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E-Book

Chemiestandorte

Markt, Herausforderungen und Geschäftsmodelle

VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl282 Seiten
ISBN9783527681365
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis73,99 EUR
Dieses praktisch orientierte Buch präsentiert systematisch neue und aktuelle Konzepte für Chemiestandorte. Geschrieben von einem renommierten Autorenteam aus Wissenschaft, Beratung & Praxis ist das Buch ein Muss für jedermann aus dieser Branche.

Prof. Dr. Carsten Suntrop ist Professor fur Unternehmensentwicklung und Organisationsperformance an der Europaischen Fachhochschule Rhein / Erft GmbH (EUFH) und geschaftsfuhrender Gesellschafter der CMC? GmbH, einer Nischenberatung fur Strategieentwicklung, Organisationsgestaltung und Organisationsperformance fur die produzierende chemische Industrie und Chemiestandorte (Betreiber, Manager, Eigentumer). Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann im Sauerland und dem FH- und Universitats-Studium der Betriebswirtschafslehre und Wirtschafts-/Sozialwissenschaften wurde er 1998 an der Universitat Luneburg im Bereich Unternehmungsfuhrung und Organisation promoviert. Erfahrung als Managementberater erlangte er seit 1995 unter anderem bei der Hochst AG, bei der Diebold Management- und Technologieberatung und der schweizerischen ICME AG. Seine Aufgabenfelder lagen dabei in den Bereichen Supply Chain Management, Prozessmanagement, Aufbauorganisation und Stratgieentwicklung und -umsetzung fur die chemischen Infrastruktur- und Industriedienstleister sowie die Chemische Industrie. Carsten Suntrop ist Certified Management Consultant (CMC/ BDU), zertifizierter Systemischer Organisationsberater und zertifizierter Prozessberater im Programm unternehmensWert:Mensch, gefordert durch das Bundesministerium fur Arbeit und Soziales und den Europaischen Sozialfond.

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Leseprobe

1
Chemiestandortperspektiven und -Strategien


Carsten Suntrop

In diesem Beitrag wird der Chemiestandort aus Sicht der beteiligten Stakeholder charakterisiert und die Bedeutung des Chemiestandortes aus den verschiedenen Perspektiven gegenübergestellt. Es werden existierende Ansätze, idealtypische und visionäre Chemiestandort-Modelle vorgestellt, um einen Perspektivenwechsel und damit strategische Diskussion zu ermöglichen. Für den eigenen Chemiestandort oder die eigenen Chemiestandorte können daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die im situativen Kontext zu prüfen sind. Dieser situative Kontext setzt sich zusammen aus der Historie des Chemiestandortes, den individuellen Interessen und Kulturen der produzierenden Chemieunternehmen an den Chemiestandorten und den strategischen Möglichkeiten der Chemiestandorteigentümer, -betreiber und -manager. Die hohe Komplexität des Chemiestandortes wird in diesem Beitrag für strategische Managementprozesse greifbar gemacht. Dies erfolgt auf Basis von Erfahrungen der Wissenschaft, Beratung und Praxis.

1.1 Chemische Industrie als Rahmenbedingung für den Chemiestandort


Als Rahmenbedingung für strategische Diskussionen dürfen zum einen die aktuellen positiven Entwicklungen in der chemischen Industrie gesehen werden. Zum anderen aber auch die Zeit der schweren Wirtschaftskrise Ende 2008 bis 2010, welche als Sinnbild für Kettenreaktionen von schwachen Abnehmerbranchen und deren massive negative Auswirkung auf eine weltweit überraschte, nachhaltig beeindruckte chemische Industrie zu sehen ist. Die Verletzbarkeit auch dieser stoisch wirkenden, von Erfolgen verwöhnten chemischen Industrie hat deutlich gemacht, dass zum einen die Branche nicht auf die Schnelligkeit von Risikoereignissen eingestellt war und zum anderen Liquidität (neben zahlreichen anderen Anforderungen) das Erfolgsrezept ist, um länger anhaltende Krisen zu überstehen. Die chemische Industrie, insbesondere auch die deutsche chemische Industrie, hat sehr deutlich gezeigt, dass die Stakeholder gemeinsam in der Lage sind, Krisensituation zu meistern. Die chemische Industrie (Produzenten und Dienstleister) ist gestärkt mit vielen Learnings aus der Krise hervorgegangen und verzeichnen sehr gute Geschäfte.

