Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Ideologie der CSR schon seit einiger Zeit existiert. Um ca. 1450-1410 v.Chr. gab es bereits folgenden Grundsatz für das frühzeitliche israelische Volk:
„תִקְצֹר קְצִירְךָ בְשָׂדֶךָ וְשָׁכַחְתָּ עֹמֶר בַּשָּׂדֶה לֹא תָשׁוּב לְקַחְתּוֹ לַגֵּר לַיָּתוֹם וְלָאַלְמָנָה יִהְיֶה לְמַעַן יְבָרֶכְךָ יְהוָה אֱלֹהֶיךָ בְּכֹל מַעֲשֵׂה יָדֶיךָ“ (Biblia Hebraica Stuttgartensia, 1967, S. Dtn 24,20)
„Wenn du deine Olebaum hast geschüttelt / so soltu nicht nachschütteln / Es sol des Frembdlingen / des Waisen / vnd der Widwen sein.“ (Luther, 1545, S. Dtn. 24,20)
Mit dem oben zitierten Bibeltext liegt ein aus der frühen Menschheitsgeschichte einfacher Grundsatz der Verantwortung des Einzelnen für die Gemeinschaft vor, nämlich die Verantwortung zur Teilung eines in seiner Menge nicht genau verpflichteten Ertrags an das Gemeinwohl. Dieses Phänomen trat mit dem dokumentierten Verlauf der Menschheitsgeschichte in unterschiedlichen Formen auf: Waren es zu Beginn unterschiedliche Arten von Spendern, typisierte sich sodann mit dem Griechenland der klassischen Zeit der Euergetismus. (Cramme, 2001, S. 24) Auch in den darauffolgenden Kulturen sind derartige Formen dokumentiert. Über das 16.Jahrhundert schreibt Wagner „Nicht nur die Fugger und Welser als die beiden großen international agierenden Handelscompagnien in der Frühen Neuzeit waren als Mäzene tätig, sondern ebenso die Besitzer lokaler Handelshäuser, kleiner Banken und frühkapitalistischer Manufakturen.“ (Wagner, 2010, S. 145)
Mit einem Sprung in unsere Zeit wurden in den 1970er Jahren „die Schwächen des Manager-Regimes vor allem in den USA offenkundig: Massenproduktion, Fordismus und die damit verbundenen extremen Formen der Arbeitsteilung und Entqualifizierung waren an eine Grenze gestoßen.“ (Windolf, 2010, S. 28) Ebenso provozierte multinationales, unternehmerisches Handeln ein Umdenken: „In the 1960s and 1970s, the activities of multinational enterprises (MNEs) provoked intense discussions that resulted in efforts to draw up international instruments for regulating their conduct and defining the terms of their relations with host countries, mostly in the developing world.“ (International Labour Office, 2006, S. V) Die Wissenschaft suchte nach Erklärungen, die ebenfalls wieder die Verantwortung Einzelner, jetzt insbesondere die von Unternehmen betrafen. Der Begriff „social responsibility“ wurde nun intensiv diskutiert.
Genau genommen ist für die deutsche Übersetzung des Begriffs eine Unterscheidung von „sozialer“ und „gesellschaftlicher“ Verantwortung wichtig, da mit dem Begriff „sozial“ nicht alle gesellschaftlichen Einflussfaktoren berücksichtigt werden. „Social“ wäre somit mit „societal“ gleichzusetzen. (Andriof & MCIntosch, 2001, S. 13-24 in Anlehnung an Raith, 2013, S. 89) Aktuelle Übersetzungen der Leitbilder, wie das der Europäischen Union, schließen den gesellschaftlichen Einflussfaktor mit dem Terminus „sozial“ mit ein. Das Deutsche Institut für Normung übersetzt „social responsibility“ jedoch mit „gesellschaftliche Verantwortung“ (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011). Dieser weiter gefassten Übersetzung wird in dieser Ausarbeitung gefolgt und damit keine Unterscheidung des Terminus „gesellschaftlich“ zu „sozial“ vorgenommen, zumal die jeweiligen Definitionen im Grunde übereinstimmen wie in Folge noch dargestellt wird.
