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Das Adoptionsdreieck. Die Identitätsentwicklung des angenommenen Kindes und sozialarbeiterische Begleitmöglichkeiten

Herausforderungen für die Identitätsentwicklung des angenommenen Kindes - sozialarbeiterische Begleitmöglichkeiten

AutorTanja Hildebrandt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783638617703
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,3, Hochschule Hannover, 56 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Wer bin ich? Diese Frage stellt sich jeder - mal mehr, mal weniger bewusst. Die persönliche Identität, das Gefühl von Gleichheit und Beständigkeit, das Wissen wer man ist, wo man hingehört, ist eine zentrale Angelegenheit im Leben. Die Eckpunkte der persönlichen Identität lassen sich einfach ausmachen, so sind uns unser Name, Geburtstag, Geburtsort, Eltern, Großeltern, Geschwister selbstverständlich bekannt. Viele andere Dinge, die unsere persönliche Identität ausmachen, uns unverwechselbar machen, kommen im Laufe des Lebens dazu. Am Ende der Pubertät sollte laut Erik H. Erikson jeder das Gefühl einer stabilen Identität erreichen. Dies drückt er mit dem folgenden Satz, der für die Adoleszenz charakteristisch ist, aus: 'Ich bin ich selbst. Das heißt: Ich bin die Person, die ich in meinen eigenen Augen bin, und ich bin die Person, für die mich die anderen halten.' (Erikson 1980, S. 136) Für Menschen, die adoptiert wurden, ist die Beantwortung dieser Frage nicht so einfach. Sie wissen meist nicht viel über ihre leiblichen Eltern, manchmal nicht einmal, dass sie nicht leibliches Kind ihrer sozialen Eltern sind. Die meisten fühlen sich emotional stark mit ihren Adoptiveltern verbunden und sehen diese als ihre 'richtigen' Eltern an und doch fehlt ihnen das Wissen um den Anfang ihres Lebens. Sollte man nicht einfach dem Adoptierten verschweigen, dass er adoptiert ist und ihm so viel Leid ersparen? Dies ist schon aus rechtlichen Gründen undenkbar, denn jeder hat einen gesetzlichen Anspruch (vgl. Artikel 1 und 2 Grundgesetz) darauf zu wissen, wer seine Vorfahren sind. Außerdem stände immer etwas zwischen Eltern und Kind. Informationen können zwar zurückgehalten werden, aber die Gefühle und die Atmosphäre, die damit verbunden sind, lassen sich nicht verstecken. Das Familienverhältnis kann damit empfindlich gestört werden. Viele Adoptierte haben damit zu kämpfen, dass sie von ihren leiblichen Eltern weggegeben wurden, fühlen sich nicht liebenswert und wissen nicht, zu wem sie gehören. Ein Adoptierter drückt seine Gefühle in Sorosky u. a. (1978, S.117) folgendermaßen aus: 'Adoptiert zu sein und nichts von seiner eigenen Herkunft zu wissen ist, als ob man blind durch den Nebel fliegt.' Eine stabile Identität ist es, die uns stark macht und uns Herausforderungen annehmen lässt. Ein schwaches Identitätsgefühl kann uns behindern, die Fähigkeit einschränken, neuen Anforderungen entgegen zu treten und mit anderen in Kontakt zu kommen. [...]

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Leseprobe

3. Das Adoptionsdreieck


 

Mit dem Bild des Adoptionsdreiecks soll die Lage der beteiligten Personen im Adoptionsprozess verdeutlicht werden. Jede Spitze des Dreiecks wird von einer der beteiligten Parteien besetzt. Dabei haben das Adoptivkind, die Herkunftseltern und die Adoptiveltern je eine der Spitzen besetzt. Durch die Adoption sind sie also im Adoptionsdreieck für immer miteinander verbunden. Alle Interaktionen einer Partei wirken sich so im Sinne des Systemischen Ansatzes auch auf die anderen Teilnehmer aus.

 

Um einen Einblick in die Situation innerhalb des Adoptionsdreiecks zu bekommen, setze ich mich in den nachfolgenden Kapiteln mit den speziellen Situationen der Beteiligten auseinander. Es wird deutlich werden, wie unterschiedlich die Lebens- und Gefühlslagen der Mitwirkenden sind und wie sie sich auf die jeweils anderen auswirken.

 

 

Abb. 2: Das Adoptionsdreieck

 

3.1. Die abgebenden Eltern


 

Eine der beteiligten Parteien im Adoptionsgeschehen sind die abgebenden Eltern. Hier sind es meist alleinstehende Mütter, oft von ihrem Partner verlassen, die sich dann außerstande sehen alleine ihr Kind groß zu ziehen.

