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E-Book

Dänische Geschichte

AutorRobert Bohn
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl129 Seiten
ISBN9783406691294
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
In diesem Buch werden die grundlegenden Ereignisse und Entwicklungslinien der dänischen Geschichte von der Wikingerzeit und der Christianisierung bis heute übersichtlich und kompetent dargestellt. Dabei stehen Gesellschaft und Wirtschaft im Mittelpunkt, die politische Geschichte bildet den festen Rahmen und liefert die Chronologie.

Robert Bohn, geb. 1952, Dr. phil. habil., Prof., lehrt an der Universität Flensburg Mittlere und Neuere Geschichte. Schwerpunkte seiner Forschung: Geschichte Nordeuropas und Norddeutschlands seit der Wikingerzeit sowie Seefahrtsgeschichte und regionale Zeitgeschichte.

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Leseprobe

I. Der Eintritt der Dänen in die Geschichte: Wikinger und Reichsgründer


In den letzten Jahrhunderten des ersten Jahrtausends n.Chr. entstanden durch herrschaftliche Zusammenfassung von einzelnen Stämmen beziehungsweise Stammesgruppen im Norden Europas die in ihrer ethnischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Struktur aufs engste miteinander verwandten skandinavischen Königreiche. Ihre frühe Geschichte ist – sowohl dynastisch als auch politisch – nahezu unentwirrbar ineinander verflochten. Die spätere Nationalgeschichtsschreibung der Dänen, Norweger und Schweden hat zu diesem verwirrenden Bild dadurch beigetragen, daß sie bei der Herleitung ihrer jeweiligen Staatsgründungsmythen weitgehend auf ein und dieselben materiellen Grundlagen zurückgegriffen hat.

Im Laufe des 8. Jahrhunderts rückte das neue politische Machtzentrum Europas, das Reich der Karolinger, immer näher an Dänemark heran. Um 800 machte sich Karl der Große die Sachsen untertan, wodurch das Frankenreich zum unmittelbaren Nachbarn der Dänen wurde, was nicht ohne Konflikte blieb. In nichtdänischen Texten aus jener Zeit (dänische gibt es nicht) finden wir nun erstmals Berichte über die politischen Verhältnisse in Dänemark, das als ein einheitliches Königreich aufgefaßt wurde, was es aber, wie die Forschung gezeigt hat, tatsächlich noch nicht war. Denn lokale Große waren noch relativ unabhängig von der Königsmacht. Gleichwohl scheint der Reichsbildungsprozeß schon vorangeschritten gewesen zu sein. Darauf deuten unter anderem organisierte Abwehrmaßnahmen gegen das weitere Ausgreifen der fränkischen Macht nach Norden. Wir erfahren, daß ein König Godfred gegen die im östlichen Holstein siedelnden slawischen Stämme zog, die mit Karl verbündet waren. Godfred ließ auch das Danewerk, den schon einige Generationen (seit etwa 700) bestehenden Befestigungswall am Ende der Schlei, weiter ausbauen. Hier entstand die bedeutende dänische Handelsstadt Hedeby (Haithabu), die spätere Drehscheibe des Ost-West-Handels. Um sie zu fördern, ließ Godfred an der nahegelegenen slawischen Küste Handelsorte zerstören, beispielsweise Rerik, dessen Kaufleute Godfred nach Hedeby verpflanzt haben soll. Er suchte mit seinen Seekriegern sogar die Küstengewässer Frieslands heim, das nach dem Verfall der merowingischen Macht im frühen 8. Jahrhundert einige Zeit unter dänischem Einfluß gestanden zu haben scheint, nun aber von den Franken beherrscht wurde. 810 kam Godfred in innerdänischen Machtkämpfen zu Tode. Sein Neffe und Nachfolger Hemming schloß ein Jahr darauf mit Karl dem Großen Frieden, wobei erstmals die Eider als Südgrenze Dänemarks festgelegt wurde. Hemming starb kurze Zeit später eines gewaltsamen Todes, wie überhaupt die fränkischen Quellen jener Zeit von innerdänischen Auseinandersetzungen berichten, in denen die Könige eine für die fränkischen Chronisten wunderliche Neigung zu plötzlichem Versterben zeigten.

