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Darstellung und Vergleich der gerichtlichen Streitbeilegungsmöglichkeiten im internationalen Wirtschaftsverkehr in der Russischen Föderation

AutorMichael Pojarov
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl82 Seiten
ISBN9783638515306
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Jura - Europarecht, Völkerrecht, Internationales Privatrecht, Note: 1,0, Fachhochschule Bielefeld, 63 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In den letzten Jahren haben grundlegende Marktreformen und starkes Wachstum des Privatsektors in in der Russischen Föderation stattgefunden. Das hat russische Unternehmen zu lukrativen Handelspartnern für viele Geschäftsleute aus aller Welt gemacht. Früher galt als Regel, für eine mögliche Streitbeilegung mit einem staatlichen Unternehmen aus der Sowjetunion ein Wirtschaftsschiedsgericht in einem dritten Land, zu vereinbaren, das gemäß der jeweiligen Ordnung des internationalen Wirtschaftsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer an dem Ort tätig werden sollte. Die Vorteile dieser Gerichte sind aufgrund ihrer Erfahrung und Unabhängigkeit unumstritten. Allerdings haben ausländische Geschäftsleute in letzter Zeit Schwierigkeiten, die Zustimmung ihrer russischen Partners für die Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland zu bekommen. In den vergangenen Jahren in Russland neue Gesetze verabschiedet. es wurde eine gesetzliche Grundlage für internationale Wirtschaftsschiedsgerichte in der Russischen Föderation geschaffen, nicht zuletzt aufgrund des starken auf internationalem Gebiet herrschenden Wettbewerbs um den Austragungsort für schieds-richterliche Verfahren. Das führte dazu, dass heute in Russland mehrere hunderte ständig tätige Wirtschaftsschiedsgerichte entstanden sind, die bei den regionalen Handels und Industriekammern, Börsen und anderen verschiedenen Institutionen organisiert sind. Das Wissen über und das Vertrauen in Gesetze, die Geschäftsbeziehungen regulieren, sowie Transparenz und Gerechtigkeit des Streitbeilegungsprozesses sind aber von Schlüsselbedeutung für die Erweiterung des Handels, der Investitionen und der ökonomischen Kooperationen. Die Wichtigkeit, sich über die Beilegungsalternativen eines möglichen Streits vor dem Vertragsabschluß Gedanken zu machen, ist auch offensichtlich. Deswegen ist das Ziel dieser Diplomarbeit einen Überblick über das Gerichtssystem und die rechtliche Grundlage bezüglich der Streitbeilegung im Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu geben, sowie Vorteile und Nachteile zwei verschiedener gerichtlicher Möglichkeiten für Lösung der vertraglichen Auseinandersetzungen in Russland zu zeigen. Es soll ausländischen Geschäftsleuten geholfen werden, eine richtige Entscheidung bei der Wahl des Gerichtes zu treffen, vor welchem ihre bestehenden und zukünftigen Streitigkeiten mit einem russischen Vertragspartner in Russland ausgetragen werden müssen.

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Leseprobe

1. Arbitragegerichte und internationale Wirtschaftsschiedsgerichte

 

Ein Einstieg in die Wirtschaftsgerichtsbarkeit und das internationale Wirtschaftsschiedsgerichtswesen in der Russischen Föderation ist nur möglich, wenn zuvor eine Abgrenzung zu anderen Arten der Streitbeilegung verstanden wird, weil deren terminologische Ähnlichkeit oft zu Verwirrungen führen kann. Gem. Art. 118 Abs. 2 Verfassung der RF[14] gibt es in Russland zwar verfassungsrechtliche, zivilrechtliche, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Gerichtsbarkeit. Neben der verselbständigen Verfassungsgerichtsbarkeit gem. Art. 125 VerfRF ist aber nur ein duales Gerichtssystem vorgesehen, das aus den Gerichten der allgemeinen Jurisdiktion gem. Art. 126 VerfRF und den Arbitragegerichten gem. Art. 127 VerfRF besteht[15]. Die Gerichte der allgemeinen Jurisdiktion sind für Strafsachen, sowie verwaltungs- und zivilrechtliche Streitigkeiten, wobei eine der Parteien eine Privatperson sein müsste, zuständig.[16] Die Arbitragegerichte sind dagegen nur für verwaltungs- und zivilrechtliche Verfahren mit Beteiligung von juristischen Personen und Kaufleuten zuständig.[17] Daneben gibt es die nationale und internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit sowie die private Schiedsgerichtsbarkeit. Wie schon der Name sagt, beschränkt sich der Zuständigkeitsbereich nationaler Wirtschaftsschiedsgerichte auf die Streitbeilegung zwischen inländischen juristischen Personen bzw. Kaufleuten und ist durch ein eigenes Gesetz geregelt. Der Gegenstand der privaten Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beilegung von zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Privatpersonen, die keine Kaufleute sind.