 

Die abgebenden Mütter werden gesellschaftlich häufig als „Rabenmütter“ gesehen und ins Abseits gedrängt. Sie geben ihr Kind scheinbar nur zur Adoption frei, weil sie ein freizügiges und nur auf Amüsement ausgelegtes Leben nicht aufgeben wollen. Lieben kann so eine Mutter ihr Kind nicht, heißt es dann, denn so würde keine liebende Mutter handeln.

 

Es gibt ein staatliches Hilfeangebot, das diesen Müttern unter die Arme greift, um es ihnen zu ermöglichen ihr Kind selbst aufzuziehen. Ob diese Angebote eine Alternative zur Freigabe darstellen, soll in Kapitel 3.1.5. geklärt werden.

 

Im Folgenden soll ein Einblick in die Lebenssituation der abgebenden Mütter/Eltern gegeben werden, um das einseitig geprägte Bild der „Rabenmutter“ zu revidieren, aber es durchaus nicht zu verklären.

 

Es soll außerdem dazu anregen, Überlegungen über die Auswirkungen dieser Sichtweise auf die Entwicklung des Kindes anzustoßen.

 

„Ich wusste immer, daß ich adoptiert war, hatte aber unbedingt den Eindruck, daß meine leiblichen Eltern schrecklich sündige Menschen seien. Meine leibliche Mutter kam aus einer guten Familie, war aber auf die falsche Bahn gekommen. Sie hatte unmoralische Ansichten. Jemand, der ein uneheliches Kind hatte, konnte einfach nicht gut sein“ (Ein Adoptierter in Sorosky u. a. 1978, S. 81).

 

3.1.1.  Sozialdaten


 

Die Sozialdaten von abgebenden Müttern werden nur für den Bereich „Familienstand während der Freigabe“ vom Statistischen Bundesamt erfasst. Alle weiteren relevanten Daten können nur aus stichprobenartigen Untersuchungen entnommen werden.

 

Eine verhältnismäßig umfangreichen und zu dem recht aktuelle Untersuchung, bei der die Daten von 215 Müttern erhoben wurden, wurde von Textor im Jahr 1991 veröffentlicht. Um einen Einblick in die soziale Situation der abgebenden Mütter zum Zeitpunkt der Adoptionsfreigabe zu bekommen, sollen diese Zahlen von Textor herangezogen werden. Anschließend werde ich sie mit den Daten, die Wendels 1998 veröffentlichte vergleichen. In ihrer Untersuchung wurden die Daten von 20 Müttern erhoben.

 

Bei der Freigabe zur Adoption war die überwiegende Zahl der leiblichen Mutter ist zwischen 21 und 30 alt (67 Prozent). In 18 Prozent der Fälle ist sie unter 20 Jahre alt und in 13 Prozent älter als 30 Jahre. Die überwiegende Mehrheit (84 Prozent) der Mütter ist alleinstehend (ledig, geschieden oder verwitwet); nur 17 Prozent sind verheiratet (vgl. Textor: http://freenet-homepage.de/Textor/Adoptionsreform.htm).

 

Elf Prozent befanden sich zum Freigabetermin in einer Schul- oder Berufsausbildung, 14 Prozent waren arbeitslos, 20 Prozent waren Hausfrauen und 65 Prozent erwerbstätig. 73 Prozent der Mütter besuchten die Hauptschule, wobei 30 Prozent den Abschluss nicht erreichten (vgl. Textor: http://freenet-homepage.de/Textor/Adoptions reform.htm).

 

Die Beziehung zum Vater des Kindes wurde in 35 Prozent der Fälle als flüchtige Bekanntschaft beschrieben. 35 Prozent der Mütter gaben an, dass es sich um einen festen Freund oder Verlobten handelt und 23 Prozent nannten als Vater den eigenen Ehemann. Nur vier Prozent gaben an, dass der Vater ein „unbekannter“ Mann sei. In etwas mehr als zwei Dritteln der Fälle wurde die Beziehung beendet; in 28 Prozent der Fälle bereits vor der Diagnose der Schwangerschaft, in 30 Prozent der Fälle während der Schwangerschaft und in neun Prozent der Fälle nach der Geburt des Kindes (vgl. Textor: http://freenet-homepage.de/Textor/Adoptionsreform.htm).

 

Der psychische Gesundheitszustand der Mütter, wurde von den Adoptionsvermittlern bei 28 Prozent der Frauen als sehr gut oder gut eingeschätzt, 41 Prozent hatten demnach einen befriedigende psychische Verfassung und 34 Prozent der Mütter war in schlechter oder sehr schlechter Verfassung. 24 Mütter missbrauchten Alkohol, Drogen oder Tabletten (vgl. Textor: http://freenet-homepage.de/Textor/Adoptionsreform.htm).

