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E-Book

Crazy America

Eine Liebeserklärung an ein durchgeknalltes Land

AutorMichaela Haas
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783641213459
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
2017 ist das denkwürdige Jahr, in dem ein fluchender Fernsehstar ins Weiße Haus eingezogen ist. Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Haben die Amis sie noch alle? Fakt ist: Trumps Erfolg ist nur möglich, weil es in Amerika so viele Verrücktheiten gibt. Da können wir Europäer nur staunen! So gibt es eine Stadt, in der der Besitz einer Waffe Pflicht ist. In acht US-Staaten ist es erlaubt, sich einen Tiger als Haustier zu halten. Und die Sheriffs schreiten zwar ein, wenn eine Frau am Strand ihr Bikinioberteil ablegt - aber nicht, wenn sie sich eine Knarre kaufen will! Total verrückt, die Amerikaner! Dieses Buch ist ein witziger und grandioser Streifzug durch ihr durchgeknalltes Universum.

Dr. Michaela Haas, freie Korrespondentin in den USA, wird ständig gefragt: »Was ist denn bloß in Amerika los?« Seit ein politisch völlig unerfahrener Egomane in das höchste Amt der Welt aufstieg, wundern sich viele über die Weltmacht. Aber dass sich Milliardär Donald Trump mit wilden Sprüchen in das Weiße Haus gerüpelt hat, ist ja nur möglich, weil Amerika tief gespalten ist und viele Verrücktheiten zum Alltag gehören, die in Deutschland undenkbar wären. Deshalb erforscht Michaela Haas die Macken und Tücken, die Amerika einzigartig machen. Die renommierte Reporterin schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Geo und die Zeit, und sie ist die Autorin der Amerika-Kolumne »Wild Wild West« im SZ-Magazin.

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Leseprobe

Amerikanisch für Anfänger und Fortgeschrittene

Was den Wortschatz betrifft, so brauchen Sie in Amerika vor allem ein Adjektiv: great! (Also: großartig!) Fortgeschrittene können enthusiastisch hinterherhauchen: Fabulous! Awesome! Amaaazing! (Beachten Sie die dringend notwendigen Ausrufezeichen!)

Dies sind die einzig möglichen Antworten auf die allgegenwärtige Frage: »How are you? Wie geht es Ihnen?« Oder die noch lässigere Variante: »What’s up? Was ist los?« Von jüngeren Amerikanern wird die Einstiegsformel zu einem coolen »’Sup?« verkürzt.

Während in Deutschland eine ehrliche Antwort auf diese Frage völlig akzeptabel ist – ja, das Jammern durchaus zum sozialen Ritual gehört (»Nun, der Flug war ein wenig turbulent, und die Lufthansa-Lasagne schmeckte wie alte Pappe«) –, will in Amerika keiner hören, wie es Ihnen wirklich geht. Eine ehrliche Antwort ist ein grober Fauxpas.

Natürlich war der Flug in der Holzklasse lang und anstrengend, aber hey, wenn Sie einer fragt: Es war GREAT!

Auch wenn Sie von zu Hause erzählen, von Ihren Kindern, Angela Merkel, der Flüchtlingskrise, was auch immer: Great!

Würden Sie in Europa so oft in den höchsten Tönen schwärmen, wären Sie sofort als Angeber verschrien, aber alles andere gilt in Amerika als miesepetrig.

Ich brauche jeweils etwa eine Woche Akklimationszeit, um verbal und emotional den Optimismusschalter umzulegen, wenn ich von einem Kontinent zum anderen fliege. Eine Art mentaler Jetlag.

Steige ich in Los Angeles aus dem Flieger und erzähle, in Deutschland sei alles prima gelaufen – die Eltern wohlauf, die Zeit mit Freunden sehr erholsam, die Konferenz voll innovativer Ideen –, verfinstern sich die Mienen meiner amerikanischen Freunde einfühlsam: Geht’s dir nicht gut? War’s nicht schön?

Dann knipse ich sofort wieder die innere Strahlelampe an und erinnere mich daran, laut zu brüllen: »Great! Totally awesome!!!«

Umgekehrt halten sie mich in Deutschland für durchgeknallt, wenn ich kurz nach der Landung strahlend rufe: »Hey, Daaarlings, alles suuuper???«

»Was ist denn mir dir los?«, fragt dann meine Mutter. »Hast du im Flugzeug zu viel Wein getrunken? Bist du auf Drogen?«

Nein, ich bin nur amerikanisiert.

