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Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz

AutorSylvana Schulze
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl91 Seiten
ISBN9783640309269
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 1,8, FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Berlin früher Fachhochschule (FOM), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Arbeistverhältnis in der Insolvenz. Ausgehend von der Klärung eines 'normalen' Arbeitsverhältnisses, das in der Insolvenz nicht erlischt, werden rechtliche Grundlagen, Beteiligte und verfahrensrechtliche Tatbestände für das Arbeitsrecht und in Übertragung auf das Insolvenzrecht geklärt. Aufgrund der relevanz des Eurorechts erfolgt auch eine Klärung, inwieweit sich Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht ergeben.

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Leseprobe

5. Insolvenzverfahren und Arbeitsrecht


 

5.1. Arbeitsrechtliches Ziel im Insolvenzverfahren


 

Ist der Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden oder als juristische Person überschuldet, so kann auf eigenen Antrag oder auf Antrag einer der Gläubiger das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet werden: § 13 I InsO.[200]  Die Insolvenzordnung sieht hierbei für die arbeitsrechtlichen Konsequenzen der Insolvenz gegenüber den sonstigen arbeitsrechtlichen Regelungen bestimmte Modifikationen vor.[201]  Ein möglichst frühzeitig geordnetes Verfahren soll verhindern, dass an für sich vorhandene Sanierungschancen durch den unkontrollierten privilegierten Zugriff einzelner Gläubiger  zunichte gemacht werden (§§ 16 – 19 InsO).[202] Somit enden Reihenfolgeprinzip und daraus resultierender Wettlauf der Gläubiger mit Insolvenzeröffnung.[203] Arbeitnehmer als Nichtbeteiligte des Insolvenzverfahrens in seinem insolvenzrechtlichen Sinn sollen einen besonderen Schutz erfahren, da vorausgesetzt wird, dass ihre Stellung als Gläubiger aus dem Arbeitsverhältnis und der damit in Zusammenhang stehenden Abhängigkeit, insbesondere bei Kündigungen,  besonders schutzwürdig ist;[204] hierzu enthält die InsO besondere arbeitsrechtliche Bestimmungen. Die Insolvenzordnung zielt weiterhin darauf ab, Arbeitnehmern Handlungschancen einzuräumen und sie stärker am Insolvenzverfahren zu beteiligen (siehe § 222 III InsO, § 67 II InsO).[205]

 

5.2. Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz


 

Gemäß § 108 I InsO bestehen Arbeitsverhältnisses mit Wirkung für die Insolvenzmasse weiter fort.  Somit hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses keine Auswirkung. Die Regelungen des allgemeinen Arbeitrechts gelten weiter fort. An die Stelle des Arbeitgebers tritt gemäß § 80 InsO der Insolvenzverwalter (siehe 5.3.3.). Die Verfahrenseröffnung begründet keinen „wichtigen Grund“  für eine fristlose Kündigung nach § 626 I BGB.[206] Der Insolvenzverwalter hat die Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen und das Arbeitsentgelt aus der Masse zu zahlen (§§ 53, 55 I Nr. 2  2. Alt.). Dies gilt auch dann, wenn  er wegen Betriebsstilllegung oder –einschränkung einzelne oder alle Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann (vgl. § 615 BGB).  Zahlt der Insolvenzverwalter nicht, da die Masse nicht einmal zur völligen Berichtigung der Masseverbindlichkeiten ausreicht (vgl. §§ 208 – 209 InsO), dann erhalten die Arbeitnehmer Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt. 

 

Forderungen auf rückständiges Arbeitsentgelt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zum Zeitpunkt der Eröffnung entstandene Ansprüche in Geld – und Naturalleistungen)  sind entgegen der früheren Privilegierung gemäß § 38, 108 II InsO nur einfache Insolvenzforderungen (§ 108 III InsO). Gemäß §§ 28 I, 174 und 175 InsO  muss der Arbeitnehmer diese Ansprüche innerhalb der gerichtlich festgesetzten Frist schriftlich zur Tabelle anmelden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehende Ansprüche sind Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 I Nr. 2 InsO. Der Schutz des Arbeitnehmers besteht in dem vom Arbeitsamt zu zahlenden Insolvenzgeld für die letzten drei rückständigen Arbeitsmonate (näheres Punkt 5.3.4.2.).

 

Aus- und Absonderungsrechte gemäß §§ 47 – 52 InsO sind bei einem „normalen“ Arbeitsverhältnis in der Regel nicht gegeben, hingegen die Beendigung der Wirksamkeit von Pfändungsverfügungen auf Arbeitslohn schon (§ 114 InsO). 

 

 

Abb. 5  Arbeitgeberstellung im Insolvenzverfahren[207]

 

5.3. Die Beteiligten


 

5.3.1. Das Insolvenzgericht


 

Ausschließlich sachlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat (§ 2 InsO).  Die ansonsten zulässige Prorogation ist gemäß § 2, 4 i.V.m. § 40 II Nr. 2 ZPO ausgeschlossen.[208] 

 

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 3 I InsO. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Insolvenzschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 3 I S. 1 InsO) oder der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners (hier: des Arbeitgebers) liegt (§ 3 I S. 2 InsO).  Auch diese Zuständigkeit ist eine ausschließliche.[209] § 111 I ArbGG  über die Vorrangigkeit der Arbeitsgerichte bei Streitigkeiten zwischen  Arbeitgebern und Arbeitnehmern (insbesondere § 2 I Nr. 3 Lohnstreitigkeiten) tritt im Insolvenzverfahren zurück. Die Zuständigkeit begründet sich ausschließlich nach § 2 und 3 InsO,  da das Insolvenzverfahren zum Schutz aller Gläubiger und des Rechtsfriedens den Rechtsstreit im Arbeitsrecht überlagert.

 

5.3.2. Der Insolvenzschuldner


 

5.3.2.1. Die rechtliche Stellung

 

Insolvenzfähigkeit ist die Fähigkeit, Insolvenzschuldner in einem Insolvenzverfahren zu sein.[210] Sie sagt aus, dass über das Vermögen der betreffenden Person oder des Gebildes ein  Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Somit sind nach § 11 I InsO alle natürlichen (§ 1 BGB) und juristischen Personen des Privatrechts[211] insolvenzfähig.[212]  § 11 II Nr. 1 InsO lässt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch über das Vermögen bestimmter  Gesellschaften zu, wobei die GbR gemäß § 705ff BGB als nicht rechtsfähige Personengesellschaft eingestuft wird[213] – im Gegensatz zur BGH - Rechtssprechung.[214]  Soweit man gemäß BGH – Rechtssprechung die Rechtsfähigkeit der GbR bejaht, ergibt sich die Insolvenzfähigkeit aus § 11 I S. 1 InsO. 

 

Die Handlungsfähigkeit im Insolvenzverfahren ergibt sich aus § 4 InsO i.V.m. den entsprechenden §§ der ZPO.[215]  Der Insolvenzschuldner bleibt zwar Inhaber seines Vermögens  und verliert auch nicht die Geschäftsfähigkeit gemäß § 104ff. BGB.[216] Wohl verliert er jedoch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 II Nr.3, III InsO) die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes, d.h. zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorhandenes oder während des Verfahrens erworbenes Vermögen zu verwalten, darüber zu  verfügen (§ 80 I InsO) oder zu prozessieren (§§ 85 f. InsO i.V.m. § 240 ZPO). Nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Verfügungen des Insolvenzschuldners über Gegenstände  der Insolvenzmasse (z.B. Geldverfügungen) sind nach § 81 I S. 1 InsO aufgrund des Verfügungsverbotes nach § 21 II S. 1 Nr. 2 InsO unwirksam.[217]  Verfügung ist hierbei ein Rechtsgeschäft, durch das auf ein bestehendes Recht unmittelbar eingewirkt wird.[218] Nach der Verfahrenseröffnung vorgenommen und damit unwirksam ist eine Verfügungshandlung selbst dann, wenn ein Tatbestandsmerkmal nach der Verfahrenseröffnung liegt.[219] Unwirksame Verfügungen des Insolvenzschuldners werden jedoch analog § 185 II BGB wirksam, wenn sie der Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis nach § 80 I InsO übergeht, genehmigt.[220]

 

5.3.2.2. Exkurs Eigenverwaltung

 

Die InsO  sieht in Abweichung zum Regelinsolvenzverfahren in den §§  270 – 285 InsO die Eigenverwaltung vor, deren Abweichungen die Eigenverwaltung für ein Unternehmen in der Krise durchaus attraktiv werden lassen[221], denn kein anderer kennt das Unternehmen und seine Einbettung in die Branche so gut wie der Schuldner.[222]   Möglich ist diese, wenn mit der Unternehmenssanierung vor der Insolvenz begonnen und von der Mehrheit der Gläubiger gebilligt wurde, die Sanierung aber an einer Gläubigerminderheit scheiterte.[223]  Wenn das Gericht eine Eigenverwaltung des Schuldners zulässt,  kann der Schuldner im Ausnahmefall die Verfügungs- und Verwaltungsmacht behalten (§§ 270ff InsO).[224]  Dies wirkt sich auf die Abwicklung von Schuldverhältnissen zwischen Insolvenzschuldner und (Insolvenz)Gläubiger aus.[225] Bei Entstehung von Guthabensforderungen nach Eröffnung von Eigenverwaltungsinsolvenzverfahren können die Gläubiger ungeachtet der §§ 94 – 96 InsO aufrechnen. Interessant wird dies bei Arbeitsverhältnissen (denn ein solches ist ein Schuldverhältnis), wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Haftungsansprüchen oder Schadensersatzforderungen ihm gegenüber mit Arbeitslohnforderungen aufrechnet.  Dieser Fall wird jedoch eher seltener eintreten.

 

Das Verfahren der Eigenverwaltung ist jedoch vorsichtig zu betrachten, da das richterliche Privileg, den Insolvenzverwalter zu bestellen, in diesen Fällen umgangen werden kann. Die Gefahr eines Missbrauchs, wenn sich ein Insolvenzverwalter zum Geschäftsführer des seine eigene Insolvenz verwaltenden Unternehmens bestellt, ist nicht so ohne weiteres zu unterschätzen.[226]  Andererseits kann das Verfahren bei der Abwicklung von Konzerninsolvenzen mit mehreren verbundenen insolventen Unternehmen auch durchaus Vorteile bieten.[227] Außerhalb der Eigenverwaltung wäre eine Weiterführung aufgrund der Notwendigkeit mehrerer beteiligter Insolvenzverwalter  und des engen zeitlichen Rahmen nicht...

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