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Casemanagement in der Behindertenarbeit

Ein Überblick

AutorMichael Großkopf
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl111 Seiten
ISBN9783640564026
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 2,0, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (Sozialpädagogik), Sprache: Deutsch, Abstract: Case Management in der sozialen Arbeit ist hierzulande nichts neues mehr.Seit geraumer Zeit wird diese Methode erforscht und in die Praxis umgesetzt,doch fehlt es an einheitlichen Standards, selbst über die Begrifflichkeiten herrscht Uneinigkeit. In der Arbeit mit Menschen mit Behinderung gibt es bisher nur wenig Erfahrungen. Dementsprechend wenig Literatur gibt es zu diesem Thema. Diese Diplomarbeit stellt den Versuch dar den LeserInnen einen informativen Überblick zum Stand der Dinge zu verschaffen, stellt verschiedene Beispiele aus der Praxis und Instrumente zur Fallbearbeitung vor. Als erstes erörtere ich den Case Management-Begriff, die historischen und theoretischen Hintergründe und die Rollen der Akteure. Anschließend behandle ich den Begriff der Behinderung. Um den hohen Ansprüchen, die Arbeit mit behinderten Menschen, an die Handelnden stellt, gerecht zu werden ist es unabdingbar den Empowerment-Gedanken zu verinnerlichen und in die tägliche Arbeit zu integrieren. Dieser Umstand hat mich dazu bewegt dieses Thema ausführlich zu beschreiben Im dann folgenden Kapitel beschreibe ich den Einzug von Case Management in die Behindertenhilfe, um anschließend ein praktisches Beispiel anhand der 'Assistenzplanung der Ev.Stiftung Alsterdorf' zu geben. Dann fasse ich die Ergebnisse eines Workshops der schleswig holsteinischen Kreise mit dem Thema 'Fallmanagement in der Eingliederungshilfe' zusammen. Im nächsten Abschnitt beschreibe ich den Ablauf eines Case Managements und statte das theoretische Grundgerüst, mit zum Teil von mir modifizierten, Instrumenten aus. Diese beschreibe ich im abschließenden Kapitel.

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Leseprobe

4. Das Empowermentmodell


 

Empowerment stellt einen Bestandteil des Selbstbestimmt-Leben-Ansatzes dar.

 

Dieser findet seinen Ursprung in der internationalen Bürgerrechtsbewegung von Menschen mit Behinderung, die sich gegen Diskriminierung wehren. Sie setzt sich für mehr persönliche, soziale und politische Entscheidungsrechte für behinderte Menschen ein. Die Wurzeln hierfür finden sich in den 60er Jahren der vergangenen Jahrhunderts in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung ist in vielen Ländern gegenwärtig. Durch sie entstanden Netzwerke, die in einigen Ländern politische Einflussnahme und Akzeptanz gewannen.

 

Die Forderungen der Selbstbestimmt- Leben- Bewegung sind folgende:

 

Kontrolle über die eigenen Organisationen

 

Anti-Diskriminierung

 

„Peer Counseling" - Beratung von Behinderten für Behinderte

 

Integration und Nicht-Aussonderung

 

Abkehr vom medizinischen Krankheitsbild (vgl. Frevert2000, S.65ff)

Weitere Bestandteile des Selbstbestimmt-Leben-Ansatz sind außerdem: Kundenmodell, persönliche Assistenz und persönliches Budget. Empowerment stellt ein Grundelement des Selbstbestimmt-Leben-Ansatzes dar, was folgend näher beschrieben wird. Gegenwärtig gibt es kein ein­heitliches Konzept zu Empowerment, jedoch lassen sich konforme Ziele herausfiltern.

