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Das Buch der leider vergessenen Wörter

AutorPetra Cnyrim
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783959718851
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Unsere Sprache ist einem steten Wandel unterworfen. Während heute der Babo eine nice WhatsApp kriegt, erreichte dereinst womöglich eine poussierliche Depesche den Offizianten - natürlich nur, sofern diese unterwegs nicht gefringst wurde. Petra Cnyrim hat mit ihrem Bestseller Das Buch der fast vergessenen Wörter bereits gezeigt, wie spannend es ist, alte Wörter wieder hervorzukramen, sich zu wundern und zu erinnern. Mit ihrem neuen Buch begibt sie sich nun in die Welt der Wörter, die komplett in Vergessenheit geraten sind. Was zum Beispiel ist ein Schlotbaron? Was ein Ehegaumer? Und was bedeutet der Ausdruck weidlich? Eine spannende Zeitreise durch die (Sprach-)Geschichte unseres Landes.

Petra Cnyrim, geb. 1975, lebt und arbeitet als Autorin in München. Ihre Bücher Vervollständige die Funktion und Das Buch der fast vergessenen Wörter schafften es in die Spiegel-Bestsellerliste.

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Leseprobe

B


Bacchantisch


Adjektiv; ausgelassen, trunken.


Das Wort »bacchantisch« bezieht sich in seinem Ursprung auf den römischen Gott Bacchus, den Gott der Genüsse und des Weines. In seiner Bedeutung hat es sich dahingehend entwickelt, dass es, ausgehend von der Zuneigung für die leiblichen Genüsse, später auch für die Beschreibung von Ausschweifungen aller Art diente. Trotzdem sollte der Begriff in seiner genauen Bedeutung nicht einfach mit Saufgelagen gleichgesetzt werden. Ein bacchantisches Fest hatte immer einen ganz bestimmten Anlass, der zum einen eher selten vorkam und zum anderen mit dem echten Genuss in einem direkten Zusammenhang stand. Es ging nicht darum, zu feiern und dabei möglichst schnell betrunken zu werden. Bacchantische Feste wurden begangen, um dem Genuss an sich zu huldigen.

Bagage


Gesindel, Pack.


Früher die umgangssprachliche Bezeichnung für Gesindel, Lumpen. Vom französischen »Bagage« für Gepäck übernommen, bezeichnete man im 16. und 17. Jahrhundert so einen Tross von Menschen, der sich den Soldaten anschloss. Während des Dreißigjährigen Krieges machten sich auf diese Weise oft ganze Sippschaften auf den Weg, um den Soldaten zu folgen. Diesen Anhang bezeichnete man umgangssprachlich als »Gepäck«, also »Bagage«. Oft handelte es sich bei den Menschen, die sich dem Trupp anschlossen, um nahestehende Verwandte der Soldaten, die auf diese Weise versuchten, ihren Lieben nahe zu sein. Manchmal waren es aber auch einfache Händler und andere Gewerbetreibende, die lieber den langen Marsch auf sich nahmen, dafür aber dann zumindest einigermaßen in Sicherheit arbeiten und leben konnten.

Diese Bagage war im Grunde genommen kein unerwünschter Anhang, denn durch die gewerbetreibenden Menschen stellte sich eine Art normales »Dorftreiben« ein, das auch für die Soldaten Verpflegung und ärztliche Versorgung gewährleistete. Trotzdem wurden die Menschen des Anhangs, der Bagage, immer mit einer gewissen Geringschätzung vonseiten der Soldaten behandelt. Sie waren ein geduldetes Übel, mehr nicht. Wahrscheinlich hat sich auch deshalb im Laufe der Zeit ein gewisser negativer Unterton zu dem Begriff »Bagage« gemischt, der bis zu seinem Aussterben nicht mehr zu leugnen war.

Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert erfreute sich der Begriff großer Beliebtheit, denn zu jenen Zeiten war schließlich begrifflich alles en vogue, was französischen Ursprungs war. In dieser Epoche war es auch egal, ob damit tatsächlich das Gepäck betitelt wurde, oder ob man in weltmännischem Ton einen anderen Menschen, zumindest verbal, aus der High Society ausgrenzen wollte.

Erst im 20. Jahrhundert ging die »Bagage« und mit ihr viele andere aus dem Französischen eingedeutschte Begriffe wieder verloren. Von nun an sprach man wieder lieber vom Gesindel oder Pack, wobei sich auch hier sicherlich die Frage stellt, ob dies eine sprachliche Weiterentwicklung war.

Bankert


Abwertende Bezeichnung für ein uneheliches Kind.


Das Wort ist eine Zusammensetzung aus dem mittelhochdeutschen »banchart« (die Bank) und der Endung »-hard«, die damals in den meisten Vornamen vorkam. Man wollte durch diese Zusammensetzung deutlich machen, dass das Kind erstens nicht im Ehebett, sondern wahrscheinlich auf einer Parkbank gezeugt wurde und zweitens, dass der Vater wohl einer der »-hards« war, die es in dem Ort gerade gab.

Barfrost


Frost, der manchmal vor dem ersten Schneefall eintritt.


Die Pflanzen sind vor dem ersten Schneefall »bar«, also ohne schützende Schneedecke der Kälte des Frostes ausgesetzt. Länger anhaltende Frostperioden dieser Art führen meistens dazu, dass die Pflanzen an den Wurzeln erfrieren und eingehen. Selbst wenn die Wurzeln verschont bleiben, besteht immer noch die Gefahr, dass die Pflanzen aufgrund der gefrorenen Erde vertrocknen. Denn durch die Kälte gefriert auch das Wasser in den etwas tieferen Schichten und kann von den Wurzeln nicht aufgenommen werden. Den Barfrost gibt es in der Natur nach wie vor, er wird inzwischen nur anders bezeichnet. Gängigere Begriffe sind heute »Kahlfrost« und »Bodenfrost«.

Bächeln


Synonym für wärmen, dampfen, warmhalten.


Das Wort entspringt dem mittelhochdeutschen Begriff »bachen«, was »backen« bedeutete. Wenn sich also damals jemand bächeln sollte, dann war damit gemeint, dass er sich warmhalten beziehungsweise eindämpfen sollte. Dieser Rat kam zum Beispiel oft von Ärzten, wenn es entweder darum ging, einer lästigen Erkältung mithilfe von Dampfbädern zu Leibe zu rücken, oder wenn geschwollene Beine mit einer Essigessenz in ihre gewohnte Form zurückfinden sollten.

Obwohl der Begriff »bächeln« an sich ausgestorben ist, kann man ihn noch in etwas abgewandelter Form zum Beispiel im Bayrischen finden (»es ist heute bacherlwarm …«).

Behuf


Synonym für »zu diesem Zweck«.


Das aus dem Mittelhochdeutschen stammende Wort ist seit ca. dem 13. Jahrhundert belegt. Wenn man sich dieses Begriffes bediente, wollte man eine Absicht beziehungsweise ein Vorhaben ausdrücken, zum Beispiel: »… zu diesem Behufe befragte er die Bevölkerung.«

Bohnern


Wachsen eines Holzfußbodens.


Dieses Wort ist insofern interessant, als dass es vielen noch ein Begriff ist, es aber keiner mehr benutzt, geschweige denn tut. Bohnern kommt von dem niederdeutschen »bohnen« und bezeichnet die Behandlung eines Holzbodens mit Wachs. Der Boden wurde mit einem Pflegewachs mithilfe einer Art Besen eingelassen. Dieser Besen hatte relativ harte Borsten und wurde unter anderem mit Blei beschwert, damit das Wachs gut in das Holz eingerieben werden konnte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts finden sich ganze Abhandlungen darüber, mit welchen Tricks das perfekte Bohnerergebnis zu erzielen sei. Denn es war durchaus eine Art Aushängeschild eines Haushaltes und besonders der Hausfrau, wenn der Boden frisch gebohnert war und perfekt glänzte.

Der Begriff entstand im 18. Jahrhundert und wurde vor allem im 19. Jahrhundert zu einem sehr gängigen Ausdruck. Denn gerade um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde in den deutschen Haushalten ausgiebig gebohnert. Zu diesem Zweck wurden dann am Anfang des 20. Jahrhunderts sogar richtige Bohnermaschinen entwickelt, die der Hausfrau das Einlassen der Böden erleichtern sollten.

Auch in militärischen Einrichtungen wurde das Bohnern der Flure und Stuben zu einer Art bestehendem Ritual, das sich noch bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hielt. Der Begriff »bohnern« ist demnach zwar auch heute noch bekannt, wird aber im Sprachgebrauch nicht mehr verwendet. Die Holzböden von heute werden inzwischen mit einem speziellen Lack versiegelt, der die Bohnerarbeiten überflüssig gemacht hat.

Bowler


Runder Hut, andere Bezeichnung für die »Melone«.


1849 erfanden die Brüder Thomas und William Bowler einen Hut, der Geschichte machen sollte. Die beiden Londoner fertigten mit dem runden Hut aus Filz, der seine Festigkeit durch die Einarbeitung von Schellack erhielt, einen perfekten Alltagsbegleiter für den »Herren von Welt«. In Deutschland bekam die Kopfbedeckung aufgrund ihrer Form unter anderem die Bezeichnung »Melone«.

Ursprünglich hatte der so schnell in Mode gekommene Hut aber eine ganz andere Verwendung. Es war nämlich nicht modischer Anspruch, der die Herren Bowler zu ihrer Kreation trieb, sondern der einfache Auftrag eines Landbesitzers. Er bat die Bowlers darum, eine Kopfbedeckung für seine Jagdaufseher zu entwerfen. Denn die Tradition, einen Zylinder bei der Jagd zu tragen, führte unweigerlich immer wieder zu dem ärgerlichen Problem, dass diese immer wieder verloren gingen, weil sie entweder im Geäst hängen blieben, oder durch Gegenwind vom Haupt des Reiters geweht wurden. Der Zylinder war schlichtweg zu groß und hoch, als dass man ihn in zu diesem Zwecke nutzen konnte. Damals konnte allerdings niemand ahnen, dass sich der Bowler so schnell und intensiv in England und bald auch in anderen Ländern etablieren würde.

Der Hut verbreitete sich rasant über den gesamten Globus und erhielt dabei interessanterweise auch vollkommen unterschiedliche Zweckmäßigkeiten. In den USA wurde er zum Beispiel zum Markenzeichen vieler bekannter Westernhelden, während er in Bolivien zur traditionellen Kopfbedeckung der bolivianischen Frauen avancierte. In England wurde der Bowler zum einen ein Traditionsstück, wenn es zum Beispiel um den Besuch von Pferderennen ging. Zum anderen war er das unübersehbare Markenzeichen der englischen Banker. Selbst bei politischen Anlässen war der Bowler stets ein Zeichen, dass sich die Iren aneigneten, wenn sie als Vertreter der Unionisten ihre Nähe zu Britannien symbolisieren wollten.

Spätestens zu Zeiten von Winston Churchill und Charlie Chaplin wurde der Bowler zu einem modischen Statement und dadurch zu einem Accessoire der Grundausstattung des »modernen« Mannes. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts war die Hochphase des Bowlers erreicht. Danach nahm die Begeisterung für den praktischen Hut immer mehr ab, was aber vielleicht auch daran lag, dass das Interesse für Hüte generell immer weniger wurde. Später fand man den Bowler dann hauptsächlich als Requisite in...

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