 

Es bestehen also nur zwei Möglichkeiten, die für eine Verhandlung über grenzüberschreitende Streitigkeiten im Wirtschaftsverkehr in Betracht kommen:

 

1)      ein Arbitragegericht, oder

2)      ein internationales Wirtschaftsschiedsgericht.[18]

 

1.1 Rechtsgrundlagen und Systeme der Gerichte

 

1.1.1 Arbitragegerichte

 

Die Arbitragegerichte existieren in der Russischen Föderation in ihrer heutigen Form erst seit 1991, und wurden vorher „Staatsarbitrage“ genannt.[19] Die Aufgabe der sowjetischen Staatsarbitrage war, die Streitigkeiten zwischen sowjetischen staatlichen Organisationen beizulegen und die planwirtschaftliche Kontrolle über diese Organisationen auszuüben.[20] Aufgrund ihrer weitreichenden Kontroll- und Eingriffskompetenzen stellten sie eher eine Verwaltungsbehörde dar, als ein unabhängiges Justizorgan.[21] 1991 wurden die Staatsarbitragegerichte durch die Verabschiedung des Gesetzes über die Wirtschaftsgerichte und die entsprechende Prozessordnung vom 5.3.1992 in Arbitragegerichte reformiert. Das Gesetz wurde durch das heute geltende Gesetz über die Wirtschaftsgerichte[22] am 01. Juli 1995 ersetzt. Die erste Prozessordnung wurde durch die Wirtschaftsprozessordnung vom 5.5.1995 geändert, die ihrerseits durch eine neue Wirtschaftsprozessordnung[23] am 24.07.2002 abgelöst worden ist. Die neue WPO ist als ein weiterer Schritt in der Gerichtsreform anzusehen, durch den rechtliche Rahmenbedingungen für Streitbeilegungsmechanismen im wirtschaftlichen Verkehr verbessert wurden.[24] Von besonderem Wert ist es, dass die Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Gerichtsbarkeiten besser abgegrenzt[25] und die neuen WPO - Vorschriften mit denen des Gesetzes über die internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit und mit vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen des entsprechenden Gesetzes in Einklang gebracht wurden[26].

 

Die Arbitragegerichte, wie wörtlich aus dem Russischen „arbitrazhnyje sudy“ übersetzt wird, sind in Russland durch VerfRF, WGG und WPO geregelt. Arbitragegerichte sind gem. Art. 1 WGG föderale Gerichte und ein Teil des Judikativen Systems der RF. Sie sind also staatliche Gerichte und keine Schiedsgerichte, wie die Bezeichnung „Arbitragegerichte“ oder „Arbitration Court“ irreführen können.[27] Das vierstufige System der Arbitragegerichte besteht gem. Art. 3 WGG aus dem Höchsten Arbitragegericht der RF in Moskau an der Spitze, danach folgenden zehn föderalen Kassationsarbitragegerichte der Bezirke[28], den zwanzig regional eingeteilten Appellationsarbitragegerichte und den auf der untersten Ebene stehenden Arbitragegerichte der Föderationssubjekte[29], die gem. Art. 36 Pkt. 1 WGG Arbitragegerichte der ersten Instanz sind. In den Appellationsarbitragegerichten kann gem. Art. 33.1 WGG eine Berufung gegen die noch nicht in Kraft getretenen Entscheidungen der Arbitragegerichte der Föderationssubjekte eingelegt werden. Die föderalen Kassationsarbitragegerichte der Bezirke sind gem. Art. 24 Abs. 1 WGG für Revisionsklagen gegen rechtskräftige Entscheidungen der Arbitragegerichte der Föderationssubjekte sowie der Appellationsarbitragegerichte zuständig. Das Höchste Arbitragegericht der RF ist die ausschließliche erste Instanz für Fälle von großer Bedeutung, und es ist gem. Art. 9 WGG für die Überwachung und Verwaltung des Gesamtsystems zuständig und hat die Aufgabe, die Tendenzen in den Entscheidungen der unteren Arbitragegerichte zu studieren und Gesetze zu kommentieren, um sicher zu stellen, dass diese korrekt und einheitlich angewandt werden.[30] Seine Kompetenzen sind abschließend in Art. 10 WGG aufgelistet, zu denen u.a. gem. Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 WGG die Überprüfung von rechtskräftigen Entscheidungen der Arbitragegerichte der RF im Rahmen der Aufsicht und gem. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 WGG die Analyse und die Zusammenfassung der Arbitragegerichtspraxis gehört, um durch seine regelmäßige und offiziell nicht bindende Informationsbriefe eine einheitliche Auslegung von Gesetzen zu gewähren[31]. Solche Informationsbriefe sollen den unteren Arbitragegerichten als Richtlinie für verschiedene Fallkonstellationen dienen.[32]