Die Machtverhältnisse in Dänemark waren und blieben wechselhaft. Sie sind aufgrund spärlicher Quellen auch nicht mehr im einzelnen rekapitulierbar. Man weiß aber, was die politische Herrschaft betrifft, daß der Sohn eines verstorbenen Königs nicht ohne weiteres damit rechnen konnte, seinen Vater zu beerben. Er mußte sich gegen Konkurrenten aus der eigenen Sippe oder aus den Reihen der anderen Großen durchsetzen. Er war dabei nicht nur vom Kriegsglück abhängig, sondern auch von seiner Fähigkeit, Gefolgschaft (dän. Hird) an sich zu binden. Hierbei war zweierlei wichtig: Die Aura als erfolgreicher Krieger und Mehrer sowie das Vermögen, die Gefolgsleute materiell zu belohnen. Die Gefolgschaft war freiwillig, sie konnte jederzeit aufgesagt werden. Der König herrschte solchermaßen nicht über das Land (im wörtlichen Sinn), sondern über eine Anhängerschaft, die zu vergrößern er stets bestrebt sein mußte. Diese inneren machtpolitischen Verhältnisse waren ein entscheidender Faktor für die Wikingerzüge und die Ausweitung der dänischen Macht im Nordseeraum. Allerdings kamen noch andere Faktoren hinzu, die zusammengenommen erst die historische Epoche hervorriefen, die gemeinhin Wikingerzeit genannt wird. Im Nationalmythos gilt sie als dänische Großzeit schlechthin.

In der älteren Literatur wird oftmals eine Überbevölkerung als Erklärung für die Wikingerzüge vorgebracht, zumal sich die Dänen (und Norweger) auch überall in den eroberten Gebieten als Siedler niederließen. Tatsächlich gab es in Skandinavien einen gewissen Bevölkerungsdruck. Im 8. Jahrhundert hatte hier ein relativ warmes Klima mit ausreichend Niederschlägen geherrscht, was dazu führte, daß ein großer Teil der früher nur als Weide nutzbaren Flächen für den Getreideanbau herangezogen werden konnte. Dies sowie die Einführung neuartiger Ackerbaugeräte wie Radpflug mit Streichblech bewirkten eine Verbesserung der Lebensmittelversorgung und damit einen Anstieg der Bevölkerungszahl. Doch inzwischen weiß man, daß nach 800 keine Landnot herrschte, sondern daß die Wikingerzeit im Gegenteil auch eine Zeit der inneren Kolonisation war.

Daher ist neben den genannten machtpolitischen Verhältnissen im Innern vor allem die allgemeine politische und militärische Lage in Westeuropa als entscheidend anzusehen. Dieses bot am Ende des 8. Jahrhunderts, trotz der Ausdehnung des fränkischen Großreiches unter Karl, vielerorts ein Bild der politischen Zersplitterung – insbesondere auf den britischen Inseln, gegen die sich die ersten großen Wikingerzüge richteten. Nach dem Tode Karls des Großen 814 und der Dreiteilung seines Reichs 843 wurden das west- und das ostfränkische Reich ebenfalls Objekte der dänischen Wikingerzüge.

Neben die bereits genannten treten weitere Faktoren hinzu, die diese Raub- und Eroberungsfahrten erst ermöglichten: Die Entwicklung eines besonderen Schiffstyps sowie der Erwerb nautischer Fähigkeiten, durch die die Skandinavier den anderen europäischen Völkern seefahrtstechnisch überlegen wurden. Das Wikingerschiff war hochseetüchtig und seine Besatzung fähig, es über das offene Meer – Ostsee und Nordsee (später auch den Nordatlantik) – zu navigieren, ohne daß Sichtkontakt zur Küstenlinie gehalten werden mußte. Außerdem konnten sie damit bis zu den Oberläufen der großen Flüsse vordringen; sich mit den kleineren Schiffen sogar kürzere Strecken über Land bewegen, um zu einem anderen Flußlauf zu gelangen. Erst so war das Eindringen in das Fränkische Reich möglich.

