In der Einführung in das Themengebiet des Corporate Brandings wurden verschiedene Gründe genannt, warum Unternehmen, die hinter Produkten bzw. Produktmarken stehen, in den Fokus gelangen. Als eine Möglichkeit, diese gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen zu bewältigen, wurde das Corporate Branding vorgestellt.
Interbrand erhebt jährlich eine Studie über die 100 wertvollsten Marken (gerankt nach Markenwert) der Welt. Angeführt von Marken wie Apple (98,3 Milliarden US-Dollar), Google (93,2 Milliarden US-Dollar) und Coca-Cola (79,2 Milliarden US-Dollar) machen die 100 wertvollsten Marken einen Gesamtwert von 1,5 Billionen US-Dollar aus.[10]
Neben der alleinigen Aussagekraft dieser Werte für die Bedeutung von Marken, stellen diese „[…] einen wichtigen Vermögensstand und potenziellen zukünftigen Wettbewerbsvorteil des Unternehmens sowie einen Anreiz für Investitionen in das Unternehmen dar“[11]. Weiterführend ergeben sich für Unternehmen weitere finanzwirtschaftliche positive Effekte: Corporate Brands beeinflussen Stakeholder bei der Entscheidung von Aktienkäufen. Umso klarer und ansprechender das Corporate Image ist, desto höher ist die Bereitschaft zum Aktienkauf. Abbildung 1 zeigt dieses Zusammenhang anhand verschiedener der Unternehmen.
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen der Bereitschaft zum Aktienkauf und Klarheit des Markenimage (eigene Darstellung in Anlehnung an Esch, et al., (2006), S. 9 aus GEO, 1998)
Die Top 3 dieser Darstellung, gemessen an der Bereitschaft zum Aktienkauf, lässt sich auch in der Studie von Interbrand „Best Global Brands 2013“ wiederfinden und veranschaulicht den Zusammenhang des Corporate Image zum Markenwert.[12]
Auch lassen sich, wie in der Einleitung genannt, verschiedene ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen identifizieren. Hautsächlich kann von folgenden Entwicklungen gesprochen werden:
Durch immer stärker werdende Wettbewerbsintensität (auch auf den Beschaffungsmärkten) wird der Kampf um Kapitalgeber, Mitarbeiter, Ressourcen und letztlich auch um Kunden für Unternehmen härter. Angesichts der größeren Anzahl von Wettbewerbern und der damit verbundenen Anzahl von Alternativen für den Kunden werden Produkte und Dienstleistungen immer vergleichbarer und austauschbarer.[13] Corporate Brands können durch den klassischen Nutzen von Marken für Vertrauen bei verschiedenen Zielgruppen sorgen.
Darüber hinaus müssen Unternehmen durch kürzere Produktlebenszyklen den Kunden in kürzerer Zeit gewinnen und überzeugen. Corporate Brands können auch hier über die Orientierungshilfe hinweg das Vertrauen von Kunden gewinnen und diese auch an die Marke binden.[14]
Die Bedeutung verschiedener Zielgruppen, den sogenannten Stakeholdern[15], hat über den klassischen Kunden hinaus stark an Bedeutung gewonnen. Unternehmen müssen durch eine differenzierte Kommunikation alle Stakeholder ansprechen und zugleich für ein einheitliches Image sorgen.[16]
Durch die Globalisierung und Internationalisierung von Unternehmen und Märkten ersetzt die Identität der Corporate Brand die Erwartungen und Vorurteile des Herkunftslandes.[17]
Durch die Zunahme von Unternehmenskäufen und Fusionen erhält die Corporate Brand durch ihren Beitrag zum Unternehmenswert eine wichtige Rolle. Darüber hinaus geben Unternehmenskäufe auch Aufschluss über die Identität eines Unternehmens.[18]
Aufgrund des Fachkräftemangels[19] bekommen Mitarbeiter immer mehr Verständnis dafür, dass sie eine der wichtigsten Ressourcen für Unternehmen sind und werden dadurch anspruchsvoller.[20] Mitarbeiter haben einen entscheidenden Einfluss in der Umsetzung von Corporate Brands.
