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E-Book

Credo?!

AutorHans-Joachim Schrader
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783749472154
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Bewusst hat der Autor die Doppelbedeutung des Wortes Credo benutzt: "ich glaube" und "Bekenntnis", denn er "bekennt" auch das, was er "nicht glaubt". Im Hauptteil beschreibt er sein religiöses Credo, das von Bewunderung und Zweifel und Dostojewskis Großinquisitorlegende und dem Problem der Theodizee geprägt ist. Im zweiten Teil folgt dann ein pädagogisches Credo: Der ehemalige Schulleiter möchte, dass Denker und Philosophen die Kantschen Grundfragen des menschlichen Lebens in Bezug auf junge Menschen beantworten: 1 Was können Schüler überhaupt erfahren, lernen oder gar wissen? 2 Was soll der Lehrer/die Schule tun? 3 Was dürfen Lehrende und Lernende des Weiteren erhoffen? Und erst nach den Antworten darf Schule den Schulpolitikern überlassen werden, erst dann, wenn sie wissen, was Schule soll, dürfen sie und Methodiker planen. Und der alternde Autor widmet sich im letzten Teil seiner zunehmenden Schwäche, seinem nahenden Tode. Ernst und Humor wechseln, und manchmal weiß man nicht, ob man weinen oder lachen sollte. (erweiterte Neuauflage)

Hans-Joachim Schrader - Jahrgang 1938 - wuchs auf in Langenholtensen, einem Dorf bei Northeim in Niedersachsen. Nach dem Abitur studierte er in Göttingen Mathematik und Physik und aus Interesse hörte er Philosophie und Germanistik. !963 wurde er Mittelschullehrer in Tostedt (Lüneburger Heide) und blieb dort seine gesamte Dienstzeit, die letzten zwölf Jahre als Schulleiter. Seit 1963 ist er mit Marianne Schr. verheiratet. In seiner Freizeit befasste sich der Autor mit Schiffbau des 17. Jahrh., mit Aquarell- und Pastellmalerei und mit dem polnischen Großschriftsteller Adam Mickiewicz. Das vorliegende Album Credo?! entstand 2019, fußt aber auf Notizen, die im Laufe einiger Jahrzehnte auf Zettel, Disketten, Festplatte und USB-Sticks festgehalten wurden.

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Leseprobe

Mein Credo? I


(dieser Brief wurde in der vorliegenden Form nie abgeschickt)

Sehr geehrte Frau Kujawa, sehr geehrter Herr Meier5,

wir danken für die Wiederaufnahme in die ev.-luth. Kirche.

1991 trat das Ehepaar Schrader aus der Kirche aus, fast 15 Jahre Heidenschaft, schließlich der Wiedereintritt: Da mag es für Sie schon interessant sein, unsere Beweggründe zu erfahren, auf jeden Fall ist es für mich wichtig, Ihnen diese Beweggründe mitzuteilen, obwohl mir bewusst ist, dass das alles viel komplizierter ist als es sich auf wenigen Seiten darstellen lässt. Um eins vorwegzunehmen: Beide Entscheidungen entwickelten sich über Jahre. Der Austritt geschah nicht, weil wir die Kirchensteuer einsparen wollten (wie das vom damaligen Kirchenvorstand in einem Schreiben an uns vermutet wurde). Und der Eintritt geschieht im Wesentlichen nicht, weil zwei ältere Menschen ihr Lebensende in vielerlei Hinsicht „in Ordnung bringen wollen“ und wohl das „Jüngste Gericht“ fürchten (man kann ja nie wissen). Beide Vermutungen sind nicht abwegig, weil plausibel. Und dennoch sind sie nur Marginalien, wenn nicht gar unzutreffend.

Der Austritt erfolgte, weil es uns ehrlicher zu sein schien, endlich mit unserem Unglauben (sic!) ins Reine zu kommen. Wir fühlten uns schon damals seit vielen Jahren von keiner Religionsgemeinschaft angesprochen. Das hat sich bis heute fast nicht geändert.

