben, um die Hand einer Prinzessin zu bitten. Würde mir Eure Majestät gütig gestatten, Ihnen diesen Sohn als Schwiegersohn und als Ehegatten Ihrer Hoheit der Großfürstin Marie anzubieten? Im höchsten Maße geehrt durch Eure Einwilligung, allergnädigster Herr, würde sich der junge Mann bemühen, den Schutz und die gütige Gewogenheit Eurer Majestät zu verdienen, und er würde versuchen, sich würdig zu erweisen, vor allem, wenn dies zur rechten Zeit am Hofe Eurer Majestät und unter der Gunst geschehen dürfte, dem größten Monarchen nahe sein zu können.

Verzeihen Sie, allergnädigster Herr, wenn ich es durch ein Übermaß an Vertrauen in meinen guten Stern gewagt haben sollte, zu riskieren, vor den Augen Eurer Majestät eine Torheit zu begehen, deren ganze Kühnheit und Problematik ich selber spüre. Ich vertraue jedoch auf die Seelengröße Eurer Majestät, wenn ich das Unglück haben sollte, Ihr zu missfallen.

Eure Majestät haben in der Vergangenheit der Mutter meines Sohnes Wohlwollen entgegengebracht, und die Zärtlichkeit, mit der Euer Majestät früher die Großfürstin, die Schwester meiner Gattin überhäufte, haben mir den Mut gegeben, mich dem Thron Eurer Majestät mit meiner demütigen Bitte zu nähern.

Mein Kammerherr von Wolzogen, der durch die besonderen und unendlich gnädigen Anweisungen Eurer Majestät mit den notwendigen Pässen ausgestattet worden ist, wird die Ehre haben, sofern sie ihm gewährt werden wird, Eurer Majestät dieses Schreiben zu übergeben. Ich erlaube mir, allergnädigster Herr, Sie demütigst zu bitten, ihm den Willen Eurer Majestät mitzuteilen. Wenn Ihr jedoch geruht, mir diesen Willen mitzuteilen, so ist Wolzogen des hohen Vertrauens nicht unwürdig, er ist über unsere Situation und Beziehung genauestens unterrichtet, er wird in der Lage sein, bündig und genau auf alles zu antworten, was Euer Majestät ihm über unseren Gegenstand zu berichten befiehlt.“45

Carl August brachte die staatspolitischen und dynastischen Motive seines Anliegens klar zum Ausdruck. Aus Mitteilungen Alexanders von Württemberg, des in russischen Diensten stehenden Bruders der Kaiserin Maria Fjodorowna, der sich in dieser Frage offensichtlich stark engagierte, wusste er, dass seine Karten in Petersburg nicht schlecht standen. Das Haus Sachsen-Weimar-Eisenach gehörte zu dem alten und stolzen Geschlecht der Wettiner, das sich zumindest in der Tradition mit den Romanows messen konnte. Die Offerte an Russlands Kaiser entsprach somit dem historischen und politischen Selbstverständnis des Herzogs. In der Erziehung Carl Friedrichs hatte die Frage seiner Verheiratung mit einer Romanow bis dahin keine Rolle gespielt. Es ist nicht einmal bekannt, ob der Erbprinz von dem Antrag überhaupt etwas wusste. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Carl Augusts energisches Eingreifen in die Erziehungsdiskussion mit dem geplanten Coup in Petersburg in Verbindung stand.

Wolzogen ging am 18. März 1799 mit dem Angebot an Paul I. auf die lange Reise nach Petersburg. Er musste sich ernsthafte Gedanken machen, wie er den Ehekandidaten in einem möglichst guten Licht präsentieren konnte. Carl Friedrich rückte über Nacht in eine völlig neue Position. Wenn die von den Eltern gewünschte Heirat zustande käme, müsste er als erwachsener Erbprinz alle aus dieser Stellung erwachsenen Pflichten erfüllen. Nach den Jahren einer rücksichtsvollen allgemeinbildenden Ausbildung musste er nun im Eiltempo alle jene Lebensbereiche absolvieren, die ihn zu einem geeigneten Kandidaten für den Zarenhof erheben konnten. Die Bedenken Herders durften da keine Rolle mehr spielen.

Es gab einige Vorleistungen: Carl Friedrich griff literarische und künstlerische Anregungen auf, nahm an den unterhaltsamen Spielen, Maskeraden, Theateraufführungen oder Redouten des Hofs teil, war freundlich gegenüber jedermann. Er ließ sich jedoch zu keinen Handlungen bewegen, aus denen Eigenschaften ableitbar gewesen wären, die ein künftiger Ehemann, Vater und Landesfürst zur damaligen Zeit besitzen sollte.