Friedmann schloss sich der wissenschafltichen Diskussion wie folgt an: „there is one and only one social responsibility of business– to use it resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud." (Friedmann, 1970)
Ist jedoch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen wirklich die Gewinnsteigerung unter Einbezug der sozialen Normen, die Bestandteil der „rules of the game“ (Friedmann, 1970) sind? So widmet sich Friedmann im Zusammenhang seiner Argumentation mit dem Problem der mit der gesellschaftlichen Verantwortung verbundenen sinkenden Akzeptanz des marktwirtschaftlichen Systems, „that the pursuit of profits is wicked and immoral and must be curbed and controlled by external forces.“ (Friedmann, 1970, S. 126) Für Friedmann „unterterminiert die Vorstellung einer über die Gewinnmaximierung hinausgehenden Verantwortung von Unternehmen die Grundlagen der Marktwirtschaft und damit zugleich die Grundlagen freiheitlicher Gesellschaft.“ (Lin-Hi, 2009, S. 35) Jedoch hindert dieser oft missinterpretierte Zusammenhang von Friedmann nicht unbedingt davor, die These zu hinterfragen. „Die Gleichsetzung von Unternehmensverantwortung mit Gewinnsteigerung per se ist unangemessen, denn es gibt unverantwortliche Formen von Gewinnerzielung und man kann keineswegs davon ausgehen, dass die Rahmenordnung(en) und der Marktwettbewerb immer schon dafür sorgen, dass diese unverantwortlichen Formen von vornherein für Entscheidungsträger in Unternehmen hinreichend unattraktiv sind.“ (Suchanek, 2010, S. 45) Neben den Eigenkräften der Marktwirtschaft bedürfte es demnach einer gesonderten Regulierung.
Die Öffentlichkeit - aber auch die Unternehmen bzw. Institutionen selbst[6] - gehen vielleicht aufgrund dieses Trends, der durch Negativschlagzeilen über den Missbrauch von Unternehmerkompetenzen in einem steigenden globalen Zusammenhang genährt wird, mittlerweile nicht nunmehr der Frage nach, ob es eine gesellschaftliche Unternehmensverantwortung gibt, sondern wie diese denn ausgestaltet sein sollte; Porter und Kramer schlugen z.B. erst 2006 vor, CSR vermehrt in das Kerngeschäft einfließen zu lassen. (Porter & Kramer, 2006)
In jüngster Zeit wird in diesem Kontext zunehmend auch in Deutschland wie selbstverständlich die Begrifflichkeit „CSR“ in Politik und Wirtschaft verwendet und gefordert. Weltweit gesehen gibt es jedoch keine einheitliche Definition für die CSR. Dahlsrud hat im Jahre 2006 37 Definitionen von CSR analysiert und kam zu folgendem Fazit: „Therefore, the challenge for business is not so much to define CSR, as it is to understand how CSR is socially constructed in a specific context and how to take this into account when business strategies are developed.“ (Dahlsrud, 2006). Überhaupt sind bereits existierende Arbeiten zum Thema CSR nur schwer umfassend zu ergründen sowie eindeutig zu deklarieren. „Aufgrund der Vielzahl von Perspektiven, Disziplinen mit unterschiedlichen Fragestellungen und Methodiken sehen Autoren CSR … mal als Managementmode, oder als Möglichkeit der Beteiligung an sozialen Belangen, als Rahmenmodell für sanfte Regulierung oder als Konzept, Konstrukt, Theorie oder Forschungsfeld.“ (Schultz, 2010)
Trotz dieses Fazits bleibt es zunächst jedoch notwendig, eine für den deutschsprachigen Raum mögliche Definition der CSR festzulegen, worauf die folgende Ausarbeitung aufbaut. Die Anfänge der heutigen Diskussion zur Definition bilden die Ausführungen von Bowen aus dem Jahre 1953, nachdem die CSR wie folgt beschrieben wird: „It refers to the obligations of businessmen to pursue those policies, to make those decisions, or to follow those lines of action which are desirable in terms of the objectives and values of our society“ (Bowen, 1953, S. 6)
Neben weiteren wissenschaftlichen Definitionen (vgl. Carroll, 1999) hat sich die Europäische Union besonders im letzten Jahrzehnt rege an der Bestimmung einer Definition und damit verbundene Leistungsbereiche der CSR eingesetzt, wo in den letzten Jahrzenten das Verlangen der Bürger nach verbesserten gesellschaftlichen Verhaltensregeln doch eher insbesondere durch andere multinationale Organisationen[7] und durch Qualitätsnormen[8] aufgenommen wurden.
Da für diese Ausarbeit das Begriffsverständnis Europas wesentlich ist, da sich die dort angesiedelten Unternehmen daran geopolitisch orientieren werden, wird nun eine neuere Definition von CSR der Europäischen Kommission betrachtet, die aus dem „Grünbuch“ stammt. Sie definiert CSR
„als Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehung mit den Stakeholdern zu integrieren. Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus „mehr“ investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern.“ (Kommission der europäischen Gemeinschaften, 2001, S. 7)
Mit dieser Definition können folgende Prinzipien über die CSR abgeleitet werden:
a. CSR ist freiwillig.
b. Die gesamte Unternehmenstätigkeit wird durch die CSR angesprochen.
c. Der Stakeholder-Ansatz soll beachtet werden.
d. Auch Geschäftstätigkeiten, die in rechtlich autarken Organisationseinheiten stattfinden, aber dem Einflussbereich der Unternehmenstätigkeit unterliegen, sollen eingeschlossen sein.
e. Ein „mehr“ im...