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E-Book

Cho Oyu

Göttin des Türkis

AutorReinhold Messner
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492969864
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Den Tibetern gilt der Cho Oyu als heilig; in Europa wurde seine Existenz erst 1921 bekannt. Lange Zeit war er der am wenigsten begangene Achttausender, heute ist er mit dem Mount Everest der meist bestiegene. Reinhold Messner berichtet von der Bedeutung des Nangpa La, einem 6000 Meter hoher Pass, über den seit Urzeiten die Menschen des Himalaja ziehen: Er erzählt von der Erstbesteigung durch den Österreicher Herbert Tichy 1954, vom dramatischen Verlauf der Frauenexpedition 1959, von Reinhard Karls Tod, vom eigenen Scheitern am Cho Oyu und der Besteigung 1983, aber auch von modernen Routen wie der von Denis Urubko.

Reinhold Messner, Grenzgänger, Autor und Bergbauer, wurde 1944 in Südtirol geboren und wuchs in einem Bauerndorf auf. Bereits 1949 ging er zum ersten Mal in Begleitung seines Vaters auf einen Dreitausender. Nach seinem Technik-Studium arbeitete er kurze Zeit als Mittelschullehrer, ehe er sich ganz dem Bergsteigen verschrieb. Seit 1969 hat er mehr als hundert Reisen in die Gebirge und Wüsten dieser Erde unternommen. Dabei gelangen ihm zahlreiche Erstbegehungen und Achttausenderbesteigungen sowie eine Längsdurchquerung Grönlands. Reinhold Messner war nie um Rekorde bemüht, ihm geht es um das Ausgesetztsein in möglichst unberührten Naturlandschaften und das Unterwegssein mit einem Minimum an Ausrüstung. Er hielt Vorträge in ganz Europa, den USA, Japan, Australien, Südamerika, drehte Dokumentarfilme und veröffentlichte Artikel, u.a. in »Stern«, »Spiegel«, »GEO«, »Epoca«, »Espresso«, »National Geographic«. Seine Buchveröffentlichungen wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt. Von 1999 bis 2004 saß er für eine Legislaturperiode als Parteiloser für die Grünen im Europaparlament. Mittlerweile widmet Messner sich vor allem seinen Messner Mountain Museen (MMM) an sechs verschiedenen Standorten in den Alpen sowie seinen Film- und Buchprojekten. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt den Schlüsselgeschichten des Alpinismus. Zuletzt erschienen u.a. der SPIEGEL-Bestseller »Sinnbilder: Verzicht als Inspiration für ein gelingendes Leben« (mit Diane Messner) sowie »Gebrauchsanweisung für Südtirol«.

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Leseprobe

HISTORIE


»Zum ersten Mal, seit ich Vanessa kenne, bin ich ohne sie auf einer Expedition. Angst ist da, verursacht oder ausgelöst durch ihr Fehlen. Vanessa und die Nachricht von meinem Tod, wie damals Eva und die Nachricht von Reinhards Tod. Auf einem Zettel, von irgendeinem Nepali in die Hand gedrückt, stand: ›Reinhard was killed by an avalanche on Cho Oyu.‹ Vielleicht werden meine Freunde, wenn sie mich finden, meine Gsi-Steine abschneiden und sie Vanessa bringen. Sie ist allein, weil sie mich in meinen Verrücktheiten unterstützt hat. Darüber bin ich traurig.«

Oswald Oelz

Ein Pass und sein Berg


von Reinhold Messner


»Vielleicht erinnere ich mich auch wirklich nicht ungern an die Sturmstunden im Lager IV. Nicht aus Heroismus – es war keine heldenhafte Situation; auch nicht aus Gefühlsgründen – obwohl ich die aschgrauen Gesichter der Sherpa nie vergessen werde; sondern ganz einfach, weil diese Augenblicke im Schatten des Jenseitigen so gar nichts mit dem alltäglichen Leben gemein haben.«

Herbert Tichy

Der Cho Oyu – im Tibetischen kann der Name dieses Berges auch »Göttin des Türkis« bedeuten – ist nach neuesten Vermessungen 8202 m hoch und damit der sechsthöchste Gipfel der Erde.

