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Da sein - nah sein

Wie wir unseren alten Eltern guttun können

AutorGertrud Teusen
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783783181609
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
'Was wäre, wenn Mama und/oder Papa zu uns zieht?' - 'Oder besser nur hier in die Gegend oder in unsere Stadt?' - 'Was ist, wenn sie dort bleiben? Wie können wir sie aus der Ferne gut unterstützen?' - Gertrud Teusen verknüpft praktischen Rat mit psychologischer Erklärung und Unterstützung: Was bewegt die Kinder, was treibt die Eltern um? Welche 'Altersweisen' gibt es, was ist möglich? Zudem können die Beteiligten anhand besonderer Tests ihren Standpunkt klären, um den für sie geeigneten Weg zu finden.

Gertrud Teusen, ist Journalistin und hat Psychologie und Kommunikationswissenschaften studiert. Sie hat zahlreiche Bücher rund um die Themen Familie, Kind, Altern veröffentlicht.

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Leseprobe

Einleitung
Rolle rückwärts
Plötzlich alt? Das gibt es nicht …


Wenn Sie dieses Buch zur Hand nehmen, suchen Sie wahrscheinlich Hilfe oder zumindest Information. Sie ahnen, dass sich etwas verändert, und Sie wissen, es stehen ihnen unruhige Zeiten bevor.

Ihre Eltern werden älter. Das ist nicht neu, das ist nicht spektakulär – doch allein diese simple Aussage birgt so viel Konfliktpotenzial, dass sie ihr ganzes bisheriges Leben aus den Angeln heben kann. Kann, aber das muss nicht so sein.

Vielleicht sind Ihre Eltern dort, wo sie bislang gelebt haben, am besten aufgehoben, vielleicht entscheiden Sie sich, die Eltern im Alter zu sich zu holen, oder vielleicht sollten sie auch nur in die Nähe ziehen. Jeder Lebensentwurf bietet andere Möglichkeiten, unterliegt anderen Einschränkungen, erfordert andere Maßnahmen. Doch immer müssen Entscheidungen getroffen werden.

Eines vorab: Es gibt hier keine falsche Entscheidung, jede Entscheidung ist richtig, egal, wie sie aussieht. Allerdings sollte der Weg zur Entscheidung mit Information und Wissen gepflastert sein, und sie darf keinesfalls impulsiv und überhastet getroffen werden. Das Wichtigste allerdings ist, zu lernen, dass man nie an alles denken kann und dass man nicht immer für alle neuen Situationen prompt eine Lösung parat hat.

Es gibt keine richtige und keine falsche Art und Weise, mit dem Problem alter Eltern umzugehen. Man ist – egal, wie man sich entscheidet – kein besseres oder schlechteres Kind. Die Entscheidungen müssen immer mit Hinblick auf die Bedürfnisse der Eltern und die Bedürfnisse der eigenen Familie getroffen werden. Und dabei wird Ihnen dieses Buch helfen.

 

Ein halbes Jahr – ein ganzes Leben

Als sie aus dem Auto steigt, wirkt sie klein und zerbrechlich. Bei der Umarmung habe ich Angst, ihr wehzutun. Das ist natürlich Quatsch, meine Mutter war immer eine robuste Frau, zwar klein, aber durchsetzungsstark. Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Schnell rechne ich nach und stellte verblüfft fest, dass es doch nur ein halbes Jahr war. Ein halbes Jahr, knapp 180 Tage, machen aus einer rüstigen alten Dame eine alte Frau.

Die Schrecksekunde ist vorbei, als sie zu sprechen beginnt. Da ist sie wieder, energisch und selbstbewusst, witzig und eloquent. Das ist meine Mutter, wie ich sie kenne.