Wolzogen hatte bei den vorbereitenden Gesprächen verstanden, dass der Herzog und dessen Frau, nachdem sie selbst die Erziehung ihres Sohnes im Sinne höfischer Ordnung nicht befriedigend bewältigen konnten, alle Hoffnungen auf eine Disziplinierung am Zarenhof setzten. Das war die schwerwiegendste und tragischste Entscheidung, die über das ganze Leben des jungen Erbprinzen getroffen wurde. Wolzogen wusste nicht, ob und wie man diese Aufgabe in Petersburg aufnehmen würde. Aber er hatte zwei weitere Schreiben bei sich, die das Problem schon lösen würden.

Carl August und Louise wussten, dass am Zarenhof in allen Ehe- und Familienangelegenheiten die Entscheidung bei der Kaiserin lag. Darum richtete der Herzog ein sehr direktes und schmeichelhaftes Schreiben an Maria Fjodorowna: „Da seine Hoheit, Prinz Alexander Herzog von Württemberg, der Bruder Eurer Majestät, die außergewöhnliche Güte gehabt hat, mich zu ermutigen, meine väterlichen Wünsche an den Thron Eurer Majestät zu richten, indem er mir die Hoffnung gegeben hat, dass sie dort mit nachsichtiger Großherzigkeit aufgenommen werden würden, wage ich es, sie Ihnen, Madame, zu Füßen zu legen, indem ich Eurer Majestät demütigst bitte, sie mit dem hohen Wohlwollen entgegenzunehmen, mit dem jedermanns Wünsche und Vertrauen zu Euch hingezogen wird.

Ihre Hoheit, die Frau Großfürstin Maria, die zu jener berühmten Familie gehört, die das Idol der Menschheit ist, nähert sich dem Alter, in dem sie, wenn ihre Hand einem Prinzen gegeben werden würde, das Glück eines jeden Fürstentums ausmachen könnte. Ich besitze einen erstgeborenen Sohn, der sein siebzehntes Lebensjahr erreicht; sollte es meinerseits zu vermessen sein, ihn Euer Majestät demütigst als Schwiegersohn anzubieten, so mögen die schöne Seele und die großen Tugenden Eurer Majestät diese Auslassungen eines väterlichen Herzens gnädig verzeihen, das versucht, das Glück seines Sohnes zu machen, obgleich er sich durch zu viel Vertrauen im voraus in Gefahr begeben könnte.

Ich wage es, Euer Majestät demütigst zu bitten, meinen Kammerherrn von Wolzogen, Überbringer desselbigen Schreibens, zu gestatten, dieses zu übergeben und Eure Befehle, Madame, entgegenzunehmen, mit denen es Euer Majestät gefallen wird, mich zu beehren.“46

Madame würde diesen Brief sicherlich mit Wohlwollen quittieren. Aber Höflichkeit und Herzenswunsch diktierten zusätzlich ein Schreiben Louises an die Kaiserin. Sie betonte den persönlichen und familiären Charakter der angestrebten Verbindung noch stärker und argumentierte recht geschickt: „Mein Mann und ich haben bereits seit einiger Zeit darüber nachgedacht, für unseren Sohn das Glück anzustreben, mit dem erhabenen Kaiserhaus verwandt zu werden. Ich gestehe Ihnen, Madame, daß uns bis jetzt noch immer tausend Erwägungen zögern lassen haben. Da sich jedoch der Herzog von Mecklenburg glücklich schätzen darf für den Erbherzog, seinen Sohn, die Großfürstin Jelena zu bekommen, haben wir Seine Majestät den Kaiser und Sie, Madame, um die Hand der Großfürstin Maria für unseren Sohn gebeten.“47

Die Eltern schrieben in den Briefen kein Wort über den Menschen Carl Friedrich. Wolzogen erhielt auch keine näheren Anweisungen, ob und wie er den Ehekandidaten in Petersburg verbal vorstellen sollte. Darauf kam es auch gar nicht an. Der Gesandte konnte bereits aus den Reisedirektiven entnehmen, dass es seinem Dienstherrn primär um das Ansehen des Herzogtums und um die Höhe der finanziellen Einnahmen bei diesem Geschäft ging. Ausgerüstet mit diesbezüglich detaillierten Instruktionen, ging Wolzogen auf die Reise.48

Als er am 26. April 1799 in St. Petersburg ankam, wurde er sehr schnell zum Kaiser geführt, der schnörkellos mit leisen und einfachen Worten, sagte „daß ihm der Antrag sehr lieb seye, und daß seinerseits gar kein Hinderniss seyn würde.“ Auch die Kaiserin äußerte ihre generelle Zustimmung und wurde konkret: Die Hochzeit müsse innerhalb der nächsten zwei Jahre stattfinden! Der Erbprinz habe in 14 bis 18 Monaten in Petersburg zu erscheinen und müsse sich dort sechs bis acht Monate aufhalten. Wenn er sich bei dieser Visite „bewähre“, d. h. wenn er sich dem zarischen Hof und der Kaiserin gebührlich unterordne, könne ein Ehevertrag ausgearbeitet werden.

Am 2. Mai 1799 lud Außenminister Graf Rostoptschin zu...

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