Vergleichbar mit der gesamten deutschen Wirtschaftssituation gab es auch in der Chemieindustrie Umsatzeinbrüche (von 173 Mrd. € in 2007 auf 145 Mrd. € in 2009). Dennoch erholte sich die Branche in den Folgejahren sehr rapide (von 171 Mrd. € in 2010 auf 191 Mrd. in 2014. Während der Inlandsumsatz seit 2010 bei 71 Mrd. € bis 2014 bei 76 Mrd. € stagniert, steigt der Auslandsumsatz von 100 Mrd. € auf 115 Mrd. €. (www.vci.de/die-branche/zahlen-berichte/chemiewirtschaft-in-zahlen-online.jsp)). Die Branche hat mit der Wirtschaftskrise viele neue Erfahrungen sammeln können. Die Möglichkeit, auch verletzt zu werden, sensibilisiert die Unternehmen für die Themen Liquidität, Investition, Working Capital aber auch Humankapital und Organisationsperformance. Die kurzfristige Steuerung von Unternehmen macht insbesondere in den oligopolistischen Strukturen der chemischen Industrie nur wenig Sinn. Einige Mechanismen der Früherkennung, Leistungsmessung und nachhaltigen Unternehmensführung sind überarbeitet und professionalisiert worden. Leider weichen diese Themen dann schnell wieder kurzfristigen Effizienzsteigerungen. Die Erfolge der letzten Jahre zeigen jedoch, dass viele richtige Hebel umgelegt worden sind. Hier haben wir in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, noch Verbesserungspotenzial.

Die Chemie-/Pharmaindustrie ist mit 445 000 Beschäftigten und einem Umsatz von 191 Mrd. € (www.vci.de/die-branche/zahlen-berichte/chemiewirtschaft-in-zahlen-online.jsp) der drittgrößte deutsche Industriezweig. Neben den reinen Zahlen ist die chemische Industrie der Garant für hochwertige Produkte „Made in Germany“. Da die chemische Industrie nicht den Endkunden beliefert, wird oft vergessen, wie wichtig die Vorprodukte und Rohstoffe aus der chemischen Industrie für zahlreiche andere Branchen in Deutschland sind, wie z. B. innovative Lacke für die Automobilindustrie oder spezifische Wirkstoffe für die Pharmaindustrie.

Die chemischen Grundstoffe nehmen immer noch den größten Teil der Umsätze der deutschen Chemie ein (52%). Hier hat die deutsche chemische Industrie verstanden, dass der globale Kampf um die Commodities eher in anderen Kontinenten stattfindet. Die bedarfsgerechte Produktion von Commodities für Folgestufen wird nach wie vor auch in Deutschland bzw. Europa stattfinden. Eine völlige Abwanderung scheint unrealistisch.

Leistungsstark ist die deutsche chemische Industrie in den Folgestufen, wenn es um anwendungsorientierte und ideenreiche Produkte geht. Hier rücken dann auch chemische Industrie, Forschungsinstitute und Kunden näher zusammen, um Innovationen zu generieren wie leichtere, stabilere Werkstoffe bei den Polymermaterialien, effiziente Wasseraufbereitungsverfahren oder Nanotechnologien für Beschichtungsmaterialien.

Es gibt spezifische deutsche Herausforderungen, welche die chemische Industrie meistern muss, dazu gehören beispielsweise der indirekte Zugang zu den Rohstoffen, die damit einhergehende Abwanderung der Commodity-Produkte und der Umgang mit der Commoditisierung von heutigen Fein- oder Spezialchemikalien.

Die Trends für die deutsche Chemie lassen sich mit den globalen Trends in Verbindung bringen, da die chemische Industrie selten eine lokale Industrie ist. In der Produktentwicklung sind dies Trends wie Wasserverfügbarkeit, Minimalisierung oder Individualisierung. In der Beschaffung sind es Trends wie Verfügbarkeit von (natürlichen) Ressourcen, Rückwärtsintegration in den Tertiärbereich oder Nachhaltigkeit. Für das Unternehmen selber sind es Trends wie Demografie, Partnermanagement in der Wertschöpfungskette und Entkomplizierung sowie Flexibilisierung interner Strukturen und Prozesse.