Doch das Bild, wie sie aus dem Auto aussteigt, geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Es war ein Warnschuss, der mir sagen wollte: »Hey, das ist deine Mutter, sie wird alt, mach dir endlich mal Gedanken!«

Marlene (55)

 

Es geschieht nicht über Nacht. Es ist nicht so, dass man eines Morgens aufwacht und die eigenen Eltern sind alt geworden. Die Person, die einen aufgezogen, versorgt und geliebt hat, ist nicht plötzlich in der Situation, sich nicht mehr selbst versorgen zu können. Es ist ein Prozess, der sich über viele Jahre hingezogen hat und vor dem wir, die erwachsenen Kinder, nur allzu gerne die Augen verschließen. So lange es geht.

Aber plötzlich ist es so, wie wenn man einen Teenager anschaut und feststellt: »Mein Gott, bist du groß geworden.« Egal, wie man versucht, dem Alter zu entkommen, es klappt nicht. Die einen haben das Glück, geistig fit zu bleiben, die anderen werden orientierungslos, wieder andere haben mit körperlichen Einschränkungen zu kämpfen. Das Alter hat viele Gesichter.

Es mag ein Trost sein, dass es den meisten erwachsenen Kindern so geht. Irgendwann kommt der Moment der Erkenntnis, und dann muss man sich dem Problem stellen. Aber Sie sind nicht allein, Millionen von Menschen haben alte Eltern und mehr oder minder die gleichen Probleme, von kleinen Nuancen abgesehen.

Die gute Nachricht ist, die Menschen werden immer älter. Die schlechte Nachricht ist, alt werden und versorgt sein kostet viel Geld, das immer weniger Menschen haben. Und es stellen sich noch andere Fragen: Wie können wir uns um unsere Eltern kümmern? Wie können wir sie darin unterstützen, in Würde zu altern? Wie können wir uns um sie kümmern, ohne unsere gesamte Lebensplanung über den Haufen zu werfen? Wie können wir unseren alten Eltern helfen, wenn das Verhältnis nicht frei von Spannungen war? Kann man sich gut um die eigenen Eltern kümmern, ohne das harmonische Familienleben der eigenen Familie zu opfern?

Das Altern und Anzeichen des Verfalls der eigenen Eltern zu realisieren ist zumeist ein Schock. Es bedeutet, eine Rolle rückwärts zu machen und vom geliebten Sohn, der geliebten Tochter zum Versorger der eigenen Eltern zu mutieren. Die Eltern zu versorgen bedeutet auch, sich erneut auf deren Prüfstand zu stellen und Gefahr zu laufen, sie erneut zu enttäuschen. Vielleicht sind die Eltern ja verärgert über die Angebote, die man machen kann, und die Entscheidungen, die man trifft: Noch immer ist man nicht frei von alten Emotionen.

Vielleicht haben Sie eine Idee, einen Plan, wie Sie sich um ihre Eltern kümmern möchten, wenn es notwendig ist. Gedacht, gemacht, das ist vielleicht gut, um eine Fußballmannschaft zu trainieren, aber nicht, wenn es darum geht, den alten Eltern eine Entwurf für die Zukunft zu präsentieren. Denn für sie geht es um einen neuen Lebensabschnitt, den letzten wohl, aber auch da lässt man sich das Zepter nicht gern aus der Hand nehmen. Stellen Sie sich doch vor, da kommt jemand und sagt: »Du fährst so schlecht Auto, ich fahre dich von nun an – wann willst du wohin?« Oder: »Ich übernehme dein Konto, du hast das nicht mehr so gut im Blick, deshalb mache ich das für dich.« Selbst wenn Sie das feinfühliger formulieren, sind das herbe Einschnitte in die Eigenständigkeit, die sich niemand zu irgendeinem Zeitpunkt gerne gefallen lässt. Als Überbringer schlechter Nachrichten ist man ohnehin immer in der Defensive, da sollte man wenigstens gut vorbereitet sein.

Was wäre, wenn sie/er in die Nähe zieht?