Ich hatte gute „Voraussetzungen“ für ein Leben im Glauben: Christlicher Pfadfinder, Vertreter des Kirchenkreises Northeim im Landesjugendkonvent in Verden, befreundet mit der Langenholtensener Pastorenfamilie. Doch seit vielen Jahren fehlt mir jede Art von Glauben an bzw. Vertrauen in das Wirken transzendenter Mächte, besonders an/in eine wissende, liebende Allmacht.6 7

Das uralte, ungelöste Problem der Theodizee beschäftigt mich, seitdem ich selbständig denken kann. Im Internet fand ich von einer Schüler-AG des Gymnasium Meerbusch zu dem Thema den Versuch einer Deutung von Hans Jonas „Der Gottesbegriff nach Auschwitz“:

Jonas stellt die Frage: Warum gibt es Übel auf der Welt? oder: Warum gibt es Übel für das jüdische Volk, das in einem Bund mit seinem Gott lebt? Antwort:

Die Unschuldigen und Gerechten seien bewusst in den Tod gegangen, um den Namen Gottes zu heiligen und das Licht der Verheißung umso heller leuchten zu lassen.

Ausnahme: Auschwitz, weil Auschwitz auch die unmündigen Kinder ohne freien Entschluss verschlang.

Jonas‘ Beweisführung:

Gott existiert in Raum und Zeit und gibt seine Gottheit auf. Er verändert sich mit der Zeit, in der Zeit. Gott wird bereichert durch das zufällig entstehende Leben in Raum und Zeit.

Doch dann kam mit dem Menschen

  • das Ende der Unschuld
  • Wissen und Freiheit
  • Gut und Böse fallen auseinander diese Erfahrungen prägen Gott

Nach Jonas ist Gott also:

  1. ein leidender Gott - wahrscheinlich seit es die Menschen gibt, die ihn missachtet und verschmäht haben.
  2. ein werdender Gott - Gott wird von dem, was in der Welt geschieht verändert/ beeinflußt.
  3. ein sich sorgender Gott - Gott trägt Sorge um seine Geschöpfe, kann aber nicht eingreifen, da er dem Menschen nolens volens Mitbestimmung gegeben hat.

Auch rein logisch ist Gott nicht allmächtig:

Macht braucht immer ein Gegenüber, an dem sie sich beweisen kann. Wenn aber Gott allmächtig ist, dann ist seine Macht durch nichts begrenzt und es gibt nichts mehr, woran/womit sich die Macht messen kann! Und das ist es ja gerade, was Macht ausmacht! Macht muss sich zeigen können, sich an einer adäquaten Macht beweisen können.8

Hinzu kommen religiöse Gründe.

Gott kann folgende Attribute besitzen: Allmacht, Verstehbarkeit (gewöhnlich wählt man stattdessen das Attribut Allwissenheit), Güte.

Jedoch können jeweils nur zwei dieser Attribute gleichzeitig gültig sein, weil sich sonst Fragen auftun (und die Theodizee ungelöst bleibt):

1. Wenn Gott allmächtig und gütig ist, ist er dann auch verstehbar bzw. allwissend?

Nein, er ist nicht verstehbar, weil ein allmächtiger und gütiger Gott so ein Leid nicht zulassen würde. Und er kann nicht allwissend sein, weil trotz Güte und Allmacht das Leid besteht.

2. Wenn Gott allmächtig ist und verstehbar bzw. allwissend, ist er dann auch gütig? Nein, denn wenn er allmächtig und verstehbar bzw. allwissend ist, dann muss man ihn allein für alles Leid in der Welt verantwortlich machen.

3. Wenn Gott gütig und verstehbar bzw. allwissend ist, ist er dann auch allmächtig?

Nein, denn ein verstehender bzw. allwissender, gütiger Gott würde das Leiden nicht zulassen, wenn er die Macht hätte, es zu verhindern.

Güte und Gott sind untrennbar verbunden, weil Gott das Gute will.

Verstehbarkeit (und Allwissenheit) ist nach der gesamten jüdischen Tradition ein Wesensmerkmal Gottes, der seine Thora gegeben hat und sich Israel offenbarte.

Also muss die Allmacht weichen. Also ist Gottes Macht begrenzt. Das erklärt, warum Gott nicht eingreifen kann, in Auschwitz, Treblinka, Sobibor, Belzec, Majdanek, Bergen-Belsen, … nicht eingreifen konnte.