Wenn man sich Ostdeutschland vor ca. 25 Jahren anschaut, war die Chemieindustrie monostrukturell aufgebaut und von veralteten Produktionsapparaten als auch teilweise von Erzeugnissen minderer Qualität gezeichnet. Durch die Wiedervereinigung ergab sich im Osten vorerst ein Verlust des Absatzmarktes sowie neben Konkurrenzproblemen ein starker Rückgang der Beschäftigtenzahl. Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung entstanden mehrere Chemieparks, wobei sich aus früheren Kombinaten mit Produkten der Basischemie offene Chemiestandorte mit einer spezialisierten Produktpalette entwickelten. In den Folgejahren ergaben sich eine erhebliche Verbesserung der Infrastruktur sowie eine pro aktiv gesteuerte Reduzierung des Schadstoffausstoßes. Der ost- bzw. mitteldeutsche Chemie-Cluster hat sich damit zu einem sehr wettbewerbsfähigen Teil der deutschen chemischen Industrie entwickelt – entsprechende Investitionen zeigen dies.

Für umfangreiche Investitionen in den deutschen Chemiestandort gibt es in den letzten Jahren zahlreiche Beispiele in allen Bundesländern: im Süden die Investitionen in das bereits lang geplante Gaskraftwerk (650 Mio. €) oder die Überholung der Raffinerie durch die OMV (100 Mio. €), das Zentrallabor der Wacker AG (30 Mio. €), die abgeschlossene Ethylen-Pipeline als wichtiges strategisches Projekt, die Umrüstung auf Membrantechnologie in 2009 durch Vinnolit (70 Mio. €). Im Osten investierte Dow Chemicals in 2014 ca. 100 Mio. € und mit anderen Chemieunternehmen im ValuePark in den letzten Jahren mehrere Hundert Mio. €, im Chemie- und Industriepark Zeitz erfolgten zahlreiche Investitionen in Höhe von 300 Mio. €, welche in den letzten Jahren bereits umgesetzt wurden. Am Standort Leuna sind rund 300 Mio. € Investitionen geplant. In Deutschlands Mitte investierte Clariant 100 Mio. € in das neue Clariant Innovation Center im Industriepark Höchst. Die BASF plant in Ludwigshafen Investitionen in Höhe bis zu 10 Mrd. €, einen Teil davon in neue Anlagen für Dämmstoffe, Weichmacher und Aroma-Chemikalien. Im Westen setzte die Currenta Investitionen an den CHEMPARK-Standorten in 2013 und 2014 in Höhe von 500 Mio. € um, Evonik investiert in neue Großanlagen, Kapazitätserweiterungen, Neubau von Forschungseinrichtungen in Höhe von 2 Mrd. € von 2012 bis 2016 in Deutschland. Im Norden investierte Sasol in Brunsbüttel 100 Mio. € in verschiedene Anlagen. Die aufgezeigten Investitionen sind der Beraterdatenbank mit dem Blick auf regionale Schwerpunkte entnommen und zeigen, wie vielfältig aber auch umfangreich und strategisch diese den Chemiestandort Deutschland absichern werden. Die Konkurrenz unter den weltweiten Chemiestandorten ist nicht zu ignorieren – Deutschland hat aber immer sehr gute Argumente für eine Investition an einem deutschen Chemiestandort. Hier stehen natürlich Verbundüberlegungen, optimale Wertschöpfungsketten und eine Umfeldbetrachtung im Vordergrund.

Die Studie „Energieversorgung der Zukunft“ geht davon aus, dass sich bis 2030 der Primärenergieverbrauch durch den intelligenten Einsatz von Chemie und intensiver Forschung um 20% senken lässt. Es werden drei Wege für die bewusste Nutzung nachwachsender Rohstoffe gesehen: sparsamer Umgang, Effizienzsteigerung oder Wechsel des Rohstoffes. Hierbei unterstützen...

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