Die Frage allein hat Gänsehaut-Potenzial und nur die wenigsten von uns stellen sie so gerade heraus ihrer alten Mutter oder ihrem Vater. Und das ist auch gut so, denn bevor man diese Frage aufwirft, muss man die Konsequenzen bedenken. Die Entscheidung sollte gut überlegt getroffen und auch die Umsetzung bereits im Vorfeld durchdacht werden.

Es ist schwierig, sich der Frage überhaupt zu nähern, weil dies sofort alte Beziehungsstrukturen wieder aufbrechen lässt, uns Erwachsene zu Kindern macht, ob wir wollen oder nicht. Die emotionale »Rolle rückwärts« fördert alles zutage, was wir schon längst vergessen hatten oder zumindest verdrängt, damit es unserer eigenen Lebensplanung nicht im Wege steht. Und dann ist er plötzlich wieder da, der strenge Blick des Vaters, die mahnenden Worte der Mutter. Gerade in einem Moment, in dem Souveränität gefragt wäre, zaudern wir. Dabei ist es jetzt so wichtig, die altgewohnte Rolle des Kindes abzustreifen und im positiven Sinn erwachsen zu handeln.

Erwachsen zu sein bedeutet auch, entscheidungsfähig zu sein. Nicht nur für sich selbst, sondern ebenso für andere. Wut, Zorn, übertriebene Dankbarkeit und Schuldgefühle sind allesamt schlechte Ratgeber bei den Entscheidungen, die nun anstehen.

Ein erster Schritt ist es, die Eltern als fehlbare Wesen zu begreifen. Menschen machen Fehler, und alte Menschen sind gefangen in ihrer Geschichte. Sie können jetzt nichts mehr ändern, sie bleiben, wie sie sind, und wir müssen sie so annehmen. Allein unsere Position ihnen gegenüber hat sich verändert, muss sich verändern, denn sonst können wir keine verantwortungsvollen Entscheidungen treffen.

Es ist nur natürlich, dass man Angst vor den Fragen hat, die jetzt auf einen zukommen. Es tut uns leid, dass die Eltern nun auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Was aber fast ebenso schwer wiegt: Wir tun uns auch selbst leid, weil wir jetzt in solch einer schwierigen Lage sind und nicht wissen, wie wir entscheiden sollen. Aber haben Sie keine Angst vor falschen Entscheidungen, erinnern Sie sich: Jede Entscheidung ist richtig.

Überhaupt muss dieser Satz ihr Mantra sein bei allen Überlegungen, die Sie nun anstellen. Um es an dieser Stelle gleich vorweg zu nehmen – Sie werden bei der Lektüre dieses Buches und bei ihrer eigenen Entscheidungsfindung immer wieder einmal das Gefühl haben, unglücklich entschieden zu haben. Das ist zwangsläufig so, aber das ist falsch. Denn es gibt nun einmal viele Wege und die Situationen ändern sich auch ständig. Der richtige Weg ist immer der, den man gerade geht. Wer zögerlich an der Kreuzung stehenbleibt, kommt nie voran. Und seien Sie gewiss: Es wird noch so viele Entscheidungen geben, so dass die eine oder andere in der Summe keine Rolle mehr spielt.

Der Ursprung des Wortes »Krise« liegt übrigens im Griechischen: »Krisis« bedeutet »Entscheidungssituation«. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie viele Entscheidungen und auch kleine Abschiede das Älterwerden verlangt. Manchmal sind es zu viele, als dass sie ein alter Mensch allein bewältigen kann. Gerade deshalb ist es so wichtig, alten Eltern zur Seite zu stehen – nicht über ihren Kopf hinweg, sondern gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Zwar mag die erste Reaktion auf die Erkenntnis, dass die Eltern alt geworden sind, panische Züge haben, doch man tut sich leichter, wenn man die neuen Verhältnisse als Chance betrachtet, sich zu verändern, weiterzuentwickeln.

Es ist Ihre Chance – nutzen Sie sie!


Dieses Buch möchte Sie in verschiedenen Aspekten unterstützen:

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