Im Süden dieses Achttausenders bewohnen die Sherpa, »das Volk aus dem Osten«, die kargen Täler und Hochalmen, im Norden leben Tibeter. Über den Nangpa La, einen fast sechstausend Meter hohen Pass, unmittelbar am Westfuß des Cho Oyu, ziehen seit Menschengedenken die stärksten Männer des Himalaja hin und her, um Handel zu treiben. Die Sherpa holten einst Salz aus Tibet und kauften Felle, Wolle und sogar Yaks von ihren Nachbarn im Norden; die Tibeter holten Getreide und Tuch aus dem Süden und brachten diese Güter in wochenlangen, beschwerlichen Märschen über den Nangpa La in ihre Heimat Tibet, ins Schneeland. Heute strömen vor allem chinesische Waren über den Pass nach Nepal, Billigprodukte, die in den Bergtälern im Süden verkauft werden.

Der Nangpa La, dieser höchste regelmäßig begangene Pass der Welt, ist für Ausländer aber seit bald sechs Jahrzehnten gesperrt. Seit 1959, als der Dalai Lama Tibet verlassen hatte und die chinesische Zentralregierung unwiderruflich die Herrschaft über das tibetische Hochland proklamierte, wird die Grenze an diesem für Ortsfremde unzugänglichen Himalaja-Pass von Tingri aus kontrolliert. Ein- und Ausreise sind dort inzwischen für alle verboten.

Trotzdem ist es in den vergangenen Jahrzehnten ganzen Familien gelungen, über den Nangpa La von Tibet nach Nepal zu fliehen. Viele Khampas vor allem, die, unterstützt von humanitären Organisationen aus der Schweiz, den Invasoren aus dem Osten entgegengetreten waren. Mit ihren bescheidenen Waffen – ellenlange Schwerter und Vorderlader – waren sie den mit Flugzeugen, Panzern und Maschinengewehren kämpfenden Chinesen zuletzt hoffnungslos unterlegen. Trotz bester Geländekenntnisse und der Fähigkeit, in der dünnen Höhenluft zu überleben.

Diese mutigen Kämpfer hatten den chinesischen Eindringlingen am längsten Widerstand geleistet. Am Ende hatten sie sich ergeben oder fliehen müssen.

Blick vom Nangpa La nach Süden

Ohne es zu wissen, war ein Teil der fliehenden Khampas dann denselben Weg gegangen, den Zigtausende ihrer Vorfahren ein halbes Jahrtausend früher schon angetreten hatten, den Weg in die Freiheit im Süden des Himalaja-Gebirges, das die Hochfläche Tibet wie einen schier unüberwindlichen Grenzwall von den Königreichen Nepal, Sikkim und Bhutan trennt. Bei dieser Völkerwanderung kam wohl auch die Legende vom Yeti ins Sherpa-Land Solo Khumbu und somit nach Nepal.

»Der Yeti, der sogenannte Schneemensch, ist ein Fabeltier. Kein Mensch hat es je fotografiert, doch die Sherpa glauben fest an ihn und dulden keine Scherze. Ang Dorje behauptet felsenfest, einen Yeti gesehen zu haben. Wenn er davon erzählt, beginnt er zu schreien.«

Jul Bruno Laner

Am östlichen Rand der tibetischen Hochfläche, dort, wo himmelhohe Berge eine natürliche Schutzmauer gegen das chinesische Sichuan bilden, liegt die Provinz Kham. Dort lebten und leben die Khampas. Heute noch. Vor mehr als 500 Jahren lebten dort auch die Sherpa. Zwischen den Zuflüssen des Yangtse und des Huangho besaßen sie viel Land in einem Gebiet, das sie Salmo Gang nannten.

Eines Tages verkauften sie alle unbeweglichen Güter und verließen mit Kind, Kegel und Yaks ihre Heimat. Mit ihren Yaks – bepackt mit Hausgeräten, feuervergoldeten Bronzen, Silber und wertvollen Kleidungsstücken – zogen sie monatelang nach Südwesten. Im zentralen Tibet, wo einst wie in Kham die vorbuddhistische Bon-Religion weiterlebte, blieben sie nomadisierend viele Jahre lang: immer in Bewegung, wie auf der Flucht.

