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Charles Dickens' Leben: Band 1 bis 3

Lebensgeschichte des Bestsellerautors von Große Erwartungen, Oliver Twist, David Copperfield und Eine Geschichte aus zwei Städten

AutorJohn Forster
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl732 Seiten
ISBN9788026843580
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,49 EUR
Dieses eBook: 'Charles Dickens' Leben: Band 1 bis 3' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Charles Dickens (1812-1870) war ein englischer Schriftsteller. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Oliver Twist, David Copperfield, Eine Geschichte aus zwei Städten, Große Erwartungen sowie Eine Weihnachtsgeschichte. In seinen Werken finden sich oft konkrete Hinweise auf die sozialen Missstände des viktorianischen Zeitalters, etwa durch die beispielhafte Darstellung der kritischen Situation der armen Stadtbevölkerung oder der damals vorherrschenden Sozialstrukturen. So schafft es Dickens gekonnt mit Oliver Twist, seinem zweiten Roman von 1838, seiner Leserschaft das Problem von Armut und daraus folgender Kriminalität nahezubringen, was seinerzeit dazu beitrug, auf die schwierige Lage der Bevölkerung von Jacob's Island, einem damaligen Slum in London, in dem der Roman spielt, aufmerksam zu machen.

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Leseprobe

Zweites Kapitel.



Harte Erfahrungen im Knabenalter.
1822–1824.

Die nachstehenden Begebenheiten, wie die Ereignisse seiner Kindheit und Jugend überhaupt, würden mir vermuthlich nie bekannt geworden sein, ohne eine Frage, die ich im März oder April 1847 zufällig an ihn richtete.

Ich fragte ihn, ob er sich entsinne, in seiner Kindheit je unseren Freund, den ältern Dilke, gesehen zu haben, Bekannt als Herausgeber des ›Athenaeum‹ und Mitbegründer der ›Daily News‹, Großvater des gegenwärtigen Sir Charles Dilke. – D. Uebers. einen Bekannten und Altersgenossen seines Vaters, der in demselben Büreau der Marineverwaltung angestellt war wie Mr. John Dickens. Ja, sagte er, er erinnere sich, ihn in einem Hause in Gerard Street gesehen zu haben, wo sein Onkel Barrow sich während einer Krankheit aufgehalten und Mr. Dilke ihn besucht habe; – nie zu irgend einer andern Zeit. Ich sagte hierauf, daß in der gegen mich gemachten Bemerkung von Jemand sonst die Rede gewesen sei, denn es habe nicht nur das darin gelegen, daß eine zufällige Begegnung stattgefunden, sondern daß er (Dickens) eine jugendliche Beschäftigung in einem Waarenhause in der Nähe des Strand gehabt, wo Dilke ihn in Begleitung des ältern Dickens eines Tages gesehen und zum Dank für ein Geschenk von einer halben Krone eine sehr tiefe Verbeugung empfangen habe. Er schwieg einige Minuten; ich fühlte, daß ich gegen meine Absicht eine schmerzliche Stelle in seinem Gedächtniß berührt hatte und mit Dilke sprach ich von dieser Angelegenheit nie wieder. Aber erst einige Wochen nachher machte Dickens eine weitere Andeutung gegen mich, daß ich so unbewußt auf eine Zeit gestoßen, deren Erinnerung ihm nie entschwinden könne, so lange er sich überhaupt an etwas erinnerte, und deren Andenken ihn von Zeit zu Zeit immer wieder verfolgte und bis auf jene Stunde elend machte.