Ehrlich gesagt, das Sunshine-Getue hat Vorteile. Es ist einfach netter, wenn die Kassiererin freundlich gurrt, »Sweeeeetie, wie läuft’s heute?«, anstatt im Aldi-Format »Macht sechs fuffzich« zu knurren.2 Im Land des Small Talks gehört es dazu, sich gegenseitig zu versichern, wie nett/großartig/toll der andere ist. Andererseits habe ich nicht immer Lust zum Plaudern. Als mich meine beste Freundin Bea in Kalifornien besuchte und ich sie zu Fisch-Tacos am Strand einlud, war sie völlig sprachlos, weil der blond gelockte Surfer-Dude hinter dem Tresen lachend fragte: »Und, was habt ihr beide heute noch so vor?« Sie starrte ihn böse an und flüsterte mir erschüttert zu: »Das geht den gar nichts an!«

Sie ist Französin, und in Frankreich ginge das nicht als Flirt, sondern als plumpe Anmache durch. Dabei ist diese lockere Freundlichkeit hier einfach Standard. Der Surfer erwartet ja auch keine ernsthafte Antwort. »Wir genießen einfach den Tag« reicht da als Small-Talk-Antwort völlig aus. Oder eben: »All great! Alles großartig!« Das geht immer. Sie werden sich wundern, wie weit Sie damit kommen. Wenn Sie um Ihre Meinung gebeten werden, egal ob es um ein Outfit, den neuesten Film oder Amerika selbst geht, sagen Sie bitte nie die Wahrheit, wenn Ihnen etwas nicht gefällt. Im Zweifel müssen Sie sich eben was einfallen lassen. Das Outfit passt gut zu den Augen der Trägerin, der Film ist der ungewöhnlichste, den Sie je gesehen haben, und Amerika ist die großartigste Nation der Welt. Die Amis werden Sie für supernett halten, also für awesome.

Alle sind hier immer beste Freunde – überall, nur nicht in Wirklichkeit. Es ist gut möglich, dass auch nach Jahren das Gespräch nie über Wetter, Golf und Kinder hinausgeht.

Hin und wieder unterläuft mir immer noch der Fehler, dass ich in ein Geschäft gehe und freundlich sage: »Hallo, bitte einmal die Bluse reinigen.« Dann setzt die Dame hinter dem Tresen einen Schritt zurück, sagt betont locker: »Hey, honey, wie läuft’s heute? Prima Wetter, oder?«

Ich muss dann antworten: »Alles super.«

Sie: »Wow, das Kleid, das du anhast, sieht klasse aus! Das bringt deine Figur unheimlich toll zur Geltung.«

Ich: »Danke, deines auch.«

Und dann darf ich endlich meine Bluse auspacken.

Die amerikanischen Rechtsanwältinnen haben gerade gerichtlich durchgesetzt, dass sie vor Gericht nicht mehr als »Honey« oder »Schätzchen« angeredet werden dürfen. Sie empfanden das als Herabsetzung. Ich bin zwar immer für den Schulterschluss mit meinen Girlfriends zu haben, meiner Erfahrung nach wird aber mit den Honigbomben in alle Richtungen geworfen, niemand bleibt verschont. Als ich meine bessere Hälfte zum ersten Mal beim Telefonat mit dem Versicherungsmakler belauschte, schlackerten mir die Ohren: Honey hier, Darling da. »Mit wem hast du denn da gerade telefoniert?«, fragte ich vorsichtig.

»Na, mit dem Versicherungsmakler!«, kam die Antwort.

»Und den nennst du Honey

»Aber klar, den kenne ich doch schon seit drei Jahren!«

Natürlich sind ohnehin alle gleich per Du, denn es gibt ja kein förmliches »Sie«. Das ist einerseits enorm unkompliziert, weil jeder sofort »Call me Bill« sagt, selbst wenn es Clinton ist. Andererseits trägt gerade das Fehlen verbaler Eckpfosten zur Verwirrung im sozialen Geflecht bei. Wenn nun der Präsident der Uni, an der ich unterrichte, seine E-Mail mit »Wärmstens, Henry« unterzeichnet, darf ich ihm dann auch »Hallo, Henry« zurückschreiben? Oder verbaue ich mir meine Chance auf den Aufstieg, wenn ich ihn nicht trotzdem weiterhin wärmstens als Mister Präsident, Herr Professor oder Dr. Whittaker adressiere? Darauf wissen auch Amerikaner keine einhellige Antwort. Sehen Sie, Einfachheit ist manchmal ungeheuer kompliziert.