 

Empowerment ist als ein Verlauf zu betrachten, in dem Menschen als „Experten in eigener Sache" ihre Angelegenheiten selbst(bestimmt) in die Hand nehmen, sich dabei ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst werden, eigene Kräfte entwickeln und soziale Ressourcen nutzen". (vgl. Theunissen 2000, S.  47)

 

Für das professionelle Handeln stellt Empowerment einen Prozess dar, behinderte Menschen darin zu unterstützen, Kräfte und Fähigkeiten zu entwickeln beziehungsweise zu entdecken, ihre Interessen durchzusetzen, Entschlossenheit zu zeigen und somit ihre Lebenswelt zu verbessern, zu kontrollieren und zu gestalten. Es versteht sich nicht als eine gesellschaftliche Angleichung, sondern betrachtet Betroffene nicht mehr aus dem Blickwinkel der hilfebedürftigen, almosenempfangenden, versorgungsbedürftigen Menschen.

 

Die Hauptaussage vermittelt die Haltung, dass jeder Mensch in schwierigen Lebenslagen zu individuellen und kompetenten Lösungsstrategien finden kann.

 

4.1 Menschenbild und Wertebasis


 

Das Empowerment-Konzept vollzieht einen radikalen Bruch mit der herkömmlichen defizitären Sichtweise in der Heilpädagogik, behinderte Menschen werden nicht mehr unter dem Blickwinkel von Mängel, Versagen, Hilflosigkeit, Inkompetenz oder gar pathologischer Auffälligkeit betrachtet. Empowerment hat sich einem optimistisch gestrickten Menschenbild verschrieben, wie es z. B. der Psychologe C. Rogers (1974) ausgearbeitet hat. „Demnach entwickelt sich die Persönlichkeit eines Menschen nach Maßgabe einer im Organismus festgelegten Tendenz zur Selbstaktualisierung im Rahmen sozialer Beziehungen, in denen der Betreffende dieses, sein Selbstwerden erfährt. Die Selbstentfaltung gilt als gelungen, wenn ein Individuum sein Wachstumspotential ausschöpft, ohne dies auf Kosten anderer zu tun. Das damit einhergehende unbedingte Vertrauen in Stärken und Potentiale eines jeden Menschen, Lebenssituationen in Eigenregie produktiv zu gestalten,":(Theunissen / Plaute 2002, S.20) „ist der Kern und Kristallisationspunkt aller Empowerment-Gedanken."(Herringer 1997, S.73. zit. n. ebenda) In der amerikanischen Sozialarbeit wird dies als strengths perspective bezeichnet. Diese Stärken-Perspektive gründet sich auf die

 

Würdigung der positiven Attribute und Fähigkeiten. Auf Wege, wie sich sowohl individuelle als auch soziale Ressourcen entdecken, entwickeln und unterstützen lassen. Außerdem legt die Stärken-Perspektive die Annahme zugrunde, dass alle Individuen über eine „innere Kraft", die auch als „Lebenskraft" oder „regenerative, heilende Kraft" bezeichnet werden könnte, verfügen. (vgl. Weick 1986,S. 556, 1992, S. 24 zit. n. Theunissen / Plaute 2002, S.21) Diese Kraft kann sich zu einer Wiederstandskraft (resilience), einer Wiederstandsressource entwickeln. Diese resultiert jedoch nicht alleine aus personinhärenten Merkmalen, vielmehr aus dem Zusammenspiel von sozialen und individuellen Schutzfaktoren. Soziale Schutzfaktoren beziehen sich vor allem auf die Verfügbarkeit von Vertrauenspersonen für emotionale Unterstützung in Belastungssituationen und auf das Vorhandensein von sozialen Netzwerken z.B. Freundeskreis, Selbsthilfegruppen oder auch soziale Dienstleistungssysteme. Neben dem Vertrauen in individuelle und kollektive Stärken sowie Umfeldstärken (environmental strengths) im Sinne sozialer Ressourcen sind aus der Stärke-Perspektive für die Praxis wegweisende, spezifische Leitprinzipien hervorgegangen. z.B.:

 

Verzicht  auf etikettierende,  entmündigende,   und denunzierende Expertenurteile

 

Respekt vor der Sicht des Anderen und seinen Entscheidungen

 