 

1.1.2 Internationale Wirtschaftsschiedsgerichte

 

Als eine Alternative zu staatlichen Arbitragegerichten können sich die Parteien zur Durchsetzung ihrer Ansprüche in Streitfällen an ein Schiedsgericht wenden. Im Russischen werden sie als „tretejskie sudy“ bezeichnet. Trotz des strengen Wortes „Gericht“ in der Bezeichnung, gibt es dieses herrische und strikte Verfahren, das für staatliche Gerichte charakteristisch ist, bei einem Schiedsgericht nicht, da ein Schiedsverfahren eine Verhandlung zwischen Gleichen durch Gleichen darstellt, die von den Streitenden beauftragt werden.[33] Die Schiedsgerichtsbarkeit wird auch als ein außergerichtliches, aufgrund der Schiedsvereinbarung der Parteien legitimiertes Instrument der Streitbeilegung durch Schiedsrichter verstanden.[34] Schiedsgerichte sind kein Teil des Judikativen Systems der RF.

 

In der Sowjet-Zeit war es sehr üblich, im Außenhandel die Schiedsgerichtsbarkeit bei der Stockholmer Industrie- und Handelskammer zu vereinbaren.[35] Auch Schiedsverfahren mit Teilnahme einer sowjetischen Außenhandelsorganisation in anderen Ländern waren üblich. Die Grundlage dafür bildeten multilaterale Abkommen der UdSSR. Zu nennen sind das UN (New Yorker) Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958, das Europäische (Genfer) Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1961, die Moskauer Konvention von 1972 zwischen den damaligen Mitgliedstaaten des RGW[36] über die schiedsgerichtliche Entscheidung von Zivilstreitigkeiten, die sich aus Beziehungen der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit ergeben. Die oben genannten Abkommen gelten fürs moderne Russland als für den Nachfolger der UdSSR weiter. Russland ist auch Mitgliedstaat des GUS-(Kiewer) Streitbeilegungsabkommens in Wirtschaftssachen von 1992 und Vertragspartner in einer Vielzahl von bilateralen Verträgen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von ausländischen Investitionen, die u.a. die schiedsgerichtliche Streitbeilegung und die Vollstreckung von Schiedssprüchen regeln.[37] Die politischen und die damit verbundenen wirtschaftlichen Veränderungen in Russland am Anfang der 90er Jahre haben die Entwicklung des eigenen modernen Gesetzes über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit bewegt.[38] Die internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit in Russland wird durch das Föderale Gesetz über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit geregelt.[39] Dieses Gesetz wurde in Überreinstimmung mit dem UNCITRAL Modellgesetz zur Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1985[40] verabschiedet.[41] Der Gesetzestext wurde fast wörtlich aus dem ML übernommen und einige wenige Ausnahmen davon sind auf die Tradition des russischen Rechtssystems mit seinen bisherigen Entwicklungen zurückzuführen.[42] Gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1 IHSG ist das IHSG in allen Fällen anwendbar, in denen sich der Ort des internationalen Schiedsverfahrens in der RF befindet.[43]

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