Gott hat also die Erde sich selbständig entwickeln lassen. Gott hat mit der Schöpfung nur den Anstoß gegeben, ein Langzeitexperiment in Gang gesetzt, das durch Zufall, zunehmender Entropie, Veränderungen von Quantitäten in Qualitäten regiert wird; oder - vollkommen deterministisch chaotisch gedacht – hat vielleicht ein Schmetterling im Garten Eden mit den Flügeln geschlagen9? „Schau‘ mer mal, was rauskommt!“.

Das Böse an sich steigt ganz banal aus dem Herzen des Menschen auf und gewinnt Macht in der Welt.

Gott hat auf seine eigene Unverletzlichkeit verzichtet, damit die Welt sein kann. Damit hat Gott gegeben, was er geben kann. Das Dasein für die Kreatur. Mehr kann er nicht geben. Jetzt ist es am Menschen, Gott zu geben.

Soweit der Interpretationsversuch der Meerbuscher Gymnasiasten im Internet. Ich habe diesen Text verändert und ergänzt:

Das Attribut „Verstehbarkeit“ menschelt mir zu sehr. Verstehbarkeit ist mir zu wohlfeil. Wer versteht schon Putin, die Bücher von Arno Schmidt, den 2. Teil vom „Faust“, die Bilder von Jackson Pollock, Botokudisch, die große Fermatsche Vermutung – und ausgerechnet Gott soll so einfach verstehbar sein? Konrad in Mickiewicz‘ Dziady glaubte Gott zu verstehen und suchte in ihm vergeblich einen Dialogpartner. Ich habe darum die Verstehbarkeit durch Allwissenheit ersetzt.

Der Jonassche Text geht stillschweigend davon aus, dass es Gott gibt, „Gott ist nicht tot“ nur die Allmacht fehlt ihm offenbar (oder ist es die Liebe?).

Das ist natürlich ebenso wenig ein Gottesbeweis wie der ontologische des Anselm von Canterbury (1033-1109). Kant würde vielleicht einwenden, dass Gott keineswegs nur deshalb realiter existiert, weil ihm Liebe oder Allmacht fehlen.

Ich fühle mich da als Agnostiker, alles Wissen über Gott – wie es auch immer geartet ist – „menschelt“, wir wissen schier nichts über Gott, können auch nichts wissen. Alles Übersinnliche ist unerkennbar, insbesondere Gott, und die armseligen menschlichen Vorstellungen haben keinen Grund, an seiner Existenz zu zweifeln. Das Transzendente lasse sich nur erahnen, fühlen, glauben. Hier gilt für mich Protagoras‘ Homo-Mensura-Satz. Er lautet: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, dass sie sind, der nichtseienden, dass sie nicht sind.“ Das ist ein klarer Satz, der unser Wissen und unsere Erkenntnismöglichkeiten und das, was für uns „da“ ist und erkennbar ist, sehr einschränkt. Die Wurzeln der menschlichen wie außermenschlichen Dinge liegen im Unwissbaren und somit im Unerklärbaren. Absolute Wahrheiten gibt es nicht. Das „Ding an sich“, die Ideen der Dinge sind nicht erkennbar10. Das Erklärbare, das Reale ist das, was von Verstand, Vernunft, Erkenntnismethoden zugänglich ist. Gerhard Szczesny drückte das in „Mögen alle Sorben glücklich sein“ so aus: „Das Wissen des Wissbaren ist Sache der Wissenschaft. Das Wissen des Machbaren ist Sache der Technik und der Politik. Das Wissen des Nichtwissbaren und Nichtmachbaren ist Sache der Dichtung, der Kunst, der Philosophie und der Religion.“

Kurz gesagt: Entweder existiert Gott gar nicht oder – wenn er existiert – ist er für unseren Verstand nicht halbwegs erkennbar, erfassbar, begreifbar, er ist ein „Ding an sich“11.

Vielleicht bin ich auch Deist: Der Schöpfergott nutzt zwei der drei Attribute, nämlich Allmacht und Allwissenheit, nur hat er irgendwann die Lust verloren, sich um den „Betrieb“, den er einst geschaffen hatte, zu kümmern. Gott nimmt nach der Schöpfung keinen Einfluss mehr auf die Welt, die ohne ihn wie eine Maschine allein weiterläuft. Am Anfang war der Logos, das Wort „es werde …“, der deus faber schuf damals diese...

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