Überall im Norden setzte um 800 die sogenannte Reichssammlung, die großräumige Königsordnung mit der Tendenz zur Zentralisierung und Territorialisierung der Herrschaft, ein. Sie rief eine über Generationen andauernde Konfliktkonstellation hervor, bis sich schließlich das Einheitskönigtum gegenüber den Kleinkönigen, Häuptlingen und sonstigen Großen durchsetzen konnte. In dieser Auseinandersetzung wurden viele, die sich nicht unterordnen wollten, aus dem Land gedrängt – oder sie gingen freiwillig. Das junge Einheitskönigtum mit ambitionierten Herrschern setzte sich oft auch selbst expansionistische Ziele, die gleichermaßen der Herrschaftssicherung und der Machtausweitung dienen sollten.

Waren es zu Beginn des 9. Jahrhunderts noch Raubzüge von einzelnen Wikingerhäuptlingen zur englischen, friesischen oder fränkischen Küste gewesen, so nahmen diese Züge ab etwa 840 sowohl an Häufigkeit als auch an Zahl der daran beteiligten Krieger zu. Allmählich änderte sich auch ihr Charakter: Ab der Mitte des 9. Jahrhunderts waren es mitunter große militärische Expeditionen, an denen Hunderte von Schiffen und Tausende von Kriegern beteiligt waren. Der Schlußpunkt dieser Entwicklung waren sozusagen staatliche militärische Unternehmungen, die von Königen oder Angehörigen des Königsgeschlechts geführt wurden.

Seit den 840er Jahren erfolgte Angriff auf Angriff. 845 kamen die Dänen unter dem berühmten Wikinger Ragnar Lodbrok bis Paris, wo Karl der Kahle sie nur gegen eine hohe Tributzahlung zum Abzug bewegen konnte. 885/86 wurde Paris abermals belagert, diesmal über ein Jahr lang, bis Karl III. den Abzug wiederum teuer erkaufen konnte. An den Unterläufen der nordfranzösischen Flüsse dauerten die Verheerungen aber weiter an. Mitunter zogen die Dänen (oft im Bunde mit Norwegern) jahrelang plündernd durchs fränkische Land.

Neben den Zügen ins Frankenreich gingen um die Mitte des 9. Jahrhunderts Angriffe der Dänen nach England einher. Die Zersplitterung der Insel in angelsächsische Teilreiche kam diesen Unternehmungen sehr entgegen. Im letzten Drittel des 9. Jahrhunderts war alles Land von der Themse bis zum Hadrianswall östlich einer Linie London – Chester in dänischer Hand. York wurde der Sitz des dänischen Wikingerkönigs Halfdan und die Stadt selbst ein blühendes Handelszentrum. Die keltischen bzw. angelsächsischen Kleinkönigreiche an den Rändern dieses dänischen Reiches, das bald die Bezeichnung Danelag (Dänenrecht)...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel2
Zum Buch3
Über den Autor3
Widmung4
Impressum4
Inhalt5
I. Der Eintritt der Dänen in die Geschichte: Wikinger und Reichsgründer6
II. Gesellschaft und Wirtschaft im Mittelalter12
III. Großmachtzeit: Innere und äußere Konflikte20
IV. Unionszeit32
V. Bürgerkrieg und Reformation45
VI. Der Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum59
VII. Absolutismus: Der neue Staat69
VIII. Aufklärung und Reformen80
IX. Der Kleinstaat90
X. Industrialisierung und politischer Wandel100
XI. Krisen und Kriege106
XII. Der Wohlfahrtsstaat – Dänemark nach 1945117
Literatur126
Personenregister127
Karte129

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