Sehr bald darauf erfuhr ich, in allen ihren Einzelnheiten, die Ereignisse, welche so schmerzlich für ihn gewesen waren und was mir damals mündlich darüber mitgetheilt oder geschrieben wurde, enthüllte die Geschichte seines Knabenalters. Der Plan zu »David Copperfield«, der die ganze Welt zu seiner Vertrauten machen sollte, war damals noch nicht in ihm aufgestiegen; was für mich aber eine so aufregende Enthüllung gewesen war, wurde seinen Lesern grade mit so vielen Abänderungen und Zusätzen erzählt, daß er sich für den Augenblick hinreichend unter der Hülle seines Helden verbarg. Denn der arme kleine Junge, mit guten Fähigkeiten und einer gefühlvollen Natur, der im Alter von zehn Jahren in einen »arbeitenden Knecht« im Dienste von Murdstone und Grinby verwandelt wurde und dem es schon sehr seltsam vorkam, wie man sich seiner in einem solchen Lebensalter so leicht hatte entledigen können, war in der That er selbst. Er durchlebte die geheime Seelenqual, der »Genosse von Mick Walker und Mealy Potatoes« geworden zu sein, und seine Thränen mischten sich mit dem Wasser, womit er und sie die Flaschen ausspülten und wuschen. Es war Alles als Thatsache niedergeschrieben, ehe er daran dachte, einen andern Gebrauch davon zu machen, und erst mehrere Monate später, als der Gedanke zu »David Copperfield«, der ihm selbst durch das nahe gelegt wurde, was er über seine Jugendleiden aufgezeichnet, in seinem Geiste Gestalt zu gewinnen anfing, entsagte er seiner ersten Absicht, sein eignes Leben zu schreiben. Jene Erfahrungen im Waarenhause schlossen sich dann dem von ihm gewählten Gegenstande so bequem an, daß er der Versuchung, sie sofort zu gebrauchen, nicht widerstehen konnte; und seine Aufzeichnungen darüber, die nur den ersten Theil dessen ausmachten, was er hatte schreiben wollen, wurden der Hauptsache nach in das elfte und die früheren Kapitel seines Romans aufgenommen. Was mir jedoch schon übersandt war, sowie interlinirte Correcturbogen des Romans setzen mich jetzt in den Stand, die Thatsachen von der Dichtung zu trennen und der Kindheitsgeschichte des Schriftstellers diejenigen in dem Buche ausgelassenen Stellen hinzuzufügen, welche, abgesehen davon daß sie die Entwicklung seines Charakters aufhellen, uns ein Bild tragischer Leiden und einer eben so zarten als humoristischen Phantasie darbieten, das selbst von den Wundern seiner veröffentlichten Schriften nicht übertroffen wird.

Die Person, welche indirect für die nachstehend beschriebenen Vorgänge verantwortlich war, war sein schon öfter erwähnter junger Verwandter James Lamert, derselbe, der die theatralischen Aufführungen in Chatham einrichtete und der nach Beendigung seiner Studien in Sandhurst bei der Dickensschen Familie in Bayham Street gewohnt hatte, in der Hoffnung, bald sein Officierspatent zu erhalten. Er erhielt dasselbe erst viel später, als Zeichen der Anerkennung der Verdienste seines Vaters, und gab es dann zu Gunsten eines jüngeren Bruders aus; er hatte aber inzwischen, schon ehe die Familie Bayham Street verließ, nicht mehr bei ihr gewohnt. Der Mann einer seiner Schwestern, ein Vetter von ihm, Namens George Lamert, ein Mann von Vermögen, hatte sich kurz vorher auf eine seltsame commercielle Spekulation eingelassen und ihn zur Hülfe in sein Büreau und sein Haus aufgenommen. Ich theile nun das Fragment von Dickens' Selbstbiographie mit.

Diese Spekulation war eine Concurrenz mit ›Warrens' Schuhwichse, Nr. 30, Strand‹ – die damals sehr berühmt war. Ein gewisser Jonathan Warren (der berühmte hieß Robert), wohnhaft Nr. 30, Hungerfordstairs, oder Hungerfordmarket, Strand (denn ich vergesse, wie es damals hieß), machte den Anspruch, der ursprüngliche Erfinder oder Eigenthümer des Schuhwichse-Recepts gewesen und von seinem berühmten Verwandten abgesetzt und schlecht behandelt worden zu sein. Endlich machte er Anstalten, sein Recept und seinen Namen und sein Nr. 30, Hungerfordstairs, Strand (Nr. 30 Strand sehr groß und die dazwischen liegende Adresse sehr klein geschrieben), für eine Leibrente zu verkaufen und ließ durch seine Agenten bekannt machen, daß etwas Kapital ein großes Geschäft daraus machen werde. Der Mann mit etwas Vermögen fand sich in George Lamert, dem Vetter und Schwager von James. Er kaufte das Recht und den Anspruch und begab sich in das Schuhwichsegeschäft und das Schuhwichsehaus.