Das respektieren des So-Seins des Anderen

 

Die Orientierung an der Rechte-Perspektive

 

Die Orientierung an der Bedürfnis- und Interessenlage

 

Die Orientierung an der Lebenszukunft (vgl. Theunissen / Plaute 2002, S.21ff)

 

4.2 Grundsatz der Selbstbestimmung


 

Ein wesentlicher Grundwert von Empowerment ist die Selbstbestimmung (Autonomie). Dies bedeutet aber nicht, dass Empowerment und Selbst bestimmung gleichzusetzen sind. Im Empowerment-Ansatz bezieht sich der Grundwert der Selbstbestimmung „auf Einstellungen und Fähigkeiten, die für ein Individuum nötig sind, um als primär kausaler Agent [ primary causal agent] das eigene Leben zu gestalten und in Bezug auf die eigene Lebensqualität frei von allen unnötigen, übermäßigen externen Einflüssen, Einmischungen oder Beeinträchtigungen eine Auswahl von Dingen und Entscheidungen zu treffen. (Wehmeyer 1992, S.305 zit. n. Theunissen / Plaute 2002, S.22) Selbstbestimmung ist in diesem Zusammenhang als lebenslanger Entwicklungsprozess zu sehen der auf Handlungen basiert, welche nach Wehmeyer (1998) unter anderem durch folgende spezifische Charakteristika gekennzeichnet werden können:

 

Autonome Entscheidung der Person durch eine „Selbstaktualisierung", z.B. Nutzung eigener Stärken

 

Selbstgeregeltes Verhalten in Verbindung mit einer Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle

 

Sich Ziele selbst zu setzen und danach zu handeln

 

Eigeninitiative

 

Selbstbewusstes auftreten

 

Kontrolle und Verfügung über die eigenen Lebensumstände

 

Lebensverwirklichung nach eigenen Vorstellungen

 

Wehmeyer und Bolding (1999) lenkten mit diesem Operatonalisierungsversuchen den Blick auf die Funktion bzw. die Absicht eines selbstbestimmten Verhaltens, gleichzeitig ziehen sie eine „Richtschnur" für pädagogische Unterstützungsleistungen. Ihrer Meinung nach haben drei Faktoren maßgebenden Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung von Selbstbestimmung:

 

Individuelle Kapazität, wie Selbstbestimmung vom Lernen und der Entwicklung beeinflusst wird

 

Möglichkeiten wie Selbstbestimmung von Erfahrungen und dem Umfeld beeinflusst wird

 

Unterstützungen und Versorgungsleistungen

 

„Somit gehört Selbstbestimmung wesenhaft zum Menschsein" (Speck 2000, S.17ff zit. n. Theunissen / Plaute 2002, S.23) Doch ergibt sich ihre Ent­wicklung und Gestaltung aus dem Zusammenspiel sozialer Faktoren. Das soeben beschriebene Modell versteht Selbstbestimmung als soziale Kategorie und hat zugleich eine heuristische Funktion um „Autonomie­prozesse zu unterstützen, Chancen für Selbstbestimmung auszumachen oder auch „kritische Situationen" zu eruieren, die Freiheitsberaubung, Unter­drückung, Fremdbestimmung oder Entfremdung bedeuten und einer psychischen Gesundheit abträglich sind. Hemmnisse der Selbstbestimmung (geistig) behinderter Menschen sind etwa die Infantilisierung, Überbehütung, Überversorgung, ständige Kontrolle, Ignoranz individueller Wünsche, oder Interessen, ein durch Hinweis- und Stoppschilder gekennzeichnetes Lebens­milieu, ständige Reglementierung"... (Theunissen 1998a, S76f.;1999a, S.173ff zit. N. ebenda) Die Wichtigkeit diese Blickwinkels lässt sich laut Theunissen „allein daran festmachen, dass sich viele Menschen mit geistiger Behinderung in einem „Mehr an sozialer Abhängigkeit" (Hahn 1981) befinden und damit der Gefahr einer negativen...

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