Das Umweltbewusstsein und die soziale Verantwortung der Gesellschaft wachsen immer weiter. Unternehmerisches Handeln, gerade der Zusammenhang von wirtschaftlichem Erfolg und umweltbewusstem Handeln, wird so stark wie noch nie von der Gesellschaft hinterfragt und beobachtet. Um den Anforderungen aller Stakeholder gerecht zu werden, muss dem Unternehmen der einwandfreie Spagat zwischen rentablem und nachhaltigem Wirtschaften gelingen.[21]
Die zunehmende Digitalisierung, insbesondere das Internet, ermöglicht allen Stakeholdern eine schnelle und ausführliche Informationsbeschaffung über Unternehmen.[22] Darüber hinaus können Unternehmen Informationsflüsse von Stakeholdern in sozialen Medien wenig bis gar nicht kontrollieren. Unternehmen haben keinen Einfluss darauf, ob sie „online“ sind oder nicht.[23]
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass durch diese Veränderungen Unternehmen immer mehr auf verschiedenen Ebenen in den Fokus gelangen
Für die erste Auseinandersetzung mit der Thematik des Corporate Brandings ziehen Süss et al. (2011) die Betrachtungen von Olins (1989), Aaker (1991), Balmer (1998, 2001) und Kapferer (2001) heran. Süss et al. (2011) beschreiben die Betrachtungen dieser Autoren als Adaption des Produktmarkenansatzes auf das gesamte Unternehmen. Diese Betrachtung aus verschiedenen Themengebieten wie Marketing, Grafikdesign und PR wird als erste von zwei „Wellen“, „first wave of Corporate Branding“, bezeichnet.[24]
Aufgrund des gleichen Verständnisses wie beim Produktmarketing verordnet Schultz et al. (2005) die Verantwortlichkeit über Corporate Brands im Marketing: „With its focus on tactics and visuality, the first wave of Corporate-Branding was carried forward as a marketing and campaign driven approach. As a consequence, responsibility for corporate branding was anchored in the marketing function.”[25]
Aufbauend auf dieser Betrachtung haben sich nach Schultz et al. (2005) sechs verschiedene Corporate-Branding-Mythen (Abb. 2) entwickelt:
Abbildung 2: Corporate-Branding-Mythen
(eigene Darstellung in Anlehnung an Schultz et al. (2005), S. 13)
Süss et al. (2011) beschreiben die von Schultz et al. (2005) analysierten Mythen als eine Barriere für eine strategische Interpretation des Corporate Brandings. Durch die produktmarketingorientierte Denkweise und Einordnung ins Marketing resultierte eine kurzzeitige und undifferenzierte Zielgruppenansprache mit dem Ziel, das Unternehmen positiv darzustellen. Diese
kurzfristige Kommunikation von undifferenzierten positiven Unternehmenseigenschaften, „[…] kann zu einer Kluft zwischen Selbstdarstellung des Unternehmens und seinem tatsächlichen Handeln führen“[26]. Weiter wurde im Rahmen der „first wave of Corporate Branding“ die Unternehmenskommunikation als Zusammenführung aller kommunikativen Maßnahmen verstanden und nicht als Kommunikation, welche die Unternehmensmarke stützen und stärken soll.[27] Auch wurde die Relevanz eines Mitarbeiters für die Corporate Brand zwar wahrgenommen, jedoch wurde von einem automatischen durch das Corporate Branding ausgelösten Brand Commitment[28] ausgegangen.[29]
Die zweite Betrachtungsweise des Corporate Brandings vereint viele Entwicklungen, die in der Einleitung erwähnt wurden und charakterisiert das Corporate Branding als einen interdisziplinären und strategischen Ansatz. [30] Dieser kombiniert verschiedene Themengebiete wie Stakeholder-Ansatz, Corporate Identity und Kommunikationswissenschaften.24 Im Rahmen dieser zweiten Welle („second wave of Corporate Branding“) wird das Corporate Branding als ein von der Geschäftsführung bzw. Topmanagement initiierter Prozess verstanden, der als interner und externer Managementprozess dient und alle Stakeholder differenziert anspricht.[31]
Im Rahmen der Einleitung wurde bereits die wachsende Bedeutung von Stakeholdern für Unternehmen und die Relevanz des Stakeholder-Ansatzes[32] erwähnt. Durch die immer mächtigere Stellung der Stakeholder müssen Unternehmen in heutiger Zeit mehr für ihren Erfolg tun. Unternehmen müssen sich explizit mit Themen wie z. B. Politik, Arbeitsbedingungen und im Besonderen mit dem Thema der Corporate Social Responsibility beschäftigen.[33]
Stakeholder stellen Personen, Personengruppen oder Institutionen dar, welche direkt oder indirekt vom Unternehmenshandeln betroffen sind oder sein...