 

Über die Väter liegen weitaus weniger Informationen vor. Daher können nur die Daten von 55 Vätern betrachtet werden. Zum Zeitpunkt der Freigabe waren acht Prozent der Väter jünger als 20 Jahre, 55 Prozent waren zwischen 21 und 30 Jahren sowie 38 Prozent älter als 30 Jahre (vgl. Textor: http://freenet-homepage.de/Textor/ Adoptionsreform.htm).

 

Die meisten Väter (40 Prozent) reagierten abivalent auf die Schwangerschaft der Frau; 18 Prozent waren ablehnend und sieben Prozent gleichgültig. Hingegen reagierten acht Prozent positiv; weitere 17 Prozent wollten das Kind behalten. In zehn Prozent der Fälle wurde der leibliche Vater nicht über die Schwangerschaft informiert. Der leibliche Vater war in 62 Prozent der Fälle mit der Adoption einverstanden, die Einwilligung wurde bei sechs Prozent vom Vormundschaftsgericht ersetzt (vgl. Textor: http://freenet-homepage.de/Textor/Adoptionsreform.htm).

 

Die Untersuchung von Wendels zeigt zum Teil einen anderen Trend.

 

Das überwiegende Alter der Befragten lag zum Zeitpunkt der Abgabe, wie bei Textor auch, zwischen 20 und 30 Jahren. Auffallend ist allerdings, dass die Zahl der Mütter unter 20 Jahren mit zirka 30 Prozent sehr hoch ist. Über 30 Jahre sind 24 Prozent der Mütter (vgl. Wendels 1998, S. 36 f.). Diese Zahlen können auch durch die Untersuchung von Hoffmann-Riem betätigt werden, die den Anteil der Mütter unter 20 Jahren bei über 23 Prozent sieht. Zwischen 20 und 30 Jahren liegt in ihrer Erhebung das Alter von 54 Prozent der Befragten (vgl. Hoffmann-Riem 1984, S. 320).

 

Auch Wendels stellt fest, dass die überwiegende Mehrheit der Mütter alleinstehend ist, zu der Anzahl der Kinder, die außerdem noch bei der Mutter leben, trifft sie keine Aussagen.

 

Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Familienstand der abgebenden Mütter bestätigen, dass die Zahl der Mütter, die allein für das Kind sorgen (müssten) besonders hoch ist. Wie bei Textor sind 84 Prozent der Mütter alleinstehend (vgl. Statistisches Bundesamt https://www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/pm.html.cms.cBroker.cls ?cmspath=struktur,vollanzeige.csp&ID=1019285).

 

In Wendels Erhebung liegt das Alter der Väter bei der überwiegenden Mehrheit (fast 64 Prozent) bei 20 bis 29 Jahren. Männer die bereits über 30 Jahre alt sind, waren zu 27 Prozent in ihrer Stichprobe vorhanden. Unter 20 Jahre waren knapp zehn Prozent (vgl. Wendels 1998, S. 32 f.).

 

Übereinstimmend kann festgehalten werden, dass die überwiegende Zahl der Mütter alleinstehend ist und somit auch allein für ein Kind sorgen müsste. Außerdem liegt das Alter der Mütter zum großen Teil unter 25 Jahren und auch der Anteil der sehr jungen Mütter unter 20 Jahren ist zumindest bei Wendels und Hoffmann-Riem sehr hoch. Außerdem lebten diese Frauen oft noch in der Wohnung ihrer Eltern und waren auf die finanzielle Unterstützung dieser angewiesen (vgl. Wendels 1998, S. 43).

 

3.1.2. Gründe für die Freigabe des Kindes


 

Gründe für die Freigabe eines Kindes sind von unterschiedlichen Autoren festgehalten worden, eine amtliche Statistik wird allerdings nicht geführt, daher nehme ich Bezug auf zum Teil recht alte Untersuchungen. Bei diesen Erhebungen werden Daten der leiblichen Väter so gut wie gar nicht berücksichtigt, nur Sorosky befragte auch zwei leibliche Väter zu ihren Freigabegründen. Scheinbar wird die Entscheidung zur Adoptionsfreigabe zumeist von den ledigen Müttern allein getroffen.

 

Die Erhebung, die von Napp-Peters im Jahr 1978 veröffentlicht wurde, gehört zu den umfangreichsten Untersuchungen und soll nachstehend wiedergegeben...

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