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Das Anti-Allergie-Buch

Auslöser, Heilungschancen und die neuesten Therapieformen

AutorRudolf Valenta
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783492973748
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Heuschnupfen, Asthma, tränende Augen, Hautausschläge ... Allergien zählen zu den größten Plagen der modernen Zivilisation. Mindestens ein Drittel aller Mitteleuropäer ist davon betroffen, und bisher konnte die Medizin nur die Symptome lindern. Doch die Allergieforschung ist eines der heißen Medizinthemen der Wissenschaft: Derzeit macht die Entschlüsselung der Ursachen und der Mechanismen von Allergien enorme Fortschritte. Der renommierte Wissenschaftler Rudolf Valenta und der Wissenschaftsjournalist Alwin Schönberger erklären die jüngsten Erkenntnisse der Allergieforschung: was eine Allergie auslöst, warum Allergien heute häufiger vorkommen, die Wechselwirkungen bei Kreuzallergien, die gängigen Behandlungsmethoden und was die neuen Diagnoseverfahren und Therapien bieten, und welche Chancen die mögliche Impfung bieten kann. Dieses Buch ist ein Muss für alle Allergiker, die ihr Leiden besser verstehen und es endlich in den Griff bekommen wollen.

- Prof. Dr. Rudolf ist Pathologe und Professor für Allergologie an der Medizinischen Universität Wien und forscht seit über 20 Jahren über die Ursachen von Allergien und wie die Diagnostik sowie die Behandlung verbessert werden können. Zusammen mit seinem Team hat er eine Impfung gegen die Gräserpollenallergie entwickelt, die derzeit in der letzten pharmazeutischen Prüfphase ist. - Alwin Schönberger, geboren 1968, ist Leiter des Wissenschaftsressorts beim Wiener Nachrichtenmagazin profil, Projektleiter des Wissensmagazins profil wissen sowie Autor mehrerer Sachbücher.

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Leseprobe

Die Leidensgeschichte


Ein historischer Abriss der Allergieforschung

Das tiefere Verständnis des Kosmos und der Bausteine der Materie verdanken wir dem Heuschnupfen. Dieser merkwürdige Zusammenhang erklärt sich aus der Verkettung folgender Umstände: Im Frühjahr 1925 saß ein junger Mann in seinem Büro und litt an scheußlichen Allergiesymptomen: Werner Heisenberg, 23 Jahre alt, nieste ohne Unterlass, seine Augen tränten erbärmlich, das Gesicht schwoll bedrohlich an. Sein Chef an der Universität Göttingen, der berühmte Physiker Max Born, hatte Mitleid mit seinem Assistenten. Er schickte Heisenberg für ein paar Wochen zur Erholung nach Helgoland, wo der Pollenflug aufgrund der relativ kargen Vegetation erheblich reduziert ist.

Heisenberg nahm das Angebot seines Vorgesetzten mit Freude an und flüchtete auf die Insel. In den kommenden Wochen vertiefte er sich nicht nur in die Werke Goethes, sondern fand in ruhigen Nächten auch die Muße, intensiv über die Struktur und Beschaffenheit der Atome nachzudenken. Das Ergebnis seiner Grübeleien waren die Grundlagen der Quantenmechanik – jenes Fundaments der Physik, das die teils bizarren Gesetzmäßigkeiten der Materiepartikel beschreibt.

Vielleicht lernte Heisenberg während seines Kuraufenthalts auch einige Leidensgenossen kennen. Denn Helgoland galt als begehrtes Exil für all jene, denen die Blüte von Birke, Hasel oder Erle heftig zusetzte. Bereits seit 1897 fuhren Allergiegepeinigte alljährlich dorthin, und im Jahr 1900 wurde der »Heufieber-Bund von Helgoland e.V.« ins Vereinsregister eingetragen. Die lange Tradition der Patientenorganisation, aus welcher der Deutsche Allergie- und Asthmabund hervorging, zeigt deutlich, dass Allergien keineswegs nur eine Geißel unserer Tage sind. Zu Heisenbergs Zeiten hatten sie natürlich bei Weitem nicht das schier epidemische Ausmaß erreicht, mit dem wir heute konfrontiert sind. Trotzdem waren Allergien nicht gänzlich exotische Erscheinungen. Manche Schätzungen taxieren die Rate deutscher Allergiker um die Wende zum 20. Jahrhundert auf etwa 2 Prozent. Im Vergleich zu heute klingt das zwar geradezu lächerlich gering. Aber der Leidensdruck der Patienten war offenbar groß. Sonst hätten Betroffene kaum schon vor mehr als einem Jahrhundert einen Interessenverband ins Leben gerufen und Helgoland zum Frühjahrsdomizil erkoren, das während der Pollensaison Linderung versprach. Zehn Jahre nach der Gründung gehörten dem Verein bereits rund 2000 Mitglieder an.

Doch Allergien traten in noch viel ferneren Tagen auf, schon vor Tausenden von Jahren in längst verflossenen Epochen der Menschheit. Strich womöglich schon manch einer unserer nomadischen Vorfahren unter Niesanfällen durch die Savanne? Wer weiß. Ganz gewiss jedoch handelt es sich nicht ausschließlich um eine Zivilisationskrankheit. Die Zahl der Allergiker ist zwar über die Jahrzehnte kontinuierlich gestiegen, phasenweise im vorigen Jahrhundert parallel zur fortschreitenden Urbanisierung und Umwälzung unseres gesamten Lebensstils sogar rapide. Ein völlig neues Phänomen sind die unangenehmen Reaktionen des Immunsystems auf Eiweißstoffe in Pollen oder Nahrungsmitteln aber nicht.

Poesie und Anekdoten: Die allerersten Allergieberichte


Die ältesten gesicherten Belege für das Auftreten von Allergien lassen sich nicht ganz eindeutig festmachen. Mitunter werden sogar Bibelstellen und Passagen in Epen wie der Ilias mit allergiebedingten asthmatischen Symptomen in Verbindung gebracht, etwa wenn darin von der »Kürze des Atems« die Rede ist. Die meisten Experten sind sich allerdings einig, dass solche Ferndiagnosen allzu fantasievolle Interpretationen der alten Texte wären. Es ist nicht nur unklar, ob damit allergisches Asthma im engeren Sinn beschrieben werden sollte – man weiß nicht einmal, ob es sich womöglich um reine Poesie handelte.

Eine häufig zitierte Anekdote über einen tragischen historischen Fall eines Allergikers ist sogar sicher blanke Erfindung: Diese vielfach erwähnte Geschichte erzählt vom ägyptischen Pharao Menes, der im dritten Jahrtausend vor Christus von einer Wespe gestochen worden und daran gestorben sein soll. Dies wäre immerhin der erste dokumentierte Fall eines tödlichen anaphylaktischen Schocks. In Wirklichkeit beruht der vermeintlich überlieferte Vorfall auf einem Jux, den sich die Autoren eines Fachbuchs in den 1980er-Jahren erlaubten, wohl um zu demonstrieren, wie leicht sich die Menschen narren lassen. Denn jenes mit Hieroglyphen gespickte Bild, das von dem Zwischenfall erzählt, zeigt nicht nur eine dicke Wespe, die den bedauernswerten Herrscher frech in die Nase piekst, sondern auch allerlei Gegenstände, die im alten Ägypten eher nichts verloren hatten: Golfschläger, Kaffeetassen, Regenschirme, Injektionsnadeln, ein Fußballtor und die Londoner Tower Bridge. Die Darstellung ist aber ein schönes Beispiel dafür, wie kompletter Unsinn, wenn er nur oft und hartnäckig genug kolportiert wird, allmählich in den Fundus scheinbar gesicherten Wissens einsickert.

Deutlich überzeugender als die tödliche Wespenattacke klingt die Schilderung, wonach Britannicus, der im Jahr 41 geborene Sohn des römischen Kaisers Claudius, Tierhaarallergiker war. Kaum setzte er sich aufs Pferd, so behaupten historische Quellen, juckten und rannen seine Augen entsetzlich, und roter Ausschlag überzog Britannicus’ Gesicht. Kampfeinsätzen zu Pferd war diese gesundheitliche Schwachstelle nicht besonders zuträglich.

Freilich handelt es sich bei solchen Berichten um Einzelfallschilderungen, die, sofern sie in der überlieferten Form zutreffen, nichts über die damalige Häufigkeit der Problematik verraten. Dennoch trachteten schon in der Antike Gelehrte danach, Leiden systematisch zu erfassen, die man heute dem Komplex allergischer Erkrankungen zuordnen könnte – und sannen über Abhilfe nach, vor allem in Zusammenhang mit den wohl häufigen asthmatischen Beschwerden. So empfahl ein chinesischer Chronist vor rund 4500 Jahren einen Fichtenextrakt zur Behandlung chronischer Atemnot. In einem Papyrus, der etwa 1000 Jahre danach entstand und eine Sammlung von rund 900 Rezepten enthielt, war sogar von einem Inhalationsapparat gegen »große Schwäche« die Rede, was manche Übersetzer als Asthma deuteten.

Später war Asthma wiederholt Thema im frühesten umfassenden medizinischen Nachschlagewerk: in dem ab dem fünften vorchristlichen Jahrhundert verfassten Corpus Hippocraticum, benannt nach dem legendären griechischen Arzt Hippokrates. Darin gab es nicht nur Erörterungen über Asthma bei Kindern und Erwachsenen, sondern auch Schilderungen der Nesselsucht, fachsprachlich Urtikaria genannt. Der Körper bedecke sich dabei »mit Quaddeln wie bei der Berührung mit Brennnesseln«, notierten die antiken Ärzte über die Hautkrankheit.

Eine besonders ausführliche, scharfsichtige und plastische Schilderung von Asthma in der Antike verfasste der griechische Arzt Aretaios um die Wende zum zweiten Jahrhundert nach Christus – wobei heute, wie bei der Mehrzahl der historischen Berichte, nicht mehr zu rekonstruieren ist, ob Aretaios tatsächlich auf die allergisch bedingte Variante des Leidens abzielte. Immerhin beschrieb er beeindruckend detailliert die verschiedenen Schweregrade der Atemnot: vom Ringen nach Luft bei körperlicher Anstrengung bis zur prompten »Erstickungsnot«, wenn Patienten ausgestreckt im Bett lagen. Diese bedauernswerten Menschen müssten stets aufrecht sitzen, weil sonst die »Gefahr der Erstickung« drohe, überdies scheine ihnen »keine Wohnung zum Atemholen geräumig genug« zu sein. Und weiter führte Aretaios aus: »Sie atmen aufrecht stehend, als ob sie alle Luft in sich einsaugen wollten, und sie öffnen den Mund ganz weit.« Etwa 300 Jahre später rieten römische Ärzte Asthmatikern bereits zu Kuraufenthalten am Meer, weil das mediterrane Klima der furchtbaren Enge in der Brust entgegenwirke.

Historische Darstellungen der allergischen Rhinitis sind dagegen äußerst selten. Der heute extrem verbreitete Heuschnupfen scheint in ferner Vergangenheit kein großes Thema gewesen zu sein. Zumindest verraten die erhaltenen schriftlichen Überlieferungen nichts darüber. Eine der wenigen Schilderungen dazu stammt von einem persischen Arzt, der gegen Ende des ersten Jahrtausends in einem Medizinkompendium den Heuschnupfen eines Philosophen beschrieb.

Aus den späteren Abschnitten der Geschichte liegen mehr Berichte über Zeitgenossen vor, denen Allergien zu schafften machten. Manche davon sind durchaus reich an pikanten Details, besonders dann, wenn die adelige Prominenz in deren Zentrum stand. Fallweise wurden allergische Reaktionen offenbar sogar zur heimtückischen Waffe im intriganten Ränkespiel um Macht und Einfluss. So soll der skrupellose Richard III. im Jahr 1483 seine Erdbeerunverträglichkeit gezielt benutzt haben, um einen missliebigen Konkurrenten auszuschalten. Angeblich verzehrte der König zunächst eine Schale der roten Früchte, präsentierte dann die hässlichen Hautreaktionen im Kronrat und beschuldigte anschließend den verhassten Lord William Hastings eines Giftattentats. Hastings wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Wesentlich harmloser ist die Geschichte des Kardinals Oliviero Carafa, der auf den Duft von Rosen mit unerklärlichem Schnupfen reagierte. Der Geistliche, dessen Lebzeit kurz nach der Wende zum 16. Jahrhundert endete, erteilte seiner Palastgarde die strenge Order, jeden Besucher gründlich zu durchsuchen – für den Fall, dass einer auf die Idee kommen sollte, einen Strauß Rosen als Geschenk mitzubringen. Mitte des 16. Jahrhunderts verfasste ein italienischer Arzt namens Leonardo Botallo die erste ausführliche Beschreibung dieses seltsamen...

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