Sherpa-Dorf – an die Hänge gebaut – Äcker im Talboden

Zuletzt setzten sie ihre Reise fort. Bis nach Lhasa, wo inzwischen die Hierarchie der Dalai Lamas gegründet worden war. Die Gottkönige waren offensichtlich bestrebt, ihre religiöse und politische Macht über ganz Tibet auszudehnen. Die freiheitsliebenden Clans aus Kham aber hingen an ihrer alten Bon-Religion und wollten von der Zentralregierung in Lhasa nichts wissen. Nachdem sie im Jo-Khang-Tempel – dem ältesten buddhistischen Heiligtum des Landes – gebetet, Butterlampen geopfert und Khatas, weiße Glücksschleifen, niedergelegt hatten, zogen sie weiter.

Über Gyantse und Shegar Zong kamen sie nach Tingri, einer großen Ebene im Norden des heiligen Berges Tseringma und des alles überragenden Cho Oyu. Lange blieben sie mit ihren Yak-Herden, in schwarzen Zelten wohnend, dort. Sie besuchten die Heiligtümer von Rangshar am Fuß der »Göttlichen Mutter« Tseringma, der Tochter des Berggottes Himachal, und das berühmte Lama-Kloster Rongbuk am Nordfuß des Chomolungma, der »Göttlichen Windmutter«, wie sie den Berg nannten, den wir als Mount Everest bezeichnen. Nach einigen Jahren Aufenthalt in der Ebene von Tingri beschlossen die Führer der Sherpa-Clans weiterzuziehen. Es waren nicht genügend Äcker und Weideflächen vorhanden für die Einwohner von Tingri und die Yak-Nomaden, die seit Jahrzehnten dort den Winter verbrachten, geschweige denn für die Neuankömmlinge aus Kham. Es gab Streit. Die Sherpa gingen freiwillig. Sie überschritten den Nangpa La zwischen Tseringma (auch Gaurishankar) und Cho Oyu, stiegen über Lunak, Thame nach Namche Bazar ab und wurden weiter südlich davon, im Khumbu-Gebiet und in den Tälern von Solo, sesshaft.

Ich bin innerhalb von 40 Jahren häufig in Solo Khumbu gewesen, habe wochenlang mit den Sherpa in Khumjung gelebt und stundenlang dem Singsang der Lamas in Thengboche gelauscht. Ich war an der Ama Dablam und auf dem Mount Everest. Zweimal war ich von Tibet ganz nahe an den Cho Oyu herangekommen, einmal von Rongbuk, einmal von Tingri aus. Niemals aber war es mir möglich gewesen, bis zum Nangpa La vorzustoßen, zur Schlüsselstelle der Sherpa-Völkerwanderung. Auch im Dezember 1982 nicht, als wir mit einer Südtiroler Expeditionsmannschaft eine Winterbesteigung dieses heiligen Berges versuchten.

Die Steinhütten der Sherpa

»Wir gehen an Tempeln vorbei, zerklüftet und dem Einsturz nahe. Ein heiliger Baum, unter dem Buddha Erleuchtung hätte finden können, ist hineingewachsen und sprengt langsam das Mauerwerk. Der Baum ist heiliger als menschliches Machwerk: Man lässt den Baum stehen und den Tempel verfallen. Ich denke an unsere Betonstädte, in denen kein Gras mehr wächst.«

Jul Bruno Laner

Erst ein halbes Jahr später stand ich erstmals an diesem historischen Ort. Die Regierung in Nepal hatte mir erneut eine Genehmigung für die Besteigung des Cho Oyu angeboten. Diesmal von Südwesten her, vom Nangpa La aus. Allerdings mit der Auflage, den Pass selbst nicht zu betreten. Wir hätten in die Hände chinesischer Grenzposten fallen können.

Als ich im April 1983 also erneut zu einem Versuch aufbrach, waren nur drei Besteigungen nachgewiesen. Der Cho Oyu war damals der am seltensten bestiegene Achttausender. Meine Neugier aber richtete sich weniger auf den Berg als vielmehr auf die Besiedlungsgeschichte von Solo Khumbu. Jahre später habe ich die Urheimat des Sherpa-Volkes besucht und dort eine ähnliche Baukultur vorgefunden wie in seiner heutigen Heimat Solo Khumbu. Auch die Tschorten, die Gebets- oder Reliquienschreine, stehen an ähnlich aussehenden Orten. Als ob die Sherpa-Clans auf ihrer langen Völkerwanderung eine Gegend gesucht hätten, die dem verlassenen Raum entspricht.

Tschorten am Wegrand in Solo...

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