»In einer bösen Stunde für mich, wie ich oft mit Bitterkeit dachte. Der Hauptgeschäftsführer, James Lamert, der Verwandte, der in Bayham Street bei uns gewohnt hatte und wußte, was meine tägliche Beschäftigung und unsre häuslichen Verhältnisse damals waren, schlug vor, ich solle in das Schuhwichselager eintreten und mich dort so nützlich machen als ich könne, für einen Lohn von, wie ich glaube, sechs Schillingen die Woche. Ich weiß nicht genau, ob es sechs oder sieben waren. Bei meiner Ungewißheit über diesen Punkt neige ich zu der Annahme, daß es zuerst sechs und später sieben waren. Jedenfalls wurde der Vorschlag von meinem Vater und meiner Mutter sehr bereitwillig angenommen und eines Montag Morgens begab ich mich in das Schuhwichselager, um mein Geschäftsleben zu beginnen.

»Es ist mir wuuderbar, wie man mich in einem solchen Alter so leicht in die Welt hinausstoßen konnte. Es ist mir wunderbar, daß selbst nach meinem Herabsinken zu der Stellung des armen kleinen Sklaven, der ich seit unsrer Ankunft in London gewesen war, Niemand Mitleid genug hatte mit mir – einem Kinde von hervorstechenden Fähigkeiten, aufgeweckt, lernlustig, zart und körperlich wie geistig leicht verletzt – um vorzuschlagen, daß man, wie ganz gewiß möglich gewesen wäre, etwas erübrigen könne, mich in eine gewöhnliche Schule zu schicken. Unsre Freunde hatten wahrscheinlich die Geduld verloren. Niemand gab ein Lebenszeichen von sich. Mein Vater und meine Mutter waren ganz zufrieden. Sie hätten es kaum mehr sein können, wäre ich zwanzig Jahre alt gewesen und, nachdem ich mich auf dem Gymnasium ausgezeichnet, nach Cambridge auf die Universität gegangen.

»Das Schuhwichselager war das letzte Haus an der linken Seite der Straße, bei den alten Hungerfordstairs. Es war ein sonderbares, wackliges altes Gebäude, das, wie sich von selbst versteht, an den Fluß stieß und wörtlich von Ratten wimmelte. Seine holzbekleideten Zimmer und seine verrotteten Fußböden und Treppen und die alten grauen Ratten, die unten im Keller umherschwärmten und der Klang ihres Gequieks und Gezänks, der zu allen Zeiten die Treppe hinaufscholl, und der Schmutz und Verfall des Hauses, steigen sichtbar vor mir auf, als ob ich wieder dort wäre. Das Comtoir war im ersten Stockwerk, von wo man die Kohlenschiffe und den Fluß überschaute. Es befand sich eine Nische darin, in der ich sitzen und arbeiten sollte. Meine Arbeit bestand darin, daß ich die Schuhwichse-Töpfe bedeckte, zunächst mit einem Stück Oelpapier und dann mit einem Stück blauem Papier, einen Faden darum band und dann das Papier ringsum genau und nett abschnitt, bis es so schmuck aussah wie ein Salbetopf aus einem Apothekerladen. Wenn eine gewisse Anzahl Gros von Töpfen diesen Gipfel der Vollkommenheit erreicht hatte, mußte ich auf jeden eine gedruckte Etiquette kleben und dann wieder mit neuen Töpfen anfangen. Zwei oder drei andre Jungen thaten dieselbe Arbeit um ähnlichen Lohn unten im Hause. Einer von ihnen kam an dem ersten Montag Morgen, in zerlumpter Schürze und einer Mütze von Papier, herauf, um mir den Kunstgriff beim Gebrauche des Fadens und dem Knüpfen des Knotens zu zeigen. Er hieß Bob Fagin und ich nahm mir die Freiheit, von seinem Namen lange nachher in »Oliver Twist« Gebrauch zu machen.

»Unser Verwandter hatte es freundlich übernommen, mir während der zum Mittagsessen bestimmten Stunde einigen Unterricht zu geben; ich glaube von zwölf bis ein Uhr täglich....

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