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E-Book

Das Alpenkorps an der Dolomitenfront

Mythos und Realität

AutorImmanuel Voigt
VerlagAthesia
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl172 Seiten
ISBN9788868391171
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wie konnte aus den bisher im Gebirge unerfahrenen Männern des Alpenkorps eine schlagfertige, 'elitäre' Truppe werden? Welche Rolle spielte dabei der Einsatz in Südtirol, und wie wurden die deutschen 'Bundesbrüder' in der Erinnerung der Zwischenkriegs- und NS-Zeit dargestellt? Das vorliegende Buch stellt erstmals die Frage nach der Wahrnehmung des Alpenkorps in der Literatur zwischen 1916 und 1939 und setzt sie in Beziehung zu den vorhandenen Archivmaterialien. Die Untersuchung liefert eine realistische Einschätzung der Verhältnisse, unter denen das Alpenkorps 1915 in Südtirol eingesetzt wurde, und rückt damit den 'Mythos', mit dem die erste deutsche Gebirgstruppe bis heute umgeben wird, zurecht.

Immanuel Voigt, geb. am 26.02.1984 in Zwickau/Sa., Studium in Chemnitz (2005-2006) und Jena (2006-2011), Promotion seit 2012 in Jena, Forschungsschwerpunkte: Gebirgskrieg in den Dolomiten 1915-1917; Deutsche Luftstreitkräfte des Ersten Weltkrieges.

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Leseprobe

Die Situation am Vorabend des italienischen „Intervento“


Die Verhandlungen zwischen Österreich-Ungarn und Italien bis zur Kriegserklärung

Im Folgenden wird dem Leser die Situation der Mittelmächte und Italiens bis zur Kriegserklärung am 23. Mai 1915 aufgezeigt. Zunächst werden die Verhandlungen zwischen Österreich-Ungarn und Italien im Mittelpunkt stehen. Im Anschluss sollen die Kriegsvorbereitungen und Kriegsziele Italiens verdeutlicht werden. Abschließend wird der Fokus auf Österreich-Ungarn gelegt und es werden dessen Reaktionen und erste Maßnahmen betrachtet.

Nachdem im August 1914 der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, verhielt sich Italien zunächst neutral. Dennoch war der Dreibund, in dem Italien mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich seit 1882 vereint war, faktisch schon 1914 „virtuell tot“1. Das von einem wenig freundschaftlichen Verhältnis geprägte Bündnis, vor allem zwischen Italien und Österreich-Ungarn, verstärkte das Misstrauen beider Länder zusehends. So rechnete man von österreichischer Seite bereits kurz nach Kriegsbeginn im August 1914 damit, dass trotz der Neutralitätsbekundungen Italiens ein Angriff auf Südtirol erfolgen könnte. Dies zeigt deutlich, dass sich Italien schon in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zunehmend vom Dreibund abgegrenzte. Bereits vor 1914 hatten die italienischsprachigen Gebiete um Trient und Triest als Bezugspunkte der Irredenta (Ideologie, welche das Ziel hat, möglichst alle Gebiete, die zu einer Ethnie gehören, in einem gemeinsamen Staat zu vereinigen) eine besondere Bedeutung für Italien. Sie sollten dem italienischen Staat hinzugefügt werden, um die nationale Einheit, das Risorgimento, zu vollenden. Auf italienischer Seite war man der Auffassung, dieses Ziel in einem kurzen und begrenzten Feldzug gegen Österreich-Ungarn relativ leicht durchführen zu können. Hans-Jürgen Pantenius bemerkt: „Es war eine Art Theorie des begrenzten Konfliktes mit der Absicht, die Kriege des Risorgimento mit einem letzten leichten Erfolg zu krönen und die ‚Unerlösten Gebiete‘ ohne große Blutopfer den bisherigen Erwerbungen hinzuzufügen.“2

Daher schien der Kriegsausbruch 1914 einen willkommenen Anlass zu liefern, dieses Ziel durchzusetzen. Obwohl Italien offiziell seine Neutralität bekundete, arbeitete es insgeheim an der Kriegsvorbereitung seines Heeres sowie an einer allgemeinen Aufrüstung. Die Beziehungen zwischen Italien und der Habsburgermonarchie begannen sich weiter zuzuspitzen, nachdem die Italiener im September 1914 für den Einmarsch in Serbien Kompensationen nach Artikel VII des Dreibundvertrages von Österreich-Ungarn forderten. Bereits zu diesem Zeitpunkt war man sich auf italienischer Seite einig, dass ein Kriegseintritt und die Vollendung des Risorgimento nur an der Seite der Entente-Mächte erfolgen könne. Vor allem der für die Mittelmächte bis dahin ungünstige Kriegsverlauf, der nicht mit einem schnellen Sieg geendet hatte, trug zu dieser Entscheidung maßgeblich bei.

Im Oktober 1914 sprach der italienische Ministerpräsident Antonio Salandra von einem „sacro egoismo“, welcher künftig das Handeln Italiens bestimmen werde. Zu Beginn des Jahres 1915 erneuerten die Italiener ihre Forderungen nach der Abtretung des Trentino, der Grenze bis zum Brenner sowie Teilen Istriens. Der weiterhin ungünstig verlaufende und kräftezehrende Krieg für die Mittelmächte hatte Italien in diesen Forderungen erneut bestärkt. Der österreich-ungarische Außenminister Baron Burián lehnte die Forderungen, welche in den Augen Österreich-Ungarns als „Erpressungsversuch“ gesehen wurden, dagegen strikt ab. Die Regierung in Rom verlor hingegen die Geduld und begann die Verhandlungen um einen möglichen Kriegseintritt aufseiten der Entente. Um auch weiterhin die Neutralität Italiens zu sichern, kam man auf deutscher Seite zu der Überzeugung, dass dies nur durch die Bewilligung weiterer Zugeständnisse gelingen würde. Somit drängte das Deutsche Reich Österreich-Ungarn Anfang März 1915, die Verhandlungen mit Italien über Gebietsabtretungen wiederaufzunehmen. Cletus Pichler, seines Zeichens ehemaliger Generalstabschef des Landesverteidigungskommandos Tirol, drückt die Situation aus Sicht der Österreicher drastisch aus: „Von Deutschland rücksichtslos gedrängt, die Neutralität des falschen Bundesgenossen zu erkaufen, mußte Österreich-Ungarn zustimmen […].“3

Ende März 1915 verlangte Italien die sofortige Abtretung ganz Südtirols bis zum Brenner sowie der Städte Görz und Gradiska. Von österreichischer Seite war man keinesfalls gewillt, diesen Forderungen nachzukommen. Vor allem die sofortige Abtretung ließ Zweifel aufkommen, dass Italien seine Neutralität wahren würde. Zudem versuchte Wien, diese Forderung weiter zu verzögern, indem man auf die juristischen und administrativen Probleme einer sofortigen Abtretung verwies. Das Deutsche Reich beharrte hingegen weiterhin darauf, zumindest einen Kompromissvorschlag durchzusetzen, um den drohenden Krieg zu vermeiden. Auf deutscher Seite war man sich sicher, dass ein Krieg mit Italien in einer Katastrophe enden würde. Generalstabschef Erich von Falkenhayn, aber auch der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg teilten diese Ansicht.

Unterdessen wurden die Verhandlungen der Entente mit Italien immer intensiver. Italien sollte schlussendlich mit der Zusage der betreffenden Gebiete zu einem Kriegseintritt bewegt werden. Darüber hinaus versprachen die Entente-Staaten weiteren Gebiets-sowie Machtzuwachs für Italien. Matthias Rettenwander schlussfolgert ebenfalls aus österreichischer Perspektive: „Die Entente hatte die österreichisch-ungarischen Zugeständnisse bei Weitem überboten und erhielt im Länderschacher schließlich den Zuschlag. Es war ein Zuschlag an den Meistbietenden, ganz im Sinne des sacro egoismo Salandras.“4

Am 26. April 1915 unterzeichnete Italien den „Londoner Geheimvertrag“ mit den Entente-Mächten. In diesem Abkommen versicherte Italien, dass es binnen eines Monats an der Seite der Entente in den Krieg eintreten würde. Im Gegenzug sollte das savoyische Königreich umfassende Territorialgewinne erhalten, etwa das bereits erwähnte Südtirol bis zum Brenner, ferner Gebiete in Istrien, Dalmatien sowie einige adriatische Inseln. Bereits vor dem Vertragsabschluss hatte man Italien aufgefordert, Anfang April 1915 den Kriegseintritt aufseiten der Entente zu erklären. Allerdings zwangen zum einen die Roh stoffabhängigkeit von England und zum anderen das bis dahin noch nicht voll ausgerüstete und mobilisierte Heer Italien dazu, den Kriegseintritt für frühestens Mitte Mai 1915 zu versichern.

Bereits wenige Tage nach der Unterzeichnung des Londoner Vertrages, am 4. Mai 1915, kündigte Italien den Dreibund mit dem Deutschen Reich und mit Österreich-Ungarn. Zu diesem Zeitpunkt willigte Österreich-Ungarn der Unterbreitung eines letzten Abtretungsvorschlags ein, wiederum durch Deutschland dazu gedrängt, welchen es den Italienern am 10. Mai 1915 übersandte. Wien war nun bereit, hauptsächlich die Gebiete abzutreten, welche vornehmlich von der italienischsprachigen Bevölkerung Südtirols bewohnt wurden, den sogenannten Welschtirolern, ferner auch Gebiete am Isonzo. Triest sollte freie Stadt werden, außerdem war man bereit, die italienischen Herrschaftsinteressen über Albanien anzuerkennen. Dennoch kamen die österreichisch-ungarischen Zugeständnisse zu spät, abgesehen von der Tatsache, dass diese das Angebot der Entente-Mächte niemals hätten überbieten können. Allerdings versäumten es die Österreicher nicht, ihre Abtretungsangebote öffentlich zu machen, um so den moralischen Druck auf Italien zu erhöhen. Dieser Umstand vereinfachte die Legitimierung des bevorstehenden Krieges und ließ die Italiener bewusst als „die treubrüchigen Welschen“ dastehen, welche trotz eines Entgegenkommens der k. u. k. Monarchie (k. u. k. = kaiserlich und königlich) den Krieg aus „Habgier und Größenwahn“ beginnen wollten. Später versäumten es die Österreicher auch nicht, den „ungeheuerlichen Treuebruch“ propagandistisch auszuschlachten. Die österreichisch-ungarische Bevölkerung, besonders in den unmittelbar bedrohten Gebieten, ebenso die Soldaten waren demnach viel leichter für den Sinn eines „nötigen Verteidigungskrieges“ zu begeistern. Andererseits sorgte dieser Umstand in der italienischen Öffentlichkeit für die Infragestellung eines möglichen Krieges gegen Österreich-Ungarn. Dennoch äußerten sich mit wenigen Ausnahmen kaum oppositionelle Stimmen gegen den Krieg in Italien.

„Todesanzeige für den Bundesgenossen Italien“ – aus deutscher Sicht dargestellt: Obwohl an das Deutsche Reich 1915 noch keine Kriegserklärung ergangen war, nutzte man das Ereignis dennoch für die eigene Kriegspropaganda gegen Italien.

Österreich-Ungarn und auch Deutschland war bekannt, dass Italien am 26. April 1915 einen Vertrag mit der Entente unterzeichnet hatte. Die Annahme ging allerdings dahin, dass Italien sich eine vierwöchige...

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