Ähnlich verwirrend ist, dass »Komm vorbei!« oder »Ich ruf dich an!« ebenfalls nicht ernst gemeint sind. Auch das sagen die Amerikaner ständig: »Ihr müsst unbedingt mal bei uns vorbeikommen! Ich zeige euch meine Bibliothek/meinen Swimmingpool/meine neuen Busenimplantate.« (Auch den letzten Satz habe ich tatsächlich schon gehört.)

Glauben Sie dann um Himmels willen nicht, Sie seien wirklich eingeladen. Es wäre enorm unhöflich, ein konkretes Datum vorzuschlagen oder gar später vor der Tür zu stehen. Wenn es der Amerikaner ernst meint, wird er Sie mit einem festen Termin locken, dreimal nachdrücklich nötigen und die Einladung zur Sicherheit noch einmal schriftlich wiederholen. Nur dann gilt’s.

Diese Gewohnheit hat mich am Anfang auf die völlig falsche Fährte geführt. Wenn ich erzähle, was ich beruflich mache (bin Journalistin, schreibe Bücher), reagieren die Amerikaner fast immer mit dreifachen Bravo-Saltos und doppelten Begeisterungspirouetten. »Wow! Komm unbedingt in meinem Rotary Club vorbei!«

Ein Deutscher würde vielleicht höflich entgegnen: »Aha, interessant.« Die Amerikaner werfen stattdessen mit unschlagbaren Angeboten um sich, und zwar ungefragt; ohne Androhung von Repressalien versprechen sie von sich aus, die dollsten Dinge zu tun: »Du, das ist unbedingt was für meinen Podcast! Da machen wir an der Uni eine ganze Wochenendkonferenz drüber! Ruf mich morgen an, damit wir da ernsthaft drüber reden können!«

Übersetzt heißt das: Von mir hören Sie nie wieder.

Alles nicht ernst gemeint. Aber hey: trotzdem awesome!

Ich dich auch.

Das Land der Superlative

Donald Trump gewann mit dem Slogan: Make America Great Again! Also großartig. Großartiger. Am besten: großartigst. Wer länger als fünf Minuten in Amerika ist, wird einen Amerikaner finden, der schwört, Amerika sei die großartigste Nation der Welt.3 Welcome to the greatest nation on earth! schreien schon die Anzeigetafeln, kaum ist man aus der Flughafenhalle raus. Ich finde natürlich auch, dass Amerika großartig ist. Sonst wäre ich nicht hier. Aber das großartigste Land der Welt? Da drängt sich der Verdacht auf, die Amerikaner beteuern das so nachdrücklich, weil sie insgeheim wissen, dass sie das in vielen Disziplinen nicht (mehr) sind.

Seit ich in Amerika lebe, haben mir Amerikaner schon erzählt, Amerikaner hätten das Auto erfunden, die Elektrizität und das Telefon. Wussten Sie, dass Bill Gates den Computer entwickelt hat und Steve Jobs das Internet? Ich auch nicht! Außerdem sei Amerika die älteste Demokratie der Welt. Das verkünden Amerikaner im Brustton der Überzeugung. Wenn man sie fragt, wo sie diese Weisheiten herhaben, dann beteuern sie, das lernten sie so in der Schule.

Sorry, Folks, das war nicht Henry Ford, der das erste benzingetriebene Auto baute, das waren die Deutschen Karl Friedrich Benz und Gottlieb Daimler.4 Es war auch nicht Bill Gates, der den Computer entwarf, sondern der Brite Charles Babbage. Und nicht Thomas Watson hat das Telefon erfunden, sondern Alexander Graham Bell, ebenfalls ein Brite. Sein amerikanischer Assistent Watson war allerdings der Erste, der einen Telefonanruf entgegennahm, so viel Ehre muss sein....

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