In diesem Kapitel will der Autor wichtige Begrifflichkeiten klären und wo nötig definieren. Aus den Erklärungen des vorherigen Kapitels zur Forschungslücke und Zielsetzung der Arbeit ergibt sich die Notwendigkeit, einige Begriffe, die in dieser Arbeit häufig gebraucht werden, zu definieren. Dadurch wird ein gemeinsamer Sprachgebrauch der Begriffe sichergestellt, so dass sich der Autor in den folgenden Kapiteln vollständig der inhaltlichen Erarbeitung der bereits vorgestellten Themenstellung widmen kann.
In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Begriffe im Bereich der Finanzintermediation geklärt werden. Im Folgenden werden diese Begriffe mit der dargestellten Erklärung benutzt.
Unter einem Finanzintermediär versteht man ganz allgemein einen Mittler zwischen Kapitalangebot und Kapitalnachfrage (Crane, 1995, S. 203). Weiter kann man zwischen Finanzintermediären im engeren und im weiteren Sinn unterscheiden. Finanzintermediäre im engeren Sinn sind Anbieter, deren Kerngeschäft aus Intermediationsleistungen besteht. Sie nehmen Geld auf der einen Seite an (Kapitalangebot), transformieren es gegebenenfalls und geben es auf der anderen Seite (Kapitalnachfrage) wieder aus (Greenbaum & Thakor, 2007, S. 42). Zentrales Merkmal ist hier, dass die Bilanz des Finanzintermediäres Einlagen oder Finanzierungsverträge auf der Passivseite und die Finanzressourcen auf der Aktivseite ausweist. Finanzintermediäre im engeren Sinn tragen somit bilanzielle Risiken. Finanzintermediäre im weiteren Sinne befinden sich dagegen eher in der Rolle eines Beraters, der Informationen bereitstellt, damit sich passende Marktpartner schneller finden (Bernet, 2003, S. 44). Ein Teil der Literatur spricht bei Anbietern von Leistungen für Finanzintermediäre von „sonstigen Finanzintermediären“, die aber nicht mehr eine Kernaufgabe innerhalb der Finanzintermediation wahrnehmen.
Für die vorliegende Arbeit wird auf die allgemeine Definition nach Langer und Weber zurückgegriffen, da untersucht werden soll, inwiefern Crowdfunding ein Finanzintermediär ist. Durch etwaige Einschränkungen des Begriffs könnte eine unvoreingenommene Untersuchung negativ beeinflusst werden.
Unter klassischen Finanzintermediären werden in dieser Arbeit die natürlichen oder juristischen Personen gesehen, die unter Artikel 2 Abs. 2 des Schweizer Bundesgesetzes über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (GwG) aufgeführt sind. Konkret sind das Banken, Fondsleitungen, sofern sie Anteilskonten führen oder selbst Anteile einer kollektiven Kapitalanlage vertreiben, Investmentgesellschaften und Vermögensverwalter im Sinne des Kollektivanlagengesetzes, sofern sie ebenfalls selbst Anteile vertreiben, Versicherungseinrichtungen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz, Effektenhändler nach dem Börsengesetz und Spielbanken nach dem Spielbankengesetz (Geldwäschereigesetz, 2013). All diese Finanzintermediäre klassifizieren sich dadurch, dass sie bereits seit längerer Zeit existieren, bei weiten Teilen der Bevölkerung bekannt sind und namentlich ins Gesetz aufgenommen wurden.
Unter einem Finanzintermediationssystem versteht man das System als Ganzes, in welchem Finanzintermediäre innerhalb eines Marktes mit verschiedenen Mitspielern tätig sein können. Dabei wird zwischen Finanzintermediationssystemen mit und ohne Selbsteintritt unterschieden. Bei Systemen mit Selbsteintritt wickeln Intermediäre bilanzwirksame Geschäfte ab, sie gehören entsprechend zu den Finanzintermediären im engeren Sinn (Bernet, 2003, S. 44).
Finanzkontrakte sind Verträge, bei denen sich eine Vertragspartei bereit erklärt, finanzielle oder geldwerte Mittel für eine bestimmte Zeit zu Verfügung zu stellen, während eine andere Partei eine später anfallende, oft monetäre, Gegenleistung zu erbringen gedenkt. Finanzkontrakte können während einer bestimmten Zeit handelbar sein, müssen es aber nicht (Bernet, 2003, S. 56).
Der Autor hat die relevanten Begriffe in Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. eingeordnet. Der Fokus der Arbeit liegt auf den orange markierten Finanzintermediären und ihren Aufgaben und Funktionen. Nur da, wo es notwendig ist, wird auf die obere oder untere Ebene verwiesen. Für das Verständnis des großen Ganzen ist das Wissen um die Interaktionsebene von Finanzintermediären von Nutzen.
Abbildung 4: Festlegung der Betrachtungsebene. Quelle: Eigene Darstellung
Neben dem Begriff Crowdfunding selbst sollen zunächst kurz die Entstehungsgeschichte und die Ursprünge von Crowdfunding erläutert werden. Dafür ist der Begriff Crowdsourcing von zentraler Bedeutung. Anschließend soll der Begriff Crowdfunding an sich sowie ein beispielhafter Crowdfundingprozess vorgestellt werden.
Der Journalist Jeff Howe benutzte diesen Begriff erstmals in seinem oft zitierten Artikel „The Rise of Crowdsourcing“ im Jahr 2006. Seitdem gilt er als Erfinder des Wortes Crowdsourcing, das er in seinem Artikel als eine Weiterentwicklung des Outsourcing sieht (Howe, 2006). Er definiert Crowdsourcing folgendermaßen: „Crowdsourcing is the act of taking a job traditionally performed by a designated agent (usually an employee) and outsourcing it to an undefined, generally large group of people in the form of an open call.“ (Howe, 2008). Es geht also um Ideen oder Aufgaben, die von einer nicht definierten Menschenmenge vor allem mithilfe moderner Web 2.0 Technologien generiert beziehungsweise bearbeitet werden sollen. Die Benutzer können dabei direkt interagieren und in einer Art Brainstorming Ideen entwickeln, indem jeder dem anderen neue Impulse liefert. Gassmann beschreibt Crowdsourcing als einen kreativen und interaktiven „Wertschöpfungsprozess, bei dem die unternehmenseigenen Problemstellungen durch Externe – die sogenannte kreative Crowd – bearbeitet werden“ (Gassmann, 2013, Vorwort). Estelles-Arolas und Gonzales-Ladrón-de-Guevara betonen in ihrer Definition von Crowdsourcing außerdem noch, dass beide Partei von ihrem Engagement profitieren, sei es ökonomisch oder intrinsisch. Die beiden entwickelten die wahrscheinlich allumfassendste Definition durch die Zusammenfassung verschiedener anderer Definitionen. Diese lautet wie folgt: „Crowdsourcing is a type of participative online activity in which an individual, an institution, a non-profit organization, or company proposes to a group of individuals of varying knowledge, heterogeneity, and number, via a flexible open call, the voluntary undertaking of a task. The undertaking of the task, of variable complexity and modularity, and in which the crowd should participate bringing their work, money, knowledge and/or experience, always entails mutual benefit. The user will receive the satisfaction of a given type of need, be it economic, social recognition, self-esteem, or the development of individual skills, while the crowdsourcer will obtain and utilize to their advantage that what the user has brought to the venture, whose form will depend on the type of activity undertaken.“ (2012, S. 197). Aufgrund dieser Win-Win-Situation haben sich in der Vergangenheit eine Vielzahl von Unterformen von Crowdsourcing entwickelt. Crowd Voting, Crowd Creation oder Crowd Wisdom werden von Howe genannt (2008). Es gibt auch weitere wie CrowdSearch, bei dem Satellitenbilder nach bestimmten Objekten wie zum Beispiel verschwundene Flugzeuge durchsucht werden können (vgl. Banerjee et al., 2010, S. 77). Auch Crowdfunding ist dementsprechend eine Untergruppe des Begriffs Crowdsourcing.
Für die Zukunft erkennt Howe ein großes Wachstumspotential für alle Unterformen von Crowdsourcing (2008, S.261). Dieser Schritt sei die logische Folge aus der Gewohnheit der „digital native“-Generation bereits in jungen Jahren viel Zeit im Internet zu verbringen und daher mit den Technologien vertraut zu sein (Howe, 2008, S. 26).
Momentan gibt es mehrere ähnliche Definitionen von Crowdfunding. Eine allgemein gültige Definition konnte sich jedoch noch nicht durchsetzen (Tomczak & Brem, 2013, S. 338). Da Crowdfunding allerdings von vielen Autoren als Unterbegriff zu Crowdsourcing gesehen wird, nehmen diese Teile der Crowdsourcing-Definition auf. Beispielsweise definieren Belleflamme, Lambert und Schwienbacher Crowdfunding folgendermaßen: „Crowdfunding involves an open call, mostly through the Internet, for the provision of financial resources either in the form of donation or in exchange for the future product or some form of reward to support initiatives for specific purposes.” Sie beschreiben Crowdfunding also als einen offenen Aufruf zur Bereitstellung von finanziellen Ressourcen, entweder als Spende oder im Austausch gegen irgendeine Form der Vergütung oder eines zukünftigen Produktes, um eine...