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E-Book

Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes

AutorJürgen Ebach
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783641195533
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Alttestamentliche Theologie - Kern christlicher Verkündigung
Wo - das ist die leitende Frage dieses Buches - kommt im Gottesdienst die hebräische Bibel, das Alte Testament, zur Sprache, und wie kommt es zur Sprache? Was wird da hörbar, und was sollte deutlicher zu Gehör - und zu Herzen - kommen? Jürgen Ebach bringt die Präsenz des Alten Testaments im Beten, Singen und Feiern der christlichen Gemeinde neu zu Bewusstsein. Er zeigt: Das Alte Testament ist nicht ein bloß »vorchristliches Glaubenszeugnis«, seine Theologie steht vielmehr im Kern der christlichen Verkündigung. Ein Christentum ohne das Alte Testament ist darum ein entwurzeltes Christentum.
  • Das Alte Testament als Quellgrund christlichen Gottesdienstes entdecken
  • Auch eine Einführung in die Grundlinien alttestamentlicher Theologie


Dr. Jürgen Ebach, geb. 1945, ist Professor em. für Exegese und Theologie des Alten Testaments und Biblische Hermeneutik an der Ruhr-Universität Bochum. Er war langjähriges Mitglied im Editorial Board der Zeitschrift »Biblical Interpretation« (Sheffield), sowie Konsultor des »Freiburger Rundbriefs« (Zeitschrift für christlich-jüdische Begegnung) und ist Mitherausgeber der Buchreihe »Jabboq«. Seit vielen Jahren ist er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Lange Zeit gehörte er der exegetischen Arbeitsgruppe und dem Präsidium des Kirchentags an, ferner dem Arbeitskreis Studium in Israel. Er ist Mitherausgeber der Bibel in gerechter Sprache, bei der er auch als Übersetzer mitgewirkt hat.

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Leseprobe

Der Ort des Gottesdienstes oder:
Wo wohnt Gott?

»… das des herrn haus heisse, wo er wonet,

Und das er wonet, wo sein wort ist,

Es sey auff dem felde,

jnn der kirchen, odder auff dem meer«

(Martin Luther1)

Der evangelische Sonntagsgottesdienst findet in der Regel in einem dafür bestimmten Gebäude statt; der Kirchenraum dient seit jeher primär der Verkündigung des Wortes Gottes und der Abendmahlsfeier.2 Mit dem bestimmten Ort verbindet sich jedoch eine im engsten Sinn theo-logische Frage: Gibt es Räume, in denen Gott näher ist, und andere, in denen ER oder SIE ferner ist? Wer sich für eine Suche nach einer Antwort in den Text-Raum des Alten Testaments begibt, findet da eine Fülle von Antworten. Sie verweisen einerseits auf religionsgeschichtliche und theologische Entwicklungen, bleiben aber andererseits auch nebeneinander, einander ergänzend und auch gegeneinander stehen. Versuchen wir, einige der unterschiedlichen Aussagen ein wenig zu ordnen, ohne ihre Vielschichtigkeit einzuebnen. Es geht hier – und nicht nur hier – um die Wahrnehmung der in der Bibel selbst aufgehobenen Diskurse, in denen es allermeist mehr als nur eine Stimme gibt. »Schriftgemäß« ist eine Lektüre und Auslegung der Bibel, die der »Schrift« selbst gemäß ist, indem sie wahr nimmt, dass es in der Bibel oft mehr als nur eine Antwort auf die Fragen von Leben und Glauben gibt und dass die nicht selten bis zu Widersprüchen reichende Vielfalt dieser Antworten im Kanon der »Schrift« nebeneinander, gegeneinander und so miteinander zu stehen kommen.3

Der Tempel als Ort Gottes

Nicht von Anfang an, wohl aber in langen Phasen der Geschichte Israels war der Jerusalemer Tempel ein zentraler Ort, an dem Israels Gott kultisch verehrt wurde. David hatte den Plan zum Bau des Tempels noch nicht verwirklichen sollen oder können; es obliegt seinem Sohn Salomo, »dem Namen Adonajs« oder »dem Namen ›Adonaj‹«4 (l´schem jhwh) ein Haus zu bauen (1Kön 5,17-19). Doch mit dem Bau des Salomonischen Tempels5 verbindet sich eine fundamental-theologische Frage. Im Zusammenhang des Berichts über die Bauvorbereitungen und dann die Errichtung, Ausstattung und Einweihung des Tempels in 1. Könige 5-8 heißt es in 8,12f. als Wort des Königs Salomo:

»Adonaj hat gesagt, im Dunkel wohnen zu wollen.

Doch tatsächlich habe ich ein fürstliches Haus für dich gebaut,

einen Ort, wo du wohnen sollst für Weltzeiten.«

Vorausgeht als Begründung, die Priester hätten im Dunklen ihren Dienst nicht ausüben können. Das Motiv des Wolkendunkels schließt an die Erzählungen von der Wüstenwanderung an, in der Gott dem Volk stetig voranging, »am Tag in einer Säule von Gewölk, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Säule von Feuer, um ihnen Licht zu geben, auf dass sie Tag und Nacht gehen konnten« (Ex 13,20f.). Die Formulierungen in 1Kön 8,10f. nehmen z.T. wörtlich Ex 40,34 auf, wonach die Wolke das Zelt der Begegnung bedeckt und der Glanz, das Gewicht (der kavod6) Adonajs die Wohnung erfüllt habe. Obwohl die Schilderung in 1. Könige 8 das Konzept eines mitgehenden, mitwandernden Gottes mit dem eines festen Hauses, eines Tempels zu verbinden sucht, bleibt eine Spannung beider Grundlinien spürbar. Sie verstärkt sich noch, wenn dann im »Tempelweihgebet Salomos« ein drittes Konzept aufscheint, nämlich das der himmlischen Wohnung Gottes, und wenn auch das als unzulänglich im Blick ist. In 1Kön 8,27 heißt es, die Himmel könnten Gott nicht fassen Das Wissen darum, dass selbst die Himmel Gott nicht fassen können, wird zur bangen Frage, ob denn ein Haus wie der Tempel Salomos es könne. Es kann es nur, wenn und weil Gott es so will, so die Fortsetzung in 1. Könige 8 implizit und in 9,3 deutlich. Hier zeigt sich in ein und demselben Textzusammenhang das Zugleich von Gottes Universalität und Gottes partikularer Bindung als Selbstbindung. In Jesaja 6 kommt das ins Bild, wenn der Prophet Gottes Präsenz im Tempel begegnet, wobei jedoch allein der Saum des göttlichen Gewandes den Tempel füllt. Gottes Präsenz hat im Tempel einen Haftpunkt, aber sie geht im Raum des Heiligtums nicht auf. Dieses Motiv kann mit anklingen, wenn in der Abendmahlsliturgie das »Heilig, heilig, heilig« der Serafen (Jes 6,3) gesungen wird.

Die Frage, ob Gott im Heiligtum wohnen will oder nicht, verbindet sich in Ex 25,8 mit zwei Übersetzungs- und Verstehensmöglichkeiten eines kleinen Wortes, im hebräischen Text nur eines Buchstabens. Bei den Anweisungen zum Bau des Begegnungszeltes folgt auf Gottes Aufforderung: »Und sie sollen mir ein Heiligtum machen« (w´asu li mikdasch) die Bekundung: w´schachanti b´tocham. Das »w« kann hier sowohl ein Und als auch ein Aber anzeigen. »Und sie sollen mir ein Heiligtum machen und ich will in ihrer Mitte wohnen!« Das ist eine Wiedergabemöglichkeit des Verses. Das Heiligtum – im Erzählzusammenhang das Zelt der Begegnung (ohel mo´ed), in Luthers Wiedergabe die »Stiftshütte« – wäre danach die von Gott gewollte Wohnung.

Doch man kann auch lesen: »Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, aber wohnen will ich in ihrer Mitte.« Geht es bereits in Exodus 25 selbst darum, dass Gott nicht in jenem Heiligtum, eben nicht, mit einem Singular, in seiner Mitte, wohnen wolle, sondern, mit einem Plural (b´tocham), »in ihrer Mitte«, d.h. inmitten des Volkes Israel oder auch mitten in jedem einzelnen Menschen Israels? »Gott will eben nicht im Heiligtum wohnen, sondern in der Mitte des Volkes«, kommentiert Christoph Dohmen und setzt fort: »Dafür aber ist das Heiligtum die Voraussetzung.«7 So kommen das Aber und das Und zusammen. Es bedarf des festen Ortes – des Begegnungszeltes in der erzählten Zeit von Exodus 25, dann des Tempels – und schließlich für Christinnen und Christen des Kirchengebäudes –, aber es bleibt stets zu beherzigen, dass Gott sich nicht auf jene Orte festlegen, sich nicht in sie einschließen lässt.

Kirchenbauten

Die Geschichte der Bauformen christlicher Kirche ist nicht das Thema der hier präsentierten Beobachtungen und Reflexionen zur Präsenz der hebräischen Bibel und des Glaubens Israels in kirchlicher Gegenwart. Dennoch soll ein kleiner Seitenblick darauf aufmerksam machen, dass sich in den verschiedenen Kirchenbauformen je bestimmte biblisch-theologische Konzeptionen dokumentieren. Nur wenige Beispiele: Da sind die Kirchen, die nach dem Vorbild des »himmlischen Jerusalem« in Aufnahme von Offenbarung 21 erbaut sind; da gibt es die Nachahmung eines Zeltes, welches für die »Kirche unterwegs« steht, und da verweist die Rede vom Kirchen-»Schiff« auf das älteste biblische Bauwerk, nämlich Noahs Arche. Katholische und lutherische Kirchen sind auf den Altar hin ausgerichtet, reformierte Kirchen auf den Tisch, auf dem die Bibel als Grundlage des Gottesdienstes liegt. Manche, z.B. die Lutherkirche in Bochum-Dahlhausen, deren Liturgie ich in der Anlage dieses Buches folge, sind auf das Predigtgeschehen fokussiert, indem – nach dem »Wiesbadener Programm« – Orgel, Kanzel und Altar in einer senkrechten Linie untereinander platziert sind und die Kanzel deren Mitte bildet. Es gibt Kirchen, deren Decke einen sternenübersäten Himmel darstellen, und es gibt – vor allem in der Form von Gemeindezentren – Kirchengebäude, die in erster Linie als Versammlungsräume der Gemeinde konzipiert sind. Zunehmend gibt es in Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Flughäfen, Konzernzentralen und Fußballarenen, d.h. sehr weltlichen Bauten, sakrale »Räume der Stille«, die keiner bestimmten Konfession oder Religion zugehören, sondern Menschen einen Ort geben, je für ihre Weise, eine Beziehung zu Gott zu suchen. All diese Formen nehmen biblische Motive und Linien auf; gerade ihr Nebeneinander korrespondiert auf ihre Weise der Vielfalt biblischer Gottesdienstformen.

Wo wohnt Gott? Unterwegs im Zelt der Begegnung, im Himmel, im Tempel, inmitten Israels. Jede dieser Antworten kann sich auf die »Schrift« beziehen, aber vor allem gründet auf der »Schrift« das Neben-, Gegen- und Miteinander dieser Antworten. Das gilt auch für eine Mehrzahl weiterer Antwortmöglichkeiten, die hier ins Spiel zu bringen und auf die Frage nach der Präsenz Gottes im evangelischen Gottesdienst zu beziehen sind. Nehmen wir einige von ihnen etwas genauer in den Blick und setzen noch einmal beim Himmel ein.

Im Himmel

Gott wohnt im Himmel8, in den Himmeln (ha-schamajim). Diese Aussage findet sich häufig im Alten Testament, vor allem in den Psalmen – so in Ps 2,4 (»aber der im Himmel wohnt, lacht ihrer«) oder Ps 11,4 (»Adonajs Thron ist im Himmel«). Die Vorstellung von einem himmlischen Wohnort Gottes bzw. der Götter ist in der Religionsgeschichte geläufig. Was die Antike angeht, scheint sie daher kaum der Erläuterung zu bedürfen. Die neuzeitliche Entzauberung der Welt brachte jedoch nicht zuletzt eine Entzauberung und Entgöttlichung des Himmels mit sich, indem sie zuerst mit der Vorstellung aufräumte, dass sich der Himmel oben befinde. Aber die Aussage, Gott wohne im Himmel, ist bereits in der hebräischen Bibel selbst nicht nur nicht die einzige, sondern zudem eine,...

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