3. Die Rolle der Bankenintermediation in einer Volkswirtschaft
Der Rolle eines Finanzsystems als Gesamtheit von Institutionen und Einrichtungen, die Finanzierungs-, Geldanlege- und Zahlungsverkehrsfazilitäten in einer Volkswirtschaft zur Verfügung stellen,{13} widmet die Literatur zur Zeit verstärkt ihre Aufmerksamkeit. Grundlage dieses Interesses sind theoretische und empirische - wenn auch hinsichtlich der Kausalitätsrichtungen - kontrovers diskutierte Erkenntnisse über den Einfluss des Finanzsystems auf die reale Entwicklung einer Volkswirtschaft. In diesem Zusammenhang betonte bereits Schumpeter (1926), dass die Dienste von Banken bedeutend für Innovation und Wirtschaftswachstum seien. Die Bank bzw. der Bankier stehe als Intermediär zwischen dem dynamischen Unternehmer und dem Eigentümer von Produktionsmitteln, identifiziert produktive Investitionen und unterstützt den Unternehmer bei der Finanzierung solcher.{14} Letztlich konnte in einer Reihe ökonometrischer Untersuchungen ein Zusammenhang zwischen dem Status finanzieller Entwicklung und dem Wirtschaftswachstum bestätigt werden. Der finanzielle Entwicklungsstand{15} einer Volkswirtschaft gilt daher als ein guter Indikator für die künftigen Wachstumsraten des BIP, der Akkumulation von Sachkapital und der Zunahme der Investitionseffizienz.{16} Neuere Analysen heben darüber hinaus hervor, dass nicht die Struktur des Finanzsystems per se die entscheidende Einflussvariable ist, also nicht, ob Banken oder Kapitalmärkte{17} den Finanzsektor dominieren, sondern Institutionen wie bspw. das Rechtssystem oder politische Regeln als Faktoren der "dritten Art", offenbar den übergeordneten Rahmen liefern, ohne den sich positive Effekte des Finanzsystems nicht entfalten können.{18}
In einem funktionalen Kontext der Finanzintermediation operieren professionelle Finanzintermediäre als Institutionen des Finanzsystems und beseitigen oder mildern die mit Informationsasymmetrien verbundenen Probleme. Sie erfüllen volkswirtschaftliche Schlüsselfunktionen, wie die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, die Mobilisierung von Ersparnissen, Allokation von Krediten, Risikomanagement und die Überwachung von Kreditnehmern (Managementkontrolle). Durch Bewertung von Investitionen und Überwachung der Aktivitäten der Kreditnehmer lösen Finanzintermediäre Informationsprobleme und erhöhen die Effizienz der Ressourcennutzung. Letztlich sind es diese Funktionen, die sowohl die Kapitalakkumulation als auch den technischen Fortschritt, die wesentlichen endogen Faktoren volkswirtschaftlichen Wachstums unterstützen.{19} Dabei kommt in allen Finanzsystemen Banken als Finanzintermediären eine besondere Rolle zu.
3.1 Finanzintermediäre und ihre Bedeutung im Entwicklungsprozess
Die Tätigkeit von Finanzintermediären wird mit steigendem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft immer wichtiger. Befindet sich eine Volkswirtschaft noch auf einem sehr niedrigen Entwicklungsstand, wird die Person des Sparers oft gleichzeitig auch Investor sein. Investiert werden vorwiegend sehr kleine Beträge zur Erzeugung von einfachen Geräten oder zum Eigenbau von Häusern. Mit höherem Entwicklungsniveau findet zunehmend eine personelle Trennung zwischen Sparer und Investor statt.{20} Um Sparern eine Verzinsung ihres Kapitals und Investoren Zugang zu fremden Kapital zu ermöglichen, müssen beide Seiten zusammengebracht werden. Dies kann einmal auf direktem Weg geschehen. Hierbei transferiert die sparende Wirtschaftseinheit die Ersparnisse direkt ohne Zwischenschaltung einer weiteren Stelle zur investierenden Wirtschaftseinheit. Problematisch ist dieser Weg aber aufgrund der hohen Suchkosten. Es dürfte sich für einen Investor als sehr aufwendig herausstellen, einen Sparer zu finden, der genau die benötigte Geldsumme für die benötigte Zeit und zu annehmbaren Konditionen zur Verfügung stellen möchte bzw. kann. Der andere Weg führt über die Zwischenschaltung einer Schnittstelle zwischen Kapitalanbieter und Kapitalnachfrager. Hier setzt die hauptsächliche Tätigkeit der Finanzintermediäre, und insb. diejenige der Banken an. Diese haben sich in irgendeiner Form darauf spezialisiert, Investoren und Sparer zusammenzubringen. Diese Spezialisierung ist mit erheblichen Effizienzvorteilen für die Volkswirtschaft verbunden.{21}
Finanzintermediation beschreibt also letztlich den sinnvollen Brückenschlag zwischen Sparern, die weniger ausgeben als sie einnehmen, und Investoren, die mehr ausgeben als sie einnehmen{22} bzw. den Prozess der Vermittlung von Finanzbeziehungen zwischen Kapitalangebot und –nachfrage. Obgleich sich die Vermittlung auch direkt über Kapitalmärkte, wie Aktien und Rentenmärkte realisieren lässt, werden im folgenden Finanzintermediäre fokussiert. Finanzintermediäre lassen sich grundsätzlich als Intermediäre im engeren und weiteren Sinne bzw. als Individuen, Institutionen oder Einrichtungen, die einen Ausgleich zwischen Kapitalanlege- und Kapitalaufnahmebedarf von unterschiedlichen Wirtschaftssubjekten herstellen oder zur Herstellung des Ausgleichs beitragen, beschreiben. Finanzintermediäre im engeren Sinne nehmen entsprechend Zahlungsmittel von originären Kapitalgebern, die Finanzmittelüberschüsse haben, entgegen (Anlageleistung) und geben die Finanzmittel an originäre Kapitalnehmer, die ihrerseits Kapitaldefizite haben, weiter (Finanzierungsleistung). Hierzu zählen bspw. sämtliche Arten von Kreditinstituten, Investmentgesellschaften sowie Venture Capital Gesellschaften.
Finanzintermediäre im weiteren Sinne sind hingegen darauf spezialisiert, den unmittelbaren Abschluss von Finanzkontrakten zwischen originären und/oder intermediären Kapitalgebern und -nehmern herbeizuführen bzw. zu ermöglichen, ohne dabei jedoch selbst als Partner in einen solchen Vertrag einzutreten. Hierzu zählen bspw. Finanzmakler, die Angebot und Nachfrage zusammenführen, Ratingagenturen, die die Qualität einzelner Unternehmen bewerten, Finanzanalysten, die die Entscheidungsfindung bei einer Transaktion unterstützen oder auch Wertpapierbörsen, die Transaktionen auf Wertpapiermärkten organisieren.{23}
Als sicherlich prominenteste Form des Finanzintermediärs tritt die Unternehmung Bank in Ihren verschiedenen Ausprägungen auf und nimmt dabei besonders zentrale Funktionen innerhalb des Bankensystems{24} wahr. Der ökonomische Bankbegriff definiert Banken allgemein als alle Institutionen, die Bankgeschäfte tätigen und entsprechend durch die Verknüpfung der bankbetrieblichen Produktionsfaktoren Kredit nehmen und Kredit gewähren, Leistungen des Geld-, Kredit- und Kapitalverkehrs erbringen und sonstige Finanzdienstleistungen anbieten.{25} Im Rahmen ihrer einzelwirtschaftlichen Funktionen{26} nimmt eine Bank bspw. Sicht-, Spar- und Termineinlagen entgegen und verleiht diese an potentielle Investoren weiter. Dabei erspart sie ihren Marktpartnern (Kapitalgebern und -nehmern) die eigenständige mit Kosten verbundene Suche nach geeigneten Marktpartnern und nimmt unter Berücksichtigung ihrer einzelwirtschaftlichen Interessen (Rentabilität, Liquidität, Sicherheit) Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Verteilung der existierenden Ressourcen, um eine optimale und wohlfahrtsstiftende Steuerung der Kapitalverwendung zu erreichen.{27} Dabei ist die Bank gleichzeitig Finanzgutachter (z. B. bei der Kreditbeurteilung), Finanzhändler (z. B. im Devisengeschäft), Finanzauktionator (z. B. im Emissionsgeschäft) und v. a. Finanzproduzent (d. h. sie produziert im Rahmen ihrer Transformationsleistungen neue Finanzverträge). Als Finanzproduzenten haben Sie auch eine wichtige Funktion in der Finanzinnovation, die die Möglichkeiten erhöht, Erspartes zu investieren.{28}
Ohne die z. T. sehr vielfältigen Modelle der Finanzintermediation auch nur ansatzweise wiederzugeben, konzentriert sich dieser Beitrag im folgenden auf solche Funktionen der Banken (als idealisierten Archetypen der Finanzintermediation), die für volkswirtschaftlich relevant gehalten werden. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit oder vollständige Trennschärfe zählen hierzu die Transformationsfunktionen, das Management des Zahlungssystems sowie Informations- und Kontrollaktivitäten.
3.2 Volkswirtschaftliche Funktionen der Banken
Die wesentliche volkswirtschaftliche Funktion der Banken besteht darin, die in einer Volkswirtschaft verfügbaren Mittel zu mobilisieren und sie unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken jenen Investitionen zuzuführen, welche die höchsten Erträge erwirtschaften. Im Rahmen ihrer einzelwirtschaftlichen Finanzierungsfunktion schließen sie hierzu Kreditverträge und verteilen das vorhandene Kapital (Spardepositen) als Fremdkapital auf konkurrierende Verwendungen. Ersparnisse gelten dabei als Voraussetzung, damit Investitionen finanziert werden können. Und eine vermehrte Mobilisierung von Ersparnissen ermöglicht eine größere Kapitalakkumulation und damit Wachstum. Im Rahmen des dazu notwendigen Tauschprozesses „Zahlungsmittel gegen zukünftige Zahlungsansprüche“ ergibt sich das Problem, die gegensätzlichen Wünsche der Kapitalgeber und -nehmer in